O. J. Simpson war eine Symbolfigur für den Rassismus in Amerika

o. j. simpson war eine symbolfigur für den rassismus in amerika

O. J. Simpson und seine zweite Ehefrau Nicole, die er vermutlich umgebracht hat.

Der tief gefallene Ex-Footballstar O. J. Simpson ist tot. Seine Geschichte illustriert, wie polarisiert das Verhältnis zwischen dem weissen und dem schwarzen Amerika bis heute ist.

In gewisser Weise war der Tod für ihn eine Erlösung. Am Mittwoch starb Orenthal James Simpson, kurz O. J. oder «The Juice» genannt, in Florida mit 76 Jahren an Krebs. Ob die USA ebenfalls zur Ruhe kommen, ist zweifelhaft. Zu stark hat sein atemberaubender Absturz vom Footballhelden zum Mordverdächtigen das Land in den letzten 30 Jahren erschüttert.

O. J. Simpson war die perfekte Verkörperung des amerikanischen Celebrity-Kults. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, wurde er dank seiner Athletik zum Star im American Football. Weil er blendend aussah, erhielt er lukrative Werbeverträge. Nach seinem Rücktritt versuchte er sich als Schauspieler. Simpson lebte den American Dream.

o. j. simpson war eine symbolfigur für den rassismus in amerika

Er war kaum zu stoppen: O. J. Simpson im Trikot der Buffalo Bills.

Sein Ziel war es, von den Weissen anerkannt und geliebt zu werden. Zum schwarzen Amerika, dem er entstammte, hielt er demonstrativ Abstand. Im Gegensatz zu anderen schwarzen Sportstars vermied er politisches Engagement. Die Illusion, er könne der Held eines «farbenblinden» Amerika werden, platzte vor ziemlich genau 30 Jahren.

Denkwürdige «Verfolgungsjagd»

Am 13. Juni 1994 wurde die Leiche von Nicole Brown, O. J. Simpsons zweiter Ehefrau, in der Einfahrt ihres Hauses in Los Angeles gefunden. Sie war mit einem Messer regelrecht abgeschlachtet worden. Getötet wurde auch ein gewisser Ronald Goldman, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Der Verdacht richtete sich auf den Ehemann.

Er war krankhaft eifersüchtig und hatte Nicole wiederholt verprügelt. Sie hatte deswegen die Scheidung eingereicht. Die Polizei fand belastende Indizien. Als die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen Simpson erliess, kam es zu einer denkwürdigen «Verfolgungsjagd», die sogar das Eröffnungsspiel der Fussball-WM 1994 in den USA überschattete.

Opfer des weissen Rassismus

Simpson wurde wegen Doppelmords angeklagt und nach einem neun Monate dauernden Indizienprozess im Oktober 1995 von den Geschworenen freigesprochen, obwohl alles auf seine Schuld hindeutete. Die Reaktionen waren bezeichnend: Die Schwarzen bejubelten den Freispruch, während die Weissen entsetzt waren.

Gründe für das Urteil gab es einige. Vor allem war es O. J. Simpsons Anwalt Johnnie Cochran gelungen, seinen Klienten zur Symbolfigur der Schwarzen und zu einem Opfer des weissen Rassismus zu stilisieren – also zu dem, was O. J. nie sein wollte. Das Umfeld kam ihm entgegen: Vier Jahre zuvor hatte der Fall Rodney King Los Angeles erschüttert.

Die Wut der Afroamerikaner

Der schwarze Kleinkriminelle war von vier weissen Polizisten fast totgeprügelt worden. Obwohl ein Anwohner die Tat filmte, wurden sie von einer rein weissen Jury freigesprochen. Danach kam es zu massiven Ausschreitungen mit 59 Todesopfern. Viele Afroamerikaner waren wütend – und acht der zwölf Geschworenen im Simpson-Prozess waren schwarz.

Am Fall O. J. Simpson hat sich Amerika intensiv abgearbeitet. Unzählige Artikel und Bücher wurden geschrieben und Filme gedreht. Zwei stechen heraus: das Dokudrama «American Crime Story: The People vs. O. J. Simpson» mit Starbesetzung und die achtstündige, mit einem Oscar prämierte Dokumentation «O.J.: Made in America» des Sportsenders ESPN.

Kein grosses Mitgefühl für O. J.

Letztere schilderte akribisch, wie Simpsons Aufstieg und Niedergang exemplarisch ist für den Rassismus in Amerika. Selbst wenn man als Schwarzer reich und berühmt war, konnte man ihm nicht entkommen. Dabei waren sich viele Afroamerikaner durchaus bewusst, dass O. J. mit grosser Wahrscheinlichkeit schuldig war und den Doppelmord verübt hatte.

o. j. simpson war eine symbolfigur für den rassismus in amerika

O. J. Simpson reagiert auf den Freispruch im Mordprozess. Rechts sein Anwalt Johnnie Cochran.

Es gebe kein grosses Mitgefühl für O. J. Simpson in der schwarzen Gemeinschaft, sagte der Politologe James Lance Taylor von der Universität San Francisco – Simpsons Heimatstadt – der «Washington Post». Es sei nicht um ihn als Person gegangen: «O. J. war einfach ein Auswuchs der generellen Polarisierung zwischen den Schwarzen und der Strafverfolgung.»

Eine Linie zu Black Lives Matter

Bis heute werden Afroamerikaner von Polizei, Justiz und Behörden härter angepackt als die Weissen. Die Einstellung gegenüber Simpson bei den Schwarzen lautet deshalb gemäss Taylor: «Er kam davon, aber die Polizei hat viel mehr von unseren Leuten getötet und kam davon.» Damit zieht sich eine direkte Linie von O. J Simpson zu Black Lives Matter.

O. J. wurde damit zu einem Helden des schwarzen Amerika wider Willen. Und am Ende kam es, wie es in solchen Fällen meistens kommt: Das weisse Amerika schlug mit voller Härte zurück. In einem von den Angehörigen der beiden Mordopfer angestrengten Zivilprozess wurde der Ex-Footballstar zur Zahlung von 33 Millionen Dollar «Schadenersatz» verurteilt.

33 Jahre Gefängnis

Endgültig zum Verhängnis wurde ihm ein Vorfall von 2007, als er von Fanartikel-Händlern in Las Vegas Erinnerungsstücke zurückforderte. Weil einer seiner Begleiter eine Schusswaffe trug, wurde Simpson zu 33 Jahren Gefängnis verurteilt. Dabei hatte selbst einer der Händler gesagt, es sei eher ein Streit als ein bewaffneter Überfall gewesen.

Nach der Mindeststrafe von neun Jahren wurde Simpson 2017 auf Bewährung entlassen, und noch einmal kochten die Emotionen hoch. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Florida, wo er einen Teil seiner Vermögens vor der Justiz in Sicherheit bringen konnte. Auch Donald Trump ist deshalb in den «Sunshine State» gezogen.

Am Ende wurde ein Mann, der ein «nichtrassisches» Amerika verkörpern wollte, zum Symbol für den Rassismus in allen Facetten. Marc Watts, der den Mordprozess von 1995 für CNN verfolgt hatte, sagte der «Washington Post», der Fall habe damals aufgezeigt, auf welch tragische Art das Land «rassistisch polarisiert» sei: «Und das trifft noch heute zu.»

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