Ischgl hat den Corona-Skandal überwunden und boomt mehr denn je
Der österreichische Party-Skiort Ischgl konnte von 130 Klagen alle bis auf eine abwehren. Vier Jahre nach Corona werden Rekordzahlen erzielt.
«Ischgl war nicht schuld an Corona», sagte unlängst Andreas Gabalier auf der Bühne des Top-of-the-Mountain-Spring-Konzerts, an dem er vor 19’000 Menschen in Ischgl auftrat. Das Dorf sei zu Unrecht angeprangert worden, sagt der populäre österreichische Sänger, und dass das Virus sich so oder so ausgebreitet hätte. Viele jubelten ihm zu. Gerade die Einheimischen vor Ort. Endlich hatte ein Promi öffentlich ausgesprochen, wovon man überzeugt ist – von der eigenen Unschuld. Ãœberzeugt waren auch die Gerichte. Doch der Reihe nach.
Der Party-Skiort Ischgl galt im Februar/März 2020 als ein Corona-Hotspot, von dem aus das Virus in ganz Europa verbreitet wurde. Daraufhin überrollte eine regelrechte Klagewelle das kleine Dorf, das Land Tirol und den Staat Österreich. 130 Klagen waren eingereicht worden, ein Strafrechtsverfahren, eine Sammelklage des Verbraucherschutzvereins VSV mit 6000 Beschwerden aus 45 Ländern, sowie eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich.
Werbung im Wert von 2 Milliarden
Kurz sah es so aus, als ob die Klägerinnen und Kläger damit durchkommen würden. Erstinstanzlich waren die Klagen zwar abgewiesen worden, doch das Oberlandesgericht in Wien hob die Urteile wieder auf. Schliesslich fällte die letzte Instanz, der Oberste Gerichtshof in Wien, einen Grundsatzentscheid. Er hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf, mit der Begründung, dass die Handlungspflichten, die das Epidemiegesetz den Behörden vorschreibt, ausschliesslich den Schutz der Allgemeinheit bezwecken, nicht jedoch die Verhütung der Ansteckung Einzelner.
Ein Punktesieg für Ischgl, Tirol und den Staat Österreich. Daraufhin zogen die Klägerinnen und Kläger ihre Klagen zurück, bis auf einen, der nach wie vor den Tourismusverband Paznaun Ischgl anklagt.
Ischgl, das unbezwingbare Skidorf. Fast vier Jahre sind jetzt vergangen seit dem Corona-Ausbruch. Bereits vergangenes Jahr war nach zwei Corona-Wintern wieder Normalität eingekehrt.
Aus heutiger Sicht halten sich die Auswirkungen des Corona-Virus für den Skiort in Grenzen. Image-Schaden? Keiner. Im Gegenteil. Das Geschäft floriert wie nie zuvor.
«Wir hätten über zwei Milliarden aufwenden müssen, wenn wir so oft in den Zeitungen hätten sein wollen», sagt Alexander von der Tannen, Obmann des Tourismusverbandes. «Im Nachhinein ist es egal, dass die Berichterstattung negativ war.» Der Nutzen der Corona-Berichterstattung war grösser als der Schaden.
Höchster Gewinn in 60-jähriger Unternehmensgeschichte
An manchen Tagen stösst der Ort an seine Kapazitätsgrenzen. Bis zu 25’000 Leute tummeln sich an guten Tagen im Skigebiet, und das in einem Dorf mit gerade mal 1580 Einwohnerinnen und Einwohnern. Mehr als 100 Millionen Euro Umsatz erzielte die Silvrettaseilbahn AG im Geschäftsjahr 2023/24. «Das ist der höchsten Wert in unserer über 60-jährigen Unternehmensgeschichte», so die beiden Geschäftsführer Markus Walser und Günther Zangerl.
Die hohen Gewinne kommen nicht zuletzt dank Preiserhöhungen zustande. Die Übernachtungspreise wurden seit Corona zwischen 20 und 30 Prozent erhöht. Ebenso aufgeschlagen wurde bei den Gastro-Preisen und den Skitickets.
Eine Karte für das Top-of-the-Mountain-Abschlusskonzert der US-Hip-Hop-Gruppe Black Eyed Peas inklusive Tagesskipass kostete 140 Euro, ein Ticket für Andreas Gabalier 110 Euro. Vor zwei Jahren hatte ein Abschluss-Ticket noch die Hälfte gekostet.
Die Stars sind teurer geworden heisst es vor Ort. Diese Zusatzkosten müssten die Organisatoren weitergeben. Andreas Gabalier soll für den «Schnäppchen»-Preis von umgerechnet 300’000 Franken aufgetreten sein. Die Black Eyed Peas sollen das Doppelte gekostet haben. Mit Party macht man Geld. Diesen Zusammenhang kennt Ischgl nur zur gut. Das Skidorf hat Ischgl miterfunden. Und so wird weiterhin gut Kasse gemacht. Corona? Längst kein Thema mehr.