Joschka Fischer erinnert sich an Polens EU-Beitritt: »Kann mir EU ohne Polen nicht mehr vorstellen«
Am 1. Mai 2004 ist Polen der Europäischen Union beigetreten. Deutschlands ehemaliger Außenminister Joschka Fischer erinnert sich gern an den Moment vor 20 Jahren zurück, wie er jetzt erzählte.
Joschka Fischer erinnert sich an Polens EU-Beitritt: »Kann mir EU ohne Polen nicht mehr vorstellen«
Vor 20 Jahren ist Polen der Europäischen Union beigetreten. Der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne) erinnert sich noch gut an seine Freude darüber am 1. Mai 2004. »Ich war am 1. Mai heilfroh, dass Polen beigetreten ist, es Wirklichkeit wurde«, sagte Fischer der »Märkischen Oderzeitung« (MOZ). »Die EU war nicht mehr nur ein westeuropäisches Projekt, sondern ein gesamteuropäisches Projekt.« Die deutsch-polnische Geschichte sei »sehr tragisch«, vor allem die Zeit der Besatzung durch die Nazis, sagte Fischer. Sein Eindruck sei aber inzwischen, dass das Verhältnis an der Grenze sehr gut sei. »Ich kann mir eine EU ohne Polen nicht mehr vorstellen.«
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Auch das wirtschaftliche Verhältnis habe sich im Gegensatz zu vielen Befürchtungen sehr positiv entwickelt, betonte Fischer. »Polnische Familien kaufen Grundstücke in der Uckermark, beleben verlassene Dörfer (…). Bürgermeister sind heilfroh, dass sie Kindergärten und Schulen erhalten konnten, weil die Zahl der Kinder gestiegen ist.« Die Berliner freuten sich über qualifizierte polnische Arbeiter und Handwerker. Heute gebe es auf beiden Seiten der Grenze einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. »Ich wünsche mir, dass Polen in absehbarer Zeit den Euro einführt.«
Dass Polen jahrelang von der rechtskonservativen und nationalistischen Partei PiS regiert wurde, war laut Fischer »sehr hart«. »Aber die deutsche Reaktion war sehr klug. Nämlich nicht zu reagieren, wissend um das, was wir als deutsche Nation angetan haben, sondern darauf zu warten, dass sich die Dinge ändern.« Die letzten Wahlen mit der Niederlage der Partei 2023 seien dann »eine unglaubliche Zäsur für ganz Europa« gewesen, sagte Fischer weiter. Auch durch den russischen Überfall auf die Ukraine habe Westeuropa erkannt, wie wichtig die EU-Osterweiterung in vieler Hinsicht war. Polen habe schmerzhafte Erfahrungen mit Russland gemacht, auch darauf solle Westeuropa künftig mehr hören.
Die liberale Regierungskoalition von Ministerpräsident Donald Tusk hatte im Dezember vergangenen Jahres die rechtsgerichtete Koalition des damaligen Regierungschefs von Mateusz Morawiecki abgelöst. Dessen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und ihre Partner hatten bei der Parlamentswahl im Oktober ihre Regierungsmehrheit verloren. Die vom früheren EU-Ratspräsidenten Tusk und seiner Bürgerplattform geführte Koalition arbeitet seitdem etwa an einer besseren Trennung zwischen Justiz und Politik und einem liberaleren Abtreibungsrecht.