Altersvorsorge ist wichtig, denn die Rente ist für viele finanziell nur ein Schatten des früheren Gehalts.
Wer 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, gilt als sogenannter Standardrentner. Und wer damit dieses Jahr den Ruhestand erreicht, kann dann mit 1751 Euro Monatsrente rechnen. So weist es der jüngste Rentenversicherungsbericht der Regierung aus. Und er zeigt noch mehr: In den kommenden zehn Jahren werden die monatlichen Bezüge dieses Standardrentners unter plausiblen Annahmen auf 2305 Euro steigen – durch jährliche Rentenerhöhungen in einem Gesamtumfang von 32 Prozent. Bleibt die jährliche Inflationsrate bis dahin im Durchschnitt etwas unter 3 Prozent, wäre das auch preisbereinigt ein Plus.
Der Bundesregierung sind diese Rentenerhöhungen allerdings zu niedrig. Sie will mit ihrem „Rentenpaket II“ in Kürze ein Gesetz beschließen, das ein sogenanntes Mindestrentenniveau festschreibt und damit Rentnern stärkere jährliche Erhöhungen bringt. Aber wie hoch wird dieses zusätzliche Plus sein? Dazu gibt es bisher kaum greifbare Vorstellungen, da die politische Diskussion über das Gesetzespaket meist um eine abstrakte Größe kreist: Das sogenannte Rentenniveau soll dauerhaft bei 48 Prozent fixiert werden. Ohne das geplante Gesetz, so behauptet das Bundesarbeitsministerium, bekämen die Menschen „zukünftig geringere Renten“.
Renten sollen per Gesetz kräftig steigen
Tatsächlich sieht es so aus: Nach heutiger Rechtslage ist mit Rentenerhöhungen um insgesamt 32 Prozent bis zum Jahr 2035 zu rechnen. Und mit dem Rentenpaket werden es bis dahin voraussichtlich 38 Prozent sein. Die sogenannte Bruttostandardrente von heute 1751 Euro stiege damit bis dahin nicht nur auf 2305 Euro im Monat, sondern auf 2420 Euro. Ganz konkret geht es bei dem Vorhaben also in diesem Beispielfall um 115 Euro mehr Monatsrente im Jahr 2035. Anders gesagt: Die Rente läge dann um 5 Prozent höher als ohne das geplante Rentenpaket. Das zeigen eigene Berechnungen der F.A.Z. anhand des zugehörigen Gesetzentwurfs und des Rentenversicherungsberichts.
Der von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) im März präsentierte Gesetzentwurf liefert keine direkten Angaben zu den Auswirkungen auf konkrete Rentenhöhen. Er zeigt aber, um wie viel die Summe der jährlichen Rentenausgaben damit steigt, verglichen mit der bisher erwarteten Entwicklung. Für 2035 werden nun Gesamtausgaben für die Rente von 595,1 Milliarden Euro erwartet, 28,2 Milliarden Euro oder 5 Prozent mehr als ohne neues Gesetz. Da aber diese Mehrausgaben allein durch die letzten Endes bezweckten stärkeren Rentenerhöhungen ausgelöst würden, lässt sich so auch deren Ausmaß (näherungsweise) berechnen.
Wie viel dies im Ergebnis für die Altersbezüge bringt, interessiert nicht nur sogenannte Standardrentner, sondern auch Bezieher höherer oder niedrigerer Renten. Wer beispielsweise derzeit nur auf 1000 Euro kommt, für den sieht es so aus: Nach heutiger Gesetzeslage stiege dieser Betrag bis 2035 auf voraussichtlich 1316 Euro. Und mit dem Rentenpaket würden es stattdessen 1382 Euro. In diesem Fall geht es also um 66 Euro mehr im Jahr 2035, vergleichen mit dem Plus von 115 Euro für Standardrentner.
Noch mehr kommt für ehemalige Facharbeiter und Angestellte mit höheren Renten heraus: Wer heute 2500 Euro Monatsrente hat, kann ohnehin mit einem Anstieg auf 3291 Euro bis zum Jahr 2035 rechnen. Mit dem neuen Rentenpaket würden daraus aber 3455 Euro, also 164 Euro im Monat mehr. Und wenn man weitere fünf Jahre vorausblickt, werden die Unterschiede noch größer. Kurz gefasst: 93 Euro mehr Monatsrente im Jahr 2040 für diejenigen, die heute 1000 Euro haben; 163 Euro mehr für Standardrentner; und 233 Euro mehr für diejenigen, die heute bei 2500 Euro stehen.
Keine zielgenaue Maßnahme gegen Altersarmut
Wenn Minister Heil dennoch vor „zukünftig geringeren Renten“ warnt, falls sein Gesetz nicht käme, dann hat er vermutlich einen Vergleich mit der erwarteten Lohnentwicklung im Sinn. Für die Rentenerhöhungen im Zeitraum bis 2035 werden nach heutiger Rechtslage insgesamt besagte 32 Prozent erwartet; mit seinem Gesetzespaket würden daraus gut 38 Prozent. Zugleich wird aber ein Anstieg des Durchschnittslohns um 42 Prozent in diesem Zeitraum erwartet, wie sich dem Rentenversicherungsbericht entnehmen lässt.
Die Lücke zwischen 32 und 42 Prozent ist freilich kein Zufall, sondern Ergebnis einer politischen Entscheidung, die finanziellen Lasten des demographischen Wandels – mehr Rentner, weniger Beitragszahler – auf beide Gruppen zu verteilen. Dazu dient der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor, den die rot-grüne Regierungskoalition vor 20 Jahren in die Formel für die jährlichen Rentenerhöhungen eingefügt hat. Er sorgt dafür, dass diese etwas geringer ausfallen als der Lohnanstieg, wenn den vorhandenen Zahlern mehr Rentner gegenüberstehen. Dieser Mechanismus senkt jedoch die Kennzahl „Rentenniveau“. Das Rentenpaket soll nun genau das weitgehend unterbinden. Es setzt dem Abbremsen von Rentenerhöhungen einen neuen Mechanismus entgegen um Rentenerhöhungen zu beschleunigen.
Eine zielgenaue Maßnahme gegen Altersarmut ist dies jedoch nicht, wie die Berechnungen verdeutlichen. Das individuelle Mehr an Rente fällt umso höher aus, je mehr Rente man schon hat. Welche Belastungen dies für die Zahlergenerationen bedeutet, lässt sich dem Gesetzentwurf direkt entnehmen: Für die Mehrausgaben von 28,2 Milliarden Euro im Jahr 2035 werden demnach zusätzliche Steuermittel von 7,2 Milliarden Euro und ein um 1,1 Prozentpunkte höherer Rentenbeitragssatz gebraucht. Ohne Gesetzesänderung stiege dieser in den kommenden zehn Jahre von 18,6 Prozent des Bruttolohns auf 21,2 Prozent. Mit ihr werden es 22,3 Prozent. Bis zum Jahr 2040 erwartet Heils Ministerium dann einen weiteren Anstieg der jährlichen Mehrausgaben auf 40,9 Milliarden Euro.
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