Die ersten Turmteile für eine neue Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von 238 Metern und einer Leistung von 5,7 Megawatt sind in Questin, Mecklenburg-Vorpommern, montiert.
Die Energiekrise ist vorbei, alles ist wieder gut. Diese Erzählung macht aktuell die Runde. Und es soll sogar noch besser kommen: Mit dem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien soll Strom billiger werden.
Dieses optimistische Szenario wird von der Politik in Aussicht gestellt, um die Akzeptanz für die Energiewende zu erhöhen. Das Szenario beruht auf der Tatsache, dass die variablen Kosten von mit Windkraft- und Photovoltaikanlagen erzeugtem Strom praktisch null seien und diese Anlagen daher konventionelle Gas- und Kohlekraftwerke aus dem Markt drängen würden. Als Resultat sinke der Strompreis an der Strombörse.
Dieser sogenannte Merit-Order-Effekt tritt jedoch nur dann ein, wenn der Wind ausreichend weht oder die Sonne stark scheint. Ist dies nicht der Fall, was im Winter oft vorkommt, können die Strompreise an der Börse temporär stark steigen.
Dieser Fall tritt mit der Abschaltung konventioneller Kraftwerke infolge des Atom- und Kohleausstiegs immer öfter ein: Wenn das Stromangebot sinkt, die Nachfrage nach Strom durch die zunehmende Elektromobilität und eine wachsende Zahl an Wärmepumpen aber steigt, ist nicht mit fallenden Preisen zu rechnen.
Stromimporte können in Zeiten hoher inländischer Nachfrage die Knappheit lindern, sind aber wegen stark begrenzter grenzüberschreitender Netzkapazitäten kein Allheilmittel. Der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik ist in Zeiten hoher Stromnachfrage ebenfalls nur von beschränktem Nutzen: Des Nachts würden selbst die für das Jahr 2030 angestrebten 215 Gigawatt an Photovoltaikkapazitäten nicht das Geringste zur Deckung des hohen Strombedarfs beitragen, denn nachts scheint bekanntlich keine Sonne.
Würde der Kohleausstieg auch noch forciert und auf das Jahr 2030 vorgezogen, wäre auf absehbare Zeit erst recht nicht mit sinkenden Strompreisen zu rechnen. Die in der sogenannten Kraftwerksstrategie als Ersatz vorgesehenen neuen Erdgaskraftwerke werden bis 2030 wohl kaum gebaut sein, sodass das Stromangebot weiter sinken würde. Mit der Kraftwerksstrategie gibt es hierzu bislang lediglich einen Plan, aber noch keine gesetzliche Grundlage.
Aber auch der darin vorgesehene Bau von zehn Gigawatt an neuen Erdgaskraftwerken würde die Strompreise wohl kaum verringern, denn die Stromerzeugung mit Erdgas ist wegen höherer Brennstoffkosten teurer als mit Kohle – besonders dann, wenn dafür teures, unter hohem Energieaufwand produziertes Flüssigerdgas, oder LNG, eingesetzt werden muss, das per Tanker importiert wird.
Noch weitaus teurer wird die Stromproduktion in Gaskraftwerken, wenn einst grüner Wasserstoff statt Erdgas dazu verwendet werden soll, so wie dies die Kraftwerksstrategie ab dem Jahr 2035 vorsieht. Selbst wenn grüner Wasserstoff bis dahin in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen sollte, wäre die Stromerzeugung damit mehr als doppelt so teuer wie der grüne Strom, der zur Wasserstoffherstellung verwendet wird, denn bei der Umwandlung grünen Stroms in Wasserstoff geht über die Hälfte an Energie verloren.
Daher gilt es, solche Ineffizienzen möglichst zu vermeiden, indem der grüne Strom unmittelbar verwendet wird, anstatt damit über den Umweg Wasserstoff erneut grünen Strom zu erzeugen. Die Kraftwerksstrategie sieht indessen genau diese Ineffizienz als einen zentralen Baustein der künftigen Stromerzeugung vor.
Zusätzlich zu den nationalen Ausstiegen aus Kern- und Kohlekraft, die für Deutschland zweifellos hohe Wohlstandsverluste bedeuten, werden die künftigen Strompreise in erheblicher Weise von der europäischen Klimaschutzpolitik bestimmt: Wegen der verschärften EU-Klimaschutzziele dürften tendenziell steigende Preise für Emissionszertifikate im EU-Emissionshandel die Strompreise kaum sinken lassen, denn diese Zertifikate verteuern – klimapolitisch erwünscht – die Stromerzeugung auf Basis fossiler Brennstoffe.
Neben diesen den Strom weiter verteuernden Faktoren sorgen zahlreiche Abgaben und Steuern für hohe Endkundenpreise: Inklusive Netzentgelte machen staatliche Komponenten wie die Stromsteuer über die Hälfte des Preises für private Haushalte aus. Und mit dem für die Energiewende unabdingbaren Netzausbau, dessen Kosten der Netzentwicklungsplan auf weit mehr als 300 Milliarden Euro taxiert, werden sich die jüngst stark gestiegenen Netzentgelte weiter erhöhen; bereits heute sind sie die mit Abstand größte staatlich bedingte Komponente des Strompreises.
Eine Zusammensetzung des Strompreises für private Haushalte in Cent/kWh
Die Politik hat es somit selbst in der Hand: Möchte sie die Strompreisbelastung von Haushalten und Unternehmen kurzfristig senken und die Energiewende voranbringen, sollten der Netzausbau und die Netzentgelte künftig aus staatlichen Mitteln finanziert werden und nicht mehr von den Verbrauchern? Denn der Netzausbau ist eine gesellschaftliche Aufgabe.
Anstatt so für kurzfristige Entlastung zu sorgen, begnügt sich die Politik jedoch mit dem Versprechen auf niedrige Strompreise in der Zukunft, wenn die Erneuerbaren dereinst weit genug ausgebaut sein werden. Das könnte die Geduld der Verbraucher überstrapazieren und die Akzeptanz für die Energiewende gefährden.
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