Jetzt wird der Gaza-Krieg zum Wahlrisiko für US-Präsident Biden

Joe Biden hat die Vorwahl der Demokraten im wichtigen „Swing State“ Michigan zwar gewonnen. Gegner der amerikanischen Israel-Politik verpassen dem US-Präsidenten aber einen Denkzettel. Einen, der bei der Präsidentschaftswahl weitreichende Folgen haben könnte.

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Jetzt wird der Gaza-Krieg zum Wahlrisiko für US-Präsident Biden

Bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 war der US-Bundesstaat Michigan einer der wichtigsten „Swing States“. So werden jene Staaten genannt, bei denen es im Wahlkampf traditionell weder eine demokratische noch eine republikanische Mehrheit gibt. Einige Zehntausend Stimmen machten seinerzeit mit den Unterschied, wer am Ende ins Weiße Haus einzog. 2016 gewann Donald Trump Michigan, 2020 war es Joe Biden.

Im aktuellen Wahljahr nimmt der Bundesstaat erneut eine bedeutende Rolle ein, und das bereits bei der Vorwahl der Demokraten. Zwar gewann Präsident Joe Biden den Urnengang dort am Dienstag (Ortszeit) mit 81 Prozent der Stimmen klar. Doch der 81-Jährige zahlte zugleich einen politischen Preis für seine Unterstützung Israels im Krieg gegen die Hamas.

Aus Protest gegen die fortgesetzte Unterstützung der Regierung von Benjamin Netanjahu hatte sich in Michigan eine Wählerinitiative gebildet. Sie rief die Bürger auf, bei der Abstimmung über den Kandidaten der Demokraten ihr Kreuzchen nicht bei Biden oder einem seiner beiden Wettbewerber zu machen, sondern bei „uncommitted“ (nicht entschieden).

Nach fast vollständiger Auszählung hatte die Protestaktion am Mittwochmorgen mehr als 100.000 solcher Stimmen erreicht oder 13,1 Prozent. Ein unmissverständliches Warnsignal an das Weiße Haus, dass Biden mit seiner Israel-Politik die von ihm erhoffte Wiederwahl Anfang November riskiert.

Im Wahlkreis Wayne mit seiner Metropole Detroit kam die „uncommitted“-Initiative sogar auf 17 Prozent. Wayne hat US-weit die höchste Zahl muslimischer Bürger. Unmittelbar vor dem Wahlgang hatte Biden noch versucht, die wegen der israelischen Angriffe auf Gaza aufgebrachten Bürger Michigans auf seine Seite zu ziehen.

Nach wochenlangem Druck auf Premier Benjamin Netanjahu sei „bis zum Ende der Woche“ ein Waffenstillstand möglich, hatte der US-Präsident am Montag mitgeteilt. Netanjahu reagierte darauf mit den Worten, Israels Streitkräfte würden ihren Kampf „bis zum absoluten Sieg“ gegen die Hamas fortsetzen.

Schon unmittelbar nach Beginn der israelischen Offensive vergangenen Herbst war die Forderung nach einem Waffenstillstand von propalästinensischer Seite in den USA erhoben worden. Mehrfach unterbrachen seither wütende Demonstranten die öffentlichen Auftritte von Biden und seinen Kabinettsmitgliedern mit Rufen nach einem Aussetzen der Angriffe.

Bidens Intervention vom Wochenbeginn fruchtete allerdings nicht. Die Initiative in Michigan hatte sich vor dem Urnengang ein Ziel von mindestens 10.000 „uncommitted“-Stimmen gesetzt. Der Grund: 2016 hatte Trump mit nur 10.704 Stimmen Mehrheit Hillary Clinton in Michigan besiegt. Diese Schwelle wurde am Dienstag um das Zehnfache übertroffen.

„Die Wahlkampfmanager des Präsidenten müssen sich jetzt die Frage stellen, was sie zu tun bereit sind, um die seit mehr als 140 Tagen lauter werdenden Forderungen zu beherzigen“, erklärte Abraham Aiyash, Fraktionsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus von Michigan.

Biden-Lager setzt auf Trumps Justizärger

Abbas Alawieh, Sprecher der Protestinitiative, betonte, „unsere Bewegung ist eigentlich für Präsident Biden und sein Team. Wir haben ihnen jetzt ganz genau gesagt, was sie tun müssen, um Michigan (bei der Präsidentschaftswahl, Anm.) zu gewinnen“. In Michigan waren es aber nicht nur muslimische Wähler, die einen politischen Warnschuss auf Biden abgaben. Auch in den Bezirken, in denen Universitäten und damit viele junge Menschen beheimatet sind, fuhr die „uncommitted“-Aktion Erfolge ein. Zudem schlossen sich Gewerkschaftsmitglieder dem Aufruf an, traditionell Klientel der Demokraten.

Möglicherweise werden fünf oder sechs „Swing States“ am 5. November entscheidend sein, wer im Rennen um das Weiße Haus siegt – einer davon ist Michigan. Einer Umfrage von Bloomberg News aus dem Januar zufolge liegt Biden derzeit mit 42 Prozent fünf Punkte hinter Trump. Das Wahlkampfteam des Präsidenten setzt darauf, dass die sich zuletzt kontinuierlich verbessernden Wirtschaftsdaten und ein Teuerungsrückgang das Blatt über den Sommer noch wendet.

Zugleich verschärft das Biden-Lager seit einigen Wochen merklich den Ton gegenüber Trump. Die Demokraten setzen darauf, dass der Justizärger des Republikaners und die Erinnerung an dessen chaotische Amtsführung die unentschiedenen Wähler am Ende für Biden stimmen lässt. Zudem haben die Demokraten die umstrittene Frage eines national geltenden Abtreibungsrechts in den Fokus gerückt. Der konservativ besetzte Supreme Court hatte dieses im Sommer 2022 gekippt.

In den eigenen Reihen können diese Themen Trump bisher nichts anhaben, im Gegenteil. Aus der Vorwahl in Michigan ging der 77-Jährige erneut als klarer Sieger hervor, er bekam 68 Prozent der Stimmen. Nach dem am kommenden Dienstag anstehenden „Super Tuesday“, wenn 15 Bundesstaaten Vorwahlen abhalten, wird Trump mit großer Wahrscheinlichkeit als Kandidat der Republikaner feststehen.

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