Krise in Kuba: Mit dem Mangel wächst die Unzufriedenheit
Hier hilft nur noch Schieben: Kuba und seine Hauptstadt Havanna leiden unter Treibstoffknappheit.
Wenn die Maiparade ausfällt, dann stimmt etwas nicht. Die traditionelle Feier zum Tag der Arbeit, an dem jedes Jahr Hunderttausende mit Bussen aus dem ganzen Land nach Havanna gefahren werden und dort den Platz der Revolution füllen, ist ein Höhepunkt im seit 1959 kommunistisch regierten Kuba. Nun müssen die Menschen sich am 1. Mai mit kleineren Feiern begnügen – und das bereits zum zweiten Mal in Folge. Schon im vergangenen Jahr hatte das Regime die Feier abgesagt. Grund war, dass der Treibstoff knapp wurde.
Die Situation hat sich seither nicht verbessert. Kuba befindet sich seit der Corona-Pandemie in einer nahezu beispiellosen Krise. Im vergangenen Jahr ist die Wirtschaft um zwei Prozent geschrumpft, während die Teuerung bei 50 Prozent lag. Es mangelt an wichtigen Gütern wie Medikamenten. Immer wieder kommt es zu Stromausfällen, und der Treibstoff wird weiterhin rationiert. Das von den USA sanktionierte Land hat zwar Zugang zu minderwertigem Rohöl, verfügt aber nicht über die Anlagen, um es zu verarbeiten. Ins Gewicht fallen auch die verringerten Treibstofflieferungen aus Venezuela. Der Mangel an Devisen, Ausrüstung, Dünger und Pestiziden hat zu schmerzhaften Einbrüchen der landwirtschaftlichen Produktion geführt. Produzenten klagen über in Havanna festgelegte Abnahmepreise, mit denen sich Produktionskosten nicht decken ließen. Auch das ist für die Wirtschaft nicht förderlich.
Mehr als tausend politische Gefangene
Das sozialistische Land ist in den vergangenen Jahren auch ungleicher geworden. Das Gefühl der Ungerechtigkeit nimmt zu. Seit einiger Zeit erlaubt die Regierung kleine private Märkte, in denen alles zu haben ist, während das Angebot in den staatlichen Supermärkten immer dürftiger wird. Nicht alle können sich die Waren auf den Märkten leisten, deren Preise sich am internationalen Markt orientieren. Ein Kilogramm Milchpulver kann dort schon mal bis zu acht Dollar kosten. Die Gehälter in Kuba liegen derweil zwischen 16 und 23 Dollar pro Monat. Viele Kubaner werden von Verwandten im Ausland unterstützt, die jährlich mehrere Milliarden Dollar an ihre Familien auf der Insel überweisen. Das bringt Geld ins Land, hat aber auch eine Zweiklassengesellschaft geschaffen.
In der Bevölkerung wächst die Unruhe. Im März kam es in Santiago im Osten der Insel und einigen anderen Orten zu Straßenprotesten. Mehrere Hundert Kubaner demonstrierten in aller Öffentlichkeit gegen die stundenlangen Stromausfälle und Nahrungsmittelknappheit. Videos, die sich in den sozialen Medien verbreiteten, zeigten die Demonstranten, die „Strom und Essen“ riefen. Staatliche Medien bestätigten die Proteste. Präsident Miguel Díaz-Canel schrieb danach auf der Plattform X, dass die Menschen ihre „Unzufriedenheit mit der Situation der Stromversorgung und der Lebensmittelverteilung“ ausgedrückt hätten, und signalisierte die Bereitschaft, „sich den Beschwerden unserer Bevölkerung zu widmen, zuzuhören, den Dialog zu führen und die zahlreichen Anstrengungen zu erläutern, die unternommen werden, um die Situation zu verbessern, immer in einer Atmosphäre der Ruhe und des Friedens“.
Gleichzeitig warnte Díaz-Canel vor „Terroristen“ aus den Vereinigten Staaten, die versuchten, weitere Aufstände zu schüren. „Diese Situation wird von den Feinden der Revolution zu destabilisierenden Zwecken ausgenutzt werden“, schrieb er. Proteste sind in Kuba äußerst selten, haben sich aber in den vergangenen Jahren angesichts der Wirtschaftskrise im Land und dank einer besseren Vernetzung im Internet gehäuft. Obwohl die Verfassung ein Protestrecht vorsieht, ist die Rechtslage unklar. Grund ist, dass die Nationalversammlung ein Gesetz blockiert, das dieses Recht genauer definiert. Das Regime geht gegen Oppositionelle ungebrochen hart vor. Während der Proteste im März wurden laut Menschenrechtsorganisationen 24 Personen verhaftet. Mehr als tausend Häftlinge gelten als politische Gefangene.
Die mangelnden Freiheiten und wirtschaftlichen Perspektiven treiben die Abwanderung von Kubanern an. Allein in den vergangenen zwei Jahren haben mehr als 400.000 Kubaner das Land verlassen. Die meisten suchen Zuflucht in den USA. Dort profitieren Kubaner von einer seit 1966 geltenden Sonderregelung, die ihnen besondere Einreiserechte und Integrationsunterstützung garantiert. Die Regierung von Präsident Joe Biden hat die legalen Einreisemöglichkeiten für Kubaner weiter verbessert.