Bauernpräsident Markus Ritter über SVP-Dettling: «Er macht Chaos und ich kann aufräumen»

bauernpräsident markus ritter über svp-dettling: «er macht chaos und ich kann aufräumen»

Markus Ritter an einem seiner Lieblingsplätze ums Haus: Beim alten Brunnen.

Wenn Markus Ritter in der Politik etwas will, geschieht es. Zu diesem Schluss kommt, wer den Mitte-Nationalrat und Bauernpräsident verfolgt. Ein Gespräch bei ihm zu Hause, über seine Macht, die Bauernproteste und Bauernkollege Marcel Dettling.

Markus Ritter hat viele Übernamen. «Der mächtigste Mann in Bundesbern», nennt ihn der Blick. «Königsmacher» schreibt der Tages-Anzeiger. Als «machttrunkener Medienprofi» bezeichnet ihn die WOZ.

Ein Besuch bei ihm zu Hause, auf dem Bio-Bauernhof in Altstätten im Kanton St. Gallen, zeigt: All diese Bezeichnungen treffen auf den Mitte-Nationalrat und Präsidenten des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) zu. Vor allem aber ist Ritter ein Mann, der genau weiss, wie er die Menschen auf seine Seite ziehen kann.

Ritter, der Medienprofi

Mit einem breiten Lächeln öffnet Ritter die Haustür des alten Tafelhauses. «Schön, Sie haben’s gefunden. Kommen Sie nur rein.»

Zahlreiche Journalistinnen und Journalisten hat Ritter hier schon willkommen geheissen. Und alle waren sie wohl ganz hin vom ehemaligen Restaurant, in dem Ritter auf seinem Hof wohnt. Königlich lebt er nicht. Aber heimelig. Sympathisch bodenständig.

Das Sujet von Ritter, wie er vor der getäfelten Hauswand steht oder am Holzzaun, die Berge im Rücken, haben die meisten von ihnen abgelichtet. Auch heute wird Ritter dort posieren. «Hier finden es die Fotografen jeweils gut», wird er sagen und sich geübt hinstellen.

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Ritter in Pose. Wie er sich hinstellen soll, muss man nicht mehr sagen.

Aber zuerst sitzt man zusammen am Küchentisch, schaut aus dem Fenster und spricht über die schöne Aussicht, die sich einem hier bietet. Erst dann geht es um Politik: um die 13. AHV (Ritter ist gegen die «Giesskanne»), um die Revision des Zollgesetztes («eine komplizierte Sache»), um die Biodiversitätsinitiative (die Gegenkampagne der Bauern ist schon in Planung).

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Blick aus dem Fenster vom Küchentisch aus.

Ritter, der hinter SVP-Dettling aufräumt

Im Gespräch fällt auf: Ritter ist gefühlt mit allen Parlamentarierinnen und Parlamentariern in engem Kontakt. Und hat für alle ein gutes Wort übrig. Egal von welcher Partei. Selbst für Marcel Dettling, den künftigen SVP-Präsidenten, der ihm in der vergangenen Woche Mühe bereitet hat.

Künftiger SVP-Präsident Dettling spricht über den Klimawandel und sticht in ein Wespennest

In einem NZZ-Interview behauptete Dettling, dass der Klimawandel positive Folgen für die Schweizer Bauern habe. Ritter schüttelt sichtlich belustigt den Kopf. Doch anstatt Dettling zu kritisieren, zielt er auf die Medien:

«Politiker wie Dettling werfen mit solchen Aussagen einen Knochen und die Presse springt.»

Und zu wem würden sie springen? Drei Mal könne man raten, wer am Tag der Veröffentlichung des Interviews nicht erreichbar gewesen sei. Und wer schon.

«Zehn Medienanfragen hatte ich. Dettling macht Chaos und ich kann aufräumen. Relativieren, dass seine Aussage zwar nicht zu 100 Prozent falsch ist, aber zu 80 Prozent.» Ritter lacht laut auf. Nimmt es mit Humor. Das gehöre eben zu seinem Job als Bauernpräsident. «Ich finde es nur schade, dass Politiker, die solche Sachen raushauen, so viel Aufmerksamkeit erhalten.»

Ritter, der Mächtige

Er selbst sei lieber im Hintergrund. Demut, das sei etwas, das die Natur einem als Bauer lehre. «Wenn du siehst, wie einmaliger Hagel deine ganze Ernte zerstört, wie ein Sturm deine Tiere auf der Alp zum Abstürzen bringt, wird dir bewusst, wie klein und unbedeutend du bist.»

Klein, unbedeutend – all das ist Ritter nicht, auch wenn er es gerne betont. Was Ritter will, kommt im Parlament so gut wie immer durch. Was er nicht will, hat schlechte Chancen. Und wenn sich Ritter wünscht, dass 2023 mehr Bäuerinnen und Bauern ins Parlament einziehen, wählt das Stimmvolk 18 Bäuerinnen, Bauern und Bauernnahe mehr in den Nationalrat als bei den letzten Wahlen.

