Da geht’s lang! Was Taylor Swift sagt, wird von vielen Millionen Menschen gelesen und wahrgenommen. Eine Machtfülle, von der mancher Politiker nur träumen kann.
Als kürzlich auf der Plattform X einige Deep-Fake-Pornobilder von Popstar Taylor Swift kursierten, dauerte es nicht lange, bis ihre Fan-Armee zur Gegenoffensive blies. Unter dem Hashtag #ProtectTaylorSwift posteten die Swifties, wie sich ihre treuen Anhänger nennen, massenhaft positive Bilder wie Konzertfotos, um die Aufmerksamkeit von den kompromittierenden KI-Fälschungen zu lenken.
Die Plattform wurde derart mit Bildern geflutet, dass X zeitweise die Suche nach „Taylor Swift“ einschränken musste. Ein beispielloser Vorgang. „Don’t mess with the Swifties“ – leg dich bloß nicht mit den Swifties an –lautet eine Warnung im Netz.
Diese leidvolle Erfahrung musste vor zwei Jahren bereits die Vertriebsgesellschaft Ticketmaster machen: Der Andrang auf Karten für Swifts US-Tour „Eras“ war so groß, dass die Server zusammenbrachen. Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer, die sich in die virtuelle Warteschlange von einer Million Interessenten einreihten, flogen aus der Leitung oder mussten am Ende Mondpreise bezahlen.
Daraufhin reichten zwei Dutzend Swift-Fans vor einem Gericht in Kalifornien Klage gegen Ticketmaster wegen Betrugs und Verstoßes gegen Wettbewerbsrecht ein. Die Verhandlung geriet zur öffentlichen Kundgebung: Aus dem ganzen Land reisten Fans an und solidarisierten sich mit den Klägern. „Unsere Pennies machten deine Krone“, stand auf einem Plakat zu lesen. Die Swifties sind nicht bloß irgendwelche Groupies, die auf Konzerten kreischen, sondern gut organisierte Aktivisten, die Partei für ihr Idol ergreifen.
Als Swift 2017 einen DJ verklagte, der sie bei einem Event 2013 sexuell belästigt haben soll, klebten in den umliegenden Bürogebäuden des Gerichtssaals in Denver, wo die Verhandