Juristen halten Lauterbachs Klinikpläne für verfassungswidrig
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Der Plan von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Beitragszahler an der Finanzierung der Krankenhausreform zu beteiligen, ist verfassungswidrig. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten der Universität Hamburg im Auftrag des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), das der F.A.Z. vorliegt.
Setzt sich diese Rechtsmeinung durch, gerät der sogenannte Transformationsfonds im Umfang von 50 Milliarden Euro in Gefahr. Damit könnte Lauterbachs Krankenhausreform kippen, gegen die Bundesländer und andere Kritiker seit Monaten angehen.
Das Geld muss aus dem Haushalt kommen
„Sozialversicherungsbeiträge sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts streng zweckgebunden und dürfen nicht zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushalts verwendet werden. Genau das geschieht aber“, sagte die Gutachterin Dagmar Felix mit Blick auf die Pläne, einen Teil der Kosten für den Umbau aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen zu finanzieren. „Hier geht es um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, nämlich um die medizinische Daseinsvorsorge, und das betrifft die Gesamtbevölkerung“, sagte die Juristin.
Verfassungsrechtlich dürften die Beiträge nur zu solchen Finanzierungen herangezogen werden, die dem Versicherungsschutz dienten. „Deshalb verletzt der Zugriff auf den Gesundheitsfonds das aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes abgeleitete Gebot der Belastungsgleichheit.“ Die von Lauterbach geplante Finanzierung müsse daher „über den allgemeinen Haushalt erfolgen“. In dem Grundgesetzartikel heißt es: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“
Der Minister plant in dem Entwurf für ein Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz eine stärkere Verzahnung der stationären mit der ambulanten Betreuung, eine Straffung des Bettenangebots, eine Verbesserung der Behandlungsqualität über bundeseinheitliche Leistungsgruppen und den Teilersatz von Fallpauschalen durch eine Vorhaltefinanzierung. Wie alle Restrukturierungen würde das Gesundschrumpfen zunächst Geld kosten.
Dazu soll der neue Transformationsfonds dienen, eine Erweiterung des Strukturfonds beim Bundesamt für Soziale Sicherung. Das frische Geld soll unter anderem Verwendung finden, wenn eine Klinik zur „sektorübergreifenden Versorgungseinrichtung“ ausgebaut wird, also stationär und ambulant therapiert. Oder wenn Kliniken zu Verbünden fusionieren, wenn sie neue Notfallstrukturen bilden oder vollständig geschlossen werden.
Dagegen, dass sich der Bund stärker in die Finanzierung einmischt, haben die Hamburger Juristen an sich nichts einzuwenden. Der Gesetzgeber sei „frei in der Art und Weise der Ausgestaltung der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser“, heißt es. Nicht in Ordnung sei aber, dass Berlin das Geld nicht aus dem Haushalt, sondern aus den Rücklagen der Kassen nehmen wolle.
Kassen wollen nicht klagen
Lauterbach plant, die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds heranzuziehen, die sich zum Großteil aus Beiträgen speist. Der Transformationsfonds kann von 2026 bis 2035 insgesamt 50 Milliarden Euro ausreichen, wovon die Länder mindestens die Hälfte kofinanzieren müssen. Den Rest, 25 Milliarden oder bis zu 2,5 Milliarden Euro im Jahr, soll die Kassenreserve aufbringen. Diese Verpflichtung ist aus Sicht der Gutachter grundgesetzwidrig, weil die Sozialversicherungsbeiträge einer strengen Zweckbindung unterlägen.
Die Krankenkassen wollen trotz des Gutachtens nicht klagen. Sie hoffen auf eine politische Lösung. Die Kassen stellen die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform nicht infrage. Die Kassenreserve müsse aber Tabu bleiben. „Mit dem Griff nach den Beitragsgeldern wäre endgültig eine rote Linie überschritten. Die gesetzliche Krankenversicherung ist kein Selbstbedienungsladen für die Bundesregierung, um ihre Finanzprobleme zu lösen“, sagt Uwe Klemens, Verwaltungsratsvorsitzender und Versichertenvertreter im GKV-Spitzenverband.
Susanne Wagenmann, in der gleichen Position Arbeitgebervertreterin, ergänzt: „Es ist ein Unding, dass der Staat sich hier einen schlanken Fuß machen möchte und 25 Milliarden Euro Kosten für den Transformationsfonds auf die Versicherten und Arbeitgeber als Beitragszahlende abwälzen will.“