Internationaler Gerichtshof weist Eilanträge Nicaraguas gegen Deutschland wegen Vorwurfs der Beihilfe zum Genozid im Gazastreifen zurück
Tania von Uslar-Gleichen, Deutschlands Justiziarin und Leiterin der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, und Christian J. Tams, Mitglied des deutschen Anwaltsteams, im Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Peter Dejong / AP
lia./ (dpa) Der Internationale Gerichtshof hat die Eilanträge im Verfahren um die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Genozid im Gazastreifen zurückgewiesen. Dies gab das höchste Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag am Dienstag bekannt.
Nicaragua hatte als vorläufige Massnahmen den sofortigen Stopp deutscher Rüstungslieferungen an Israel gefordert. Das zentralamerikanische Land begründete dies damit, dass Deutschland durch Waffenlieferungen an Israel einen Genozid ermögliche und damit gegen internationales Recht verstosse. Nicaragua hatte zudem eine Wiederaufnahme von Zahlungen eingefrorener Beiträge für das Palästinenserhilfswerk UNRWA im Gazastreifen gefordert. Die deutsche Bundesregierung hatte diese Woche bereits angekündigt, sie wolle ihre Zusammenarbeit mit UNRWA im Gazastreifen in Kürze fortsetzen.
Die Erfolgsaussichten der Eilanträge waren gering. Sofortmassnahmen seien angesichts der durch Nicaragua dargelegten «Sachinformationen und rechtlichen Argumente» nicht erforderlich, urteilte das Gericht. Deutschland hat nach Ansicht der Richter plausibel dargelegt, dass 98 Prozent der Rüstungslieferungen im vergangenen Jahr nur allgemeine Rüstungsgüter wie Helme oder Schutzwesten waren und keine Kriegswaffen.
Das deutsche Auswärtige Amt begrüsste den Entscheid des Internationalen Gerichtshofs. Deutschland sei keine Konfliktpartei in Nahost, würde sich vielmehr Tag und Nacht für eine Zweistaatenlösung einsetzen. «Niemand steht über dem Recht. Das leitet unser Handeln», schrieb das Amt auf X.
Hauptverfahren wird wohl Jahre dauern
Das Urteil über die eigentliche Klage wegen Beihilfe zum Völkermord steht noch aus. Der Internationale Gerichtshof hat einen Antrag auf Abweisung des Falls, den Deutschland gestellt hatte, abgewiesen. Das Hauptverfahren könnte sich über Jahre hinziehen. Deutschland weist die Klage als haltlos zurück.
Nicaragua beruft sich in seiner Klage auf die Völkermord-Konvention von 1948. Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, alles zu tun, um Völkermord zu verhindern. Das heisst, auch Drittstaaten können andere deswegen zur Verantwortung ziehen. Nicaragua steht selbst wegen Menschenrechtsverletzungen im internationalen Visier.
Es ist bereits das zweite Völkermord-Verfahren zum Gaza-Krieg vor dem Gerichtshof. Ende 2023 hatte Südafrika Israel verklagt und eine sofortige Waffenruhe gefordert. Die Richter hatten dem zwar nicht entsprochen, aber Israel ermahnt, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern. Israel hatte Völkermord-Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen. Das Land beruft sich nach den Massakern der islamistischen Hamas und anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober 2023 auf das Recht zur Selbstverteidigung.
Der Internationale Gerichtshof ist das höchste Gericht der Vereinten Nationen. Dieses Weltgericht ist nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Strafgerichtshof, der sich ebenfalls in Den Haag befindet. Dieser befasst sich mit individuellen Anklagen, während der Uno-Gerichtshof über Konflikte zwischen Staaten entscheiden soll. Entscheidungen des IGH sind bindend.