«Das ist ein Selbstbedienungsladen»: Was ist los an der Zürcher Hochschule der Künste?

«das ist ein selbstbedienungsladen»: was ist los an der zürcher hochschule der künste?

Feuchter Traum der Betonwirtschaft, Albtraum für viele Angestellte: Innenansicht der Zürcher Hochschule der Künste. Christian Beutler / Keystone

Allein diese Treppe! Das Bauwerk, das zum Haupteingang der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) führt, ist nicht für Menschen gemacht: Die Trittfolge ist zu lang, stört jeden natürlichen Bewegungsablauf. Und natürlich ist auch sie aus Beton. Wie fast alles im Toni-Areal, das cool sein will und doch nur menschenfeindlich ist, ein feuchter Traum der Betonwirtschaft.

Im September 2014, also vor fast zehn Jahren, haben alle Disziplinen, die früher an 39 Standorten verstreut ihr Dasein fristeten, in der Zürcher Hochschule der Künste einen gemeinsamen Ort gefunden. In der ehemaligen Milchfabrik, die sich als eine der «führenden Kunsthochschulen Europas» feiert, werden rund 2100 Studierende in Art Education, Contemporary Dance, Design, Film, Kunst & Medien, Musik, Musik und Bewegung sowie Theater unterrichtet. Eine Pioniertat, die alle als Gewinn betrachten. Auch wenn das labyrinthartige Gebäude, in dem es winters zu kalt und sommers zu heiss ist, besser erdacht und gefertigt sein könnte.

Aber die Hülle könnte man ignorieren, wenn der Inhalt stimmen würde. Diesen Glauben haben viele verloren. Die Gespräche, die diese Zeitung mit rund zwanzig Personen aus dem Innern der Hochschule geführt hat, zeichnen das Bild einer taumelnden Institution.

Eine Departementsleiterin soll nach ihrer Anstellung verlangt haben, dass ihr Ehemann ebenfalls angestellt werden muss. Und das ohne Ausschreibung. Ein anderer Departementsleiter soll seinen Sohn im eigenen Departement in der Forschung angestellt haben.

Angefangen hat es mit Scharmützeln zwischen Schulleitung und einer Gruppe von aktivistischen Studentinnen und Studenten, die verlangten, die Hochschule müsse sich klarer gegen «rechts» positionieren. Die ZHdK gilt als eine Hochburg der politischen Korrektheit, was sich in Wandplakaten Bahn bricht, die etwa den «Dekarbonisierungspfad» der Hochschule oder die Anzahl der Gespräche in der psychologischen Beratung (waren es 2018 noch 252, so hat sich diese Zahl 2021 mit 579 mehr als verdoppelt) grafisch darstellen. Das Bemühen, die Zeichen der Zeit zu erkennen, spiegelt sich auch in Anstellungen von Führungspersonal. Da ist vom postkolonialen deutschen Professor über die aktivistische, feministische niederländische Departementsleiterin bis zum französischen Professor, der für Schwulenrechte kämpft, vieles zu haben.

Weiter ging es dann mit der Einführung eines neuen Studienmodells. Es nennt sich «Major-Minor», was man, weniger neudeutsch, auch als eine Aufteilung in Haupt- und Nebenfächer bezeichnen kann. Die Erarbeitung dauerte jahrelang, musste verschoben werden und wird nun endlich etappenweise eingeführt. Weil damit ein Pensengeschacher einhergeht, kam es laut Auskunft der Medienstelle bisher zu einem Stellenabbau von 2,2 Prozent, das sind 12 Vollzeitstellen und 22 Teilentlassungen; es gibt für die 34 Betroffenen einen Sozialplan. In einer internen Mitarbeiterumfrage aus dem Jahr 2022, die dieser Zeitung vorliegt, bekommt «Major-Minor» durchwegs schlechte Noten. So findet nur ein knappes Drittel, dass das Projekt «gut organisiert» sei. Und nur die Hälfte meint, «die Entscheidungsträger:innen nehmen ihre Verantwortung für das Projekt wahr». Die Unruhe ist so gross, dass die Schauspielstudenten im Dezember des vergangenen Jahres einen offenen Brief an Marijke Hoogenboom, Direktorin des Departements Darstellende Künste und Film, richteten, in dem sie ihre Sicht auf die «drastischen Entlassungen von Hausdozierenden im Bereich Schauspiel» schilderten: «Wir befürchten, dass durch das grosszügige Entlassen von Hausdozierenden ein Ungleichgewicht entsteht, das nicht aufzufangen sein wird.» Für zusätzliche Unruhe sorgt eine neue kantonale Personalverordnung, die unter anderem ein neues Lohngefüge zur Folge hat.