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Das Tafelhaus, ein beliebtes Fotosujet bei Ritter Zuhause.

Ritter, der Königsmacher

Ritters Einfluss geht weit. Wie weit, ist kaum greifbar. Und das ist ihm ganz recht.

Die Bauern und bauernnahen Parlamentarierinnen sind über alle Parteien hinweg gut vernetzt. Alle über Ritter. Alle über die «Konferenz der bäuerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentarier». Wer ihr angehören darf und wer nicht, entscheidet Ritter zusammen mit der SBV-Direktion mit einer persönlichen Einladung. Was in dieser Konferenz alles besprochen wird, weiss die Öffentlichkeit nicht.

Aus diesen 3 Gründen bestimmt die Bauernlobby massgeblich, wer in den Bundesrat kommt

Nur so viel weiss man: Dass sich hier überparteiliche bäuerliche Allianzen für zahlreiche politische Vorlagen bilden. Und dass jene Person, welche die Konferenz überzeugen kann, in den Bundesrat gewählt wird. So geschehen 2023 mit Beat Jans und 2022 mit Elisabeth Baume-Schneider. Vor allem letztere entgegen aller Erwartungen.

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Mit diesem Bild soll Baume-Schneider die Bauern von sich überzeugt haben.

Alles Ritters Masterplan? Ritter, der Königsmacher? Er schüttelt den Kopf. Lässt sich nicht in die Karten schauen. Sagt nur das, was er den Medien immer gesagt hat: Jeder Parlamentarier und jede Parlamentarierin könne selbst entscheiden, wen sie wählten. Ihm sei Baume-Schneider aber direkt sympathisch gewesen. Sie habe eine sehr gewinnende Art.

Sollte das Parlament nicht die kompetenteste Person in den Bundesrat wählen, statt die sympathischste? «Nein, das finde ich nicht.» Baume-Schneide tue dem Klima im Bundesrat gut.

Ritter, der Spielmacher

Das Klima untereinander, das ist Ritter wichtig. Wohlwollend muss es sein. Böse Zungen würden eher behaupten: loyal ihm gegenüber, muss man sein. Ist das der Grund, weshalb er Grünen-Nationalrat und Bio-Bauer Kilian Baumann aus der Konferenz der bäuerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentarier ausschloss?

Erstmals an diesem Tag sagt Ritter etwas Negatives über einen Kollegen:

«Kilian Baumann ist ein Schwieriger.»

Das auszusprechen, ist ihm sichtlich unangenehm. Er will das Thema wechseln. Doch bei genauerem Nachhaken kommt heraus: «Baumanns Werbekonzept besteht darin, aus Prinzip immer das Gegenteil von dem zu sagen, was der Bauernverband findet. Das nützt ihm, aber schadet allen Bauern.»

Baumann setzt sich für eine ökologische Landwirtschaft ein und kritisiert genau deswegen regelmässig den Bauernverband. Aus seiner Sicht verbreitet dieser ein idyllisches Bild der Landwirtschaft, das nichts mehr mit der Realität zu tun hat, wie er zur NZZ sagte.

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Kilian Baumann, Grünen-Nationalrat und Bio-Bauer aus dem Kanton Bern.

Ritter betont: Die Unstimmigkeiten mit Baumann lägen nicht an dessen Partei, sondern an dessen Person. Die Grünen und die Bauern hätten grundsätzlich viele gemeinsame Interessen. Aber immer gegen alles zu sein, so funktioniere Politik nicht.

Wie funktioniert sie dann? «Politik ist ein Spiel. Und ich spiele gerne schnell.» Er wolle eine Sache klären, bevor gleich ein grosses Fass aufgemacht werden müsse. Das klappe gut, mit seiner Taktik: Immer präsent sein in Bundesbern. Jederzeit ansprechbar, ein offenes Ohr für alle, egal von welcher Partei. Nur so könne man im richtigen Moment mit der richtigen Person das Richtige besprechen.

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Zum Spiel gehören auch zahlreiche Medienanfragen. Und Fotos, auf denen Ritter gerne mit genau dieser karierten Jacke oder auch mal einem Edelweisshemd posiert.

Welche Rolle nimmt er ein, auf diesem politischen Spielfeld? «Ich bin der Spielmacher. Nicht der, der das Goal schiesst.» Er trage nur Meinungen zusammen, suche Kompromisse, Mehrheiten. Wieder spielt Ritter seine Macht herunter.

Ritter, der die Bauernproteste zähmt

Trotz Ritters weitreichendem Einfluss haben sich die Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz in den letzten Wochen den Bauernprotesten in Europa angeschlossen. Demonstrieren mit Traktoren auf den Strassen, drehen Ortsschilder auf den Kopf, entzünden Mahnfeuer. Warum? Lobbyiert Ritter immer noch zu wenig gut?

