Von „völlig irre“ bis „ehrenlos“ – Attacken auf Heil entlarven seine Erfolglosigkeit

Hubertus Heil gerät zunehmend unter Druck. Sozialverbände, Bundesagentur für Arbeit, Gewerkschaften, die Grünen und sogar die eigene Partei attackieren den Arbeitsminister. 2024 muss er bei Bürgergeld und anderen Reformen endlich liefern. Doch es droht schon der nächste Flop.

von „völlig irre“ bis „ehrenlos“ – attacken auf heil entlarven seine erfolglosigkeit

Hubertus Heil bringt sogar diejenigen gegen sich auf, die eigentlich auf seiner Seite stehen, wundert sich WELT-Redakteur Jan Klauth picture alliance/photothek/Janine Schmitz; Philip Nuernberger

Der Arbeitsminister fährt einen ziemlichen Schlingerkurs. Das ist die freundliche Formulierung. Chaotisch und planlos könnte man es auch nennen, was Hubertus Heil derzeit abliefert.

Da ist zum einen der Ärger um das Bürgergeld. Für seine 180-Grad-Wende und die Streichungs-Pläne wird Heil von allen Seiten attackiert. Soziallobbyist Ulrich Schneider droht mit einer Klagewelle. Die Koalitionspartner von den Grünen werfen Heil vor, er wolle „die Schwächsten des Landes hungern lassen“. Und selbst Juso-Chef Philipp Türmer, den Heil bei dessen Wahl im November noch überschwänglich beglückwünschte, nennt die Politik des Arbeitsministers nun „ehrenlos“.

Härtere Sanktionen für diejenigen, die sich partout weigern zu arbeiten, kann man durchaus plausibel finden. Doch mit seinem Vorhaben gewinnt Heil kaum etwas – weder politisch noch finanziell. Bürgergeld-Empfänger, die unverschuldet arbeitslos geworden sind oder sich um Arbeit bemühen, fühlen sich zu Recht verunglimpft.

Bei denjenigen wiederum, die zu niedrigen Löhnen arbeiten, wächst der Unmut: Das Bürgergeld ist innerhalb von zwei Jahren um 24 Prozent angehoben worden. Der Mindestlohn hingegen stieg im selben Zeitraum nur um 3,4 Prozent.

Und am Ende handelt es sich im Verhältnis zum Mammut-Haushalt des Arbeitsministeriums um Peanuts: 170 Millionen Euro sollen durch härtere Sanktionen eingespart werden. Insgesamt beträgt Heils Etat 171 Milliarden Euro – es geht also um weniger als ein Prozent.

Selbst, wie diese 170 Millionen erreicht werden sollen, ist schleierhaft. Die Zahl der „Totalverweigerer“ ist – exklusive Dunkelziffer – ziemlich klein: 8500 waren es von Januar bis August 2023. Auch die zugrunde liegende Schätzung des Ministeriums für den Einsparbetrag steht auf einem wackligen Fundament, wie sich nun herausstellt – am Ende werden es wohl deutlich weniger als 170 Millionen Euro sein.

Heil hat die Gewerkschaften verärgert

Auch die ihm unterstehende Bundesagentur für Arbeit (BA) hat Heil gegen sich aufgebracht. Der Vorwurf, der Minister bediene sich dreist an den Rücklagen der Behörde und wandle einen Zuschuss im Nachhinein als Darlehen um, zeigte Wirkung: Das Geld, das der Bund der BA in den Corona-Jahren für das Kurzarbeitergeld überwiesen hatte, die jedoch nicht ausgeben wurden, muss die Agentur nach wochenlangem Gezanke jetzt doch nicht zurückzahlen. Allein in diesem Jahr wären es 1,5 Milliarden Euro gewesen.

Viel Wirbel also um nichts. Die Grünen verbuchen das als einen Sieg ihrerseits. Und auch die Bürgergeld-Pläne durchkreuzte die Partei in der jüngsten Haushaltsverhandlung: Die Komplett-Streichung wird, anders als von Heil geplant, auf zwei Jahre befristet und läuft automatisch aus.

Jetzt droht Heil neuer Ärger. Die großen Gewerkschaften, meist selbst von SPD-Leuten geführt, setzen der Ampel die Pistole auf die Brust: IG Metall und IGBCE wollen, dass der Staat 600 Milliarden Euro locker macht, um die Industrie im Zuge der Transformation am Leben zu halten. Diese Summe wird sicherlich nicht fließen, aber selbst ein Bruchteil davon würde zu neuen Verwerfungen in der Haushaltspolitik führen.

Am verbal heftigsten kommt Frank Werneke, Verdi-Chef und ebenfalls SPD-Mitglied, daher. „Völlig irre“ sei die Haushaltspolitik von Heil und Co. Die SPD lasse sich von der FDP „im Nasenring durch die Arena ziehen“. „Dass sie das dann auch noch als goldig verkaufen, führt (…) zu einer tiefen Abkehr von der Sozialdemokratie in unserer Mitgliedschaft“, so Wernke an Heil und Bundeskanzler Scholz gerichtet.

Arbeitsminister Heil unter Zugzwang

Heil, der zunehmend in die Bredouille gerät, steht nun unter Zugzwang. 2024 muss das Jahr werden, indem der Minister endlich Erfolge durch das Bürgergeld vorweisen sollte – sie existieren bislang nämlich nicht.

Auch der „Jobturbo“, das vage Versprechen, deutlich mehr Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, droht zum Flop zu werden. Wenn sich dann bei den Beschäftigten noch der Eindruck verfestigt, dass Vollzeitarbeit eben nur einen geringen Unterschied zum Bürgergeld macht, ist das für einen Arbeitsminister eine fatale Entwicklung.

Auf eine vom Heil-Ministerium in Auftrag gegebene Studie, die offengelegt hat, dass sich zusätzliche Arbeit für Bürgergeld-Empfänger kaum lohnt, hat jetzt interessanterweise nicht Heil, sondern ein Amtskollege reagiert. Es müsse mehr Anreize für zusätzliche Arbeit geben; die sogenannten Transferentzugsraten sollten gesenkt werden. Der Absender: Robert Habeck.

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