Dazu kommt, dass innerhalb der Hochschule Vetternwirtschaft grassiert. Ein paar Beispiele: Eine Departementsleiterin soll nach ihrer Anstellung verlangt haben, dass ihr Ehemann ebenfalls angestellt werden muss. Und das ohne Ausschreibung. Ein anderer Departementsleiter soll seinen Sohn im eigenen Departement in der Forschung angestellt haben. Eine Bereichsleiterin soll ihrem Lebenspartner Module oder Aufträge zuhalten. Ein anderer Bereichsleiter soll seinem Bruder Aufträge erteilen. Konfrontiert mit diesen Verstrickungen, die schriftlich wie mündlich dokumentiert sind, meint die Medienstelle der ZHdK pauschal, diese seien «nach unserem Kenntnisstand haltlos». Zudem unterhält die Hochschule Tausende von Verträgen mit externen Dozenten, die genaue Zahl kann sie auf Anfrage nicht nennen. Ein wahrer Wildwuchs. Marlies Stopper vom Berufsverband der Dozierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden der Zürcher Fachhochschulen (fh-zh) sagt zu diesem Gebaren: «Die Zürcher Hochschule der Künste ist für Angestellte mit Leitungsfunktion ein Selbstbedienungsladen, und sie geht mit ihren Angestellten unfair um, das Personalmanagement ist desolat.» Die ZHdK weist die Vorwürfe zurück.

Zuvor soll sich Mairitsch vergeblich für diverse Posten an der ZHdK und anderen Kunsthochschulen in der Schweiz beworben haben. Auch ihr künstlerischer Leistungsausweis ist bescheiden.

Die Verantwortung für dieses Tohuwabohu trägt eine Frau. Karin Mairitsch wurde per Oktober 2022 vom Fachhochschulrat, der von Regierungsrätin Silvia Steiner präsidiert wird, zur Rektorin der ZHdK bestellt. Mairitsch folgte auf Thomas D. Meier, der dreizehn Jahre lang an der Spitze gestanden hatte. «Zutiefst Mensch, den Menschenrechten, dem Wohl der nächsten Generationen und den Künsten verpflichtet», beschrieb sich Mairitsch in der Pressemitteilung zu ihrem Amtsantritt selbst. Seitdem fragen sich viele Angestellte innerhalb der Hochschule, wie die 56-jährige, studierte Malerin auf diesen wichtigen Posten fand. Bislang fiel die Österreicherin durch so schönfärberische wie nichtssagende Auftritte und überlange Sitzungen auf, an denen sie schon eingeschlafen sein soll und die offenbar immer wieder unterbrochen wurden, weil Mairitsch eine rauchen musste. Ihre Englischkenntnisse sollen bescheiden sein, was an der international ausgerichteten Institution ein Problem darstellt. Dennoch postet Mairitsch auf Instagram vor allem Bilder von sich selbst, sei es bei einer ZHdK-Veranstaltung oder bei ihrer Arbeit als Künstlerin.

Mairitschs Lebenslauf listet eine Position als Vizedirektorin für den Bereich Bachelor und Vorkurs Design und Kunst an der Hochschule Luzern und eine als Vizerektorin an der Fachhochschule Salzburg. Keine Posten, die einen für die doch ziemlich prestigeträchtige Stellung der ZHdK-Rektorin prädestinieren. Zuvor soll sich Mairitsch vergeblich für diverse andere Posten an der ZHdK und anderen Kunsthochschulen in der Schweiz beworben haben. Auch ihr künstlerischer Leistungsausweis ist bescheiden. Auf ihrer privaten Website rühmt sie sich, «2020 mit einem Werkbeitrag der Zentralschweizer Literaturförderung und einer Nominierung für den Luzerner Werkbeitrag in der Sparte Kunst ausgezeichnet» worden zu sein.