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In Lussy-sur-Morges (VD) entfachten am Samstag Bäuerinnen und Bauern, die der Facebook-Gruppe «Revolte agricole Suisse» angehören, ein «Protestfeuer für die Landwirtschaft».

«Da sieht man eben: Ich kann nicht alles durchbringen, was ich mir für die Bauern wünschen würde», sagt Ritter. Aber die Tatsache, dass die Proteste in der Schweiz ruhiger verlaufen würden, zeige, dass es den Landwirtinnen und Landwirten hierzulande besser gehe als in den Nachbarländern.

Wobei man festhalten muss: Die Proteste verlaufen auch darum friedlich, weil Ritter die Demonstrierenden dazu ermahnt hat. Sie sollen das gute Image der Schweizer Bauern – von Ritter höchstpersönlich gehegt und gepflegt – nicht zerstören. Diesem Image haben sie schliesslich zu verdanken, dass ihre Branche mehr Subventionen und Direktzahlungen erhält, als jede andere Branche in der Schweiz. Und das, obwohl Bauern nur 2,3 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung ausmachen.

Im Gegenzug äussert Ritter öffentlich Verständnis für die Anliegen der Schweizer Bauernproteste. Auch heute: Er spricht von zu viel Bürokratie, zunehmenden Forderungen der Politik an die Landwirtinnen und Landwirte, zu wenig Lohn («im Schnitt hat ein Bauer einen Stundenlohn von 17 Franken»), einer schlechten Verhandlungsposition der Bauern beim Verkauf ihrer Produkte.

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Am Protest in Lussy-sur-Morges (VD) stellten die Protestierenden auch ihre Traktoren mit Transparenten an den Strassenrand. Auf diesem Plakat steht: «Wir sind wütend, wegen unseres Lohns».

Punkto Direktzahlungen sagt Ritter: «Die Bauern hätten es auch lieber, wenn sie für ihre Arbeit und Produkte direkt angemessen entlohnt würden.» Aber am Ende zeige sich eben: Bei weitem nicht alle Konsumentinnen und Konsumenten seien bereit, für mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit drauf zu zahlen.

Kürzlich entschied die Migros, weniger IP-Suisse-zertifiziertes Schweinefleisch anzubieten. Zu geringe Nachfrage. Dieser Entscheid bestärkt Ritter in seiner Haltung:

«SP, Grüne und GLP, die uns eine Öko-Diktatur vorgeben wollen, hatten bis letzten Herbst 37 Prozent Wähleranteil. Der Absatz von Bio-Produkten liegt jedoch bei 12 Prozent. Woher kommt diese Diskrepanz?»

Für ihn ist klar: Wer fordert, muss sich auch selbst an der Nase nehmen.

Während Ritter sich über eine Öko-Diktatur aufregt, kritisieren Linke seine «Geld und Gülle»-Allianz. Was sie damit meinen: Der Bauernverband und die Wirtschaftsverbände (Economiesuisse, Arbeitgeber- und Gewerbeverband) pflegen seit 2022 eine «strategische Partnerschaft».

Dieser Deal beinhaltet etwa, dass Bauern auf ihren Feldern und Ställen nicht mehr nur Transparente für Abstimmungen im Interesse des Bauernverbands aufstellen, sondern auch solche der Wirtschaftsverbände. Auch das: eingefädelt von Ritter, um noch schneller Mehrheiten für seine Anliegen zu finden.

Plakate gegen die 13. AHV-Rente stehen im aktuellen Abstimmungskampf darum nicht selten auf den Grundstücken von Bäuerinnen und Bauern.

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Beispiel aus dem aktuellen Abstimmungskampf.

Ritter, der Ex-Bauer

Ritter ist vieles, aber eines ist er nicht mehr: ein Bauer. 2023 übergab er den Hof seinen beiden Söhnen. Seither hilft er nur noch am Wochenende im Stall aus und macht einen Teil der Büroarbeit. Ein Familienbetrieb bleibt der Hof also trotzdem.

Und in diesem Familienbetrieb kocht Ritters Frau nach wie vor täglich für ihn und die Söhne. Während des Gesprächs hat sie in der Küche mit dem Zmittag angefangen. Es riecht gut. Und Ritter wird unruhig: «Jetzt müssen wir fürschi machen. Meine Frau hat es nicht gern, wenn ich zu spät am Tisch sitze.»

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Bei einer Runde um den Hof begutachtet Ritter die Obstbäume kritisch. Dass sie im Februar schon treiben, bereitet ihm Sorge.

Es reicht noch für eine schnelle, aber nicht gehetzte Runde über den Hof und die obligatorischen Fotos. Dann bedankt und verabschiedet sich Ritter mit seinem obligatorischen breiten Lächeln, mit dem er schon viele um den Finger gewickelt hat. Der Zmittag ruft.

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