Unibesuch: Und plötzlich muss Scholz Chinas Studenten das Cannabis-Gesetz erklären

unibesuch: und plötzlich muss scholz chinas studenten das cannabis-gesetz erklären

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt an einer Townhall mit Studierenden an der Tongji-Universität teil

Beim Besuch an einer Universität in Shanghai wird Olaf Scholz unverhofft zum Drogenberater. Der Kanzler platziert ein paar unbequeme Botschaften – kriegt aber auch selbst eine ab.

Olaf Scholz steht in einer Aula der Tongji-Universität in Shanghai, Fragerunde mit rund 150 chinesischen Studierenden. “Wer nimmt hier dran?”, fragt der Kanzler in die Runde. “Ich?” Lacher im Saal. Also gut, dann macht der Kanzler eben den Moderator selbst. Scholz zeigt nach rechts, erste Frage bitte, los geht’s.

Tag zwei der China-Reise des Bundeskanzlers. Vor dem heiklen Besuch von Scholz bei Xi Jingping am Dienstag, trifft er sich zu einer lockeren Diskussionsrunde an der Uni. Wobei: So locker gerät sie gar nicht. Scholz ist gekommen, um ein paar für seine Verhältnisse fast unbequeme Botschaften zu platzieren – und selbst eine zu fangen. Aber dazu später mehr.

Beispiel eins: Dumping, der Billigverkauf von Produkten, die China nicht los wird. Geht nicht, findet der Kanzler. Er wolle gern mal ein “marktwirtschaftliches Argument” anbringen, sagt er. Dumping sei sicher “nicht die effizienteste Form” des Wirtschaftens, eigentlich sei klar, dass man “da nicht das Richtige macht”. Großer Applaus.

Scholz im Schafspelz

Versteht hier jeder, worauf Scholz anspielt? Der Kanzler nennt China nicht ausdrücklich, aber es ist offensichtlich, wer gemeint ist. Für Europa ist das chinesische Dumping gerade ein großes Problem, die Volksrepublik flutet den Markt mit subventionierten Waren. Die Kritik muss mal raus, ganz vorsichtig, freundlich im Ton, und doch halbwegs verständlich. Scholz im Schafspelz, wenn man so will.

Beispiel zwei: Internationale Regeln. Ist ja so eine Sache mit diesen Regeln, seit die Weltordnung unübersichtlicher geworden ist. Aus Scholz’ Sicht braucht es wenigstens eine Art Minimalkonsens, ein paar ganz grobe Grundsätze, auf die sich alle Staaten einigen können, wie auch immer sie verfasst sind. Scholz’ Credo: Alle sollen so agieren, dass “niemand vor dem größeren Nachbarn Angst” haben müsse. “Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden.” Das sei das Wichtigste, um die Welt sicherer zu machen.

Ein Satz, der es in sich hat  

Wieder großer Applaus. Dabei hat der Satz es durchaus in sich. Er lässt sich auf Russlands Krieg übertragen, aber natürlich auch auf China, das seit Jahren daran arbeitet, sich Taiwan einzuverleiben. Vor ein paar Studenten ist die Warnung leicht formuliert. Die Frage ist: Wird Scholz sie auch dem Staatspräsidenten auftischen?

Beispiel drei: Autos. Auch ein schwieriges Feld im Verhältnis zu China. Die Führung in Peking forciert den Ausbau der eigenen Autoindustrie massiv mit Staatsgeldern, in Europa kommen immer mehr günstige Elektroautos aus China an. Wettbewerbsverzerrung par excellence. Die großen deutschen Autofirmen fühlen sich extrem benachteiligt, melden ihre Sorgen seit Monaten an. Es sei sehr gut, dass es Handel gebe und nicht jeder nur die von ihm selbst produzierten Autos fahre, sagt Scholz. Aber “fair” müsse der Umgang sein, mahnt der Kanzler. “Wir möchten natürlich, dass unsere Unternehmen keine Beschränkungen haben”, sagt er, ganz so, als habe es die viel beschworene “de-risking“-Strategie nie gegeben.

Applaus, klar. Alle lächeln recht freundlich. Wie echt ist das alles? Manchmal wirkt es in der Aula, als sei Scholz selbst dann begeisterter Applaus sicher, wenn er sagte, dass ihn China eigentlich überhaupt nicht interessiere.

Und dann ist plötzlich die Ampel dran

Ja, und dann ist plötzlich die Ampel dran. Ein Student meldet sich. Er werde zu einem Austauschsemester nach Berlin gehen, habe allerdings gehört, dass die Bundesregierung Cannabis legalisiert habe. Das bereite ihm “große Sorge”.

Ob der Kanzler denn einen Rat dafür habe, was er beachten müsse, “wenn ich Cannabis überhaupt nicht probieren will und meine eigene Gesundheit nicht gefährden will”?

Ganz einfach, sagt Scholz: “Nicht rauchen.” Er selbst sei fast 66 und habe noch nie Cannabis geraucht. Der Sorge des Studenten, in der Hauptstadt gerate man fast zwangsläufig in Kontakt mit Joints, trat Scholz mit einer gewagten These entgegen: “Wenn man in Berlin studiert, kann man die ganze Zeit durch die Gegend rennen und trifft niemanden, der so etwas tut.” Dann verteidigt er die Ampel-Idee. Ziel der Legalisierung sei, den Cannabis-Konsum zu verringern, statt zu vergrößern, indem man ihn aus einer Grauzone heraushole und “ins Brennlicht” stelle.

Applaus, freundliches Lächeln. Klar.

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