Tagsüber arbeitete er als Korrespondent, nachts als Hotelportier

In Rumänien geboren, in China und Deutschland aufgewachsen, in die USA ausgewandert: Der Journalist Cord Christian Troebst war und dachte immer international. Fast drei Jahrzehnte lang leitete er das Korrespondentennetz bei Axel Springer. Nun ist er im Alter von 90 Jahren gestorben.

tagsüber arbeitete er als korrespondent, nachts als hotelportier

Immer mit der neuesten Technik: Undatierte Aufnahme von SAD-Chef Cord Christian Troebst Unternehmensarchiv (UA) Axel Springer SE

Diese Frage von seinem Chef will kein Journalist hören: „Warum haben wir das nicht?“ Genau so lautete oft eine verärgerte Frage von Axel Springer, wenn der Verleger in der Auslandspresse eine interessante Nachricht entdeckt hatte, die nicht in den eigenen Blättern stand. In der alten Piratenkneipe „Prospect of Whitby“ im Londoner Hafen beriet Springer daher vor 65 Jahren mit George P. Clare, dem Leiter des hauseigenen Feature-Dienstes „Press-Photo-Radio“, und einem engen Mitarbeiter, wie man diesen Missstand ändern könnte. Ergebnis: die Gründung eines eigenen Nachrichtendienstes mit Korrespondenten im Ausland. Name: Springer-Auslandsdienst, kurz SAD.

Am 1. Oktober 1959 ging der Dienst an den Start. Clare wurde Verlagsleiter, der in Ungarn geborene Brite Julius Hollos erster Chefredakteur. Doch kein Name ist so sehr mit der Geschichte des SAD verbunden wie der von Cord Christian Troebst, kurz CCT. Der groß gewachsene und schlanke Journalist übernahm 1967 den Posten des Chefredakteurs und behielt ihn 27 Jahre – eine seltene Karriere in einem Medienhaus.

Die Berufung zum Chef-Auslandskorrespondenten wurde dem 1933 in Bukarest geborenen Troebst in die Wiege gelegt. Sein Vater arbeitete ebenfalls als Journalist im Ausland, so siedelte die Familie 1935 mit dem zweijährigen Cord nach China über, wo der Vater 1939 unerwartet starb. Nach Rumänien zurückgekehrt, floh die Familie bei Kriegsende quer durch Europa nach Westdeutschland, in Hildesheim bestand Cord Christian Troebst 1954 das Abitur.

Im selben Jahr wurde er Journalist bei der Illustrierten „Kristall“ aus dem Hause Axel Springer, die ihn zwei Jahre später zur Berichterstattung in den Vorderen Orient und nach Afrika schickte. 1957 wanderte Troebst in die USA aus. Dort arbeitete er anfangs tagsüber als Korrespondent für deutsche Zeitungen, nachts als Druckereiarbeiter und Hotelportier. Einige Jahre später wurde er freier Mitarbeiter für den SAD in New York, 1964 Redakteur. Drei Jahre später erfolgte die Berufung zum Chefredakteur in Hamburg.

Die Aufgaben des Auslandsdienstes umriss Troebst so: „Wir versuchen, die Vorteile einer Nachrichtenagentur (großes Netz, schnellste Berichterstattung) und die Vorteile von Korrespondenten (exklusive Themen, die Farbe und Atmosphäre bringen) zu kombinieren.“ Zum Prinzip gehörte, dass der SAD alle Zeitungen des Verlages mit Berichten versorgte. Diese konnten sich aus den Angeboten bedienen und selbst Themenwünsche abgeben – auch die WELT, die gleichwohl ein eigenes Korrespondentennetz betrieb, was wegen der überregionalen Bedeutung des Blattes akzeptiert wurde.

Unter Troebst entwickelte sich der SAD zu einem schlagkräftigen Korrespondentennetz in den wichtigsten Metropolen und Regionen auf allen fünf Kontinenten. Eine Herausforderung war, die Arbeit im SAD zu koordinieren und Synergien zu suchen, etwa mit den Korrespondenten der WELT. Mitunter entstand eine Konkurrenzsituation, wenn mehrere Korrespondenten im Verlag an der gleichen Geschichte „dran waren“. Dann war Troebst als Moderator gefragt.

Hohe journalistische Standards

CCT wusste, worauf es ankam bei der Arbeit im Ausland, von der viele Journalisten träumen, aber für die nur wenige geeignet sind. „Er hatte eine Gabe, fähige Leute auszusuchen und ihnen, ohne sie zu gängeln, freie Hand zu lassen“, erinnert sich Wolfgang Will (92), der zwanzig Jahre für den SAD aus New York über die US-Raumfahrt berichtete.

Troebst habe begeistern können, sei von sich überzeugt gewesen, habe jedoch auch kritisiert, wenn Mitarbeiter journalistische Anforderungen und Standards nicht erfüllten. Andere loben seine Hilfsbereitschaft, sein Interesse an allen Dingen, sein Charisma und die Selbstverständlichkeit, das Leben zu genießen.

Als Troebst 1994 ausschied, hatte der SAD rund 50 Mitarbeiter weltweit – eine verschworene Truppe, wie es heißt. Er selbst hatte intensive Zeiten erlebt: kalte und heiße Kriege, politische Krisen, aber auch Weltereignisse wie die erste Mondlandung oder Hochzeiten im britischen Königshaus. Auch nach seinem Ausscheiden blieb Troebst Axel Springer treu.

Für den Hamburger Lokalteil der WELT und der WELT AM SONNTAG veröffentlichte er Texte über seine Reisen oder Kunstausstellungen, den letzten noch im Jahr 2015. Zu der Zeit war der SAD als eigenständige Struktur längst eingestellt. Die notorisch teure Auslandsberichterstattung hatte sich nicht mehr in vertretbaren Grenzen halten lassen.

Cord Christian Troebst galt als manischer Schreiber, er verfasste unzählige Texte, schrieb Tagebuch, veröffentlichte Bücher wie „Der Griff nach dem Mond“ oder „Auf Wunder ist kein Verlass – Die Kunst des Überlebens“. Im Jahr 2020, inzwischen hatte er mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, erschien noch „Der himmlische Funke. Die abenteuerliche Geschichte der Nachrichtentechnik“. Sein Motto lautete stets: „Wer schreibt, der lebt.“ Am 3. April verstarb Troebst in Hamburg im Alter von 90 Jahren.

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