Karin Mairitsch äussert sich nicht konkret zu all diesen Vorwürfen. Sie lässt sich nur mit ein paar wolkigen Sätzen zitieren: «Die ZHdK wird auf Basis von Dialog und Mitwirkung geführt. Die Hochschulleitung und ich, als Rektorin der ZHdK, sind offen für konstruktiv geäusserte Kritik, wenn diese an die betroffenen Personen herangetragen wird. Vor allem, wenn es um Menschen und ihre berufliche Zukunft geht, ist es für mich selbstverständlich, ohne Zeitdruck ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dies haben wir im vergangenen Jahr sehr intensiv gelebt.» Leitende Angestellte, die regelmässig an Sitzungen mit der Rektorin teilnehmen, sagen: «Sie redet viel, sagt wenig und entscheidet noch weniger.»

In der Tendenz ist die ZHdK zu gross. Sie bildet in einigen Sparten wie etwa der Musik oder dem Film zu viele Menschen für zu wenig Stellen im Arbeitsmarkt aus.

Etwas immerhin scheint die Rektorin entschieden zu haben: Die Kooperation mit der chinesischen Shenzhen International School of Design (SISD) soll beendet werden. Sie besteht seit elf Jahren und hat die Zürcher Hochschule laut eigenen Auskünften bislang rund 600 000 Franken gekostet. Peter Bölsterli, ein bekannter Schweizer Architekt, der seit langem in China lebt und die Kooperation wesentlich aufgebaut hat, sagt: «Nur ganz wenige westliche Hochschulen können eine solche Zusammenarbeit mit einer bedeutenden chinesischen Hochschule aufweisen. Dies erlaubt der Zürcher Hochschule der Künste, einen Fuss in einer anderen, technologisch wie lebensweltlich vielversprechenden Weltgegend zu haben.» Aber offenbar scheint dies zu heikel zu sein. Die SISD gehört zum Harbin Institute of Technology, welches über die Hälfte des Forschungsbudgets vom chinesischen Militär bezieht. Nur: Die meisten technischen Hochschulen in der Welt werden vom Militär unterstützt. So bezahlte das amerikanische Militär etwa den Lehrstuhl des Linguisten Noam Chomsky am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, einer Ikone der Linken. Vergangenen September war die Rektorin ein paar Tage in Shenzhen. Ein Besuch, der laut mehreren Quellen unerfreulich verlaufen sein soll, weil Mairitsch «nicht zugehört und die Antwort immer schon gewusst» habe. Auf Anfrage schreibt die Medienstelle: «Die ZHdK hat die Kooperation mit der Shenzhen International School of Design (SISD) überprüft. Die Gespräche mit der SISD über notwendige Anpassungen sind im Gange, weshalb die ZHdK derzeit keine weiteren Auskünfte erteilen kann.»

Es gäbe aber wahrlich Wichtigeres zu entscheiden. In der Tendenz ist die ZHdK zu gross. Sie bildet in einigen Sparten wie etwa der Musik oder dem Film zu viele Menschen für zu wenig Stellen im Arbeitsmarkt aus. Das hat auch das hauseigene Zurich Centre for Creative Economies herausgefunden. Ein Schrumpfprozess in einigen Departementen wäre dringend geboten. Solchen Diskussionen aber weicht die Rektorin aus. Vielleicht weil sie sich mehr für das Eigene interessiert. Ihre Kunstwerke, so bezeugen es mehrere Quellen, zeigt sie anderen so ungefragt wie überschwänglich auf dem Handy. Ein Bild der zur Rektorin gewordenen Malerin zeigt ein paar farbige, gen Himmel strebende Striche auf einer Leinwand. Es trägt den Titel: «Aufstieg mit Todesfolge».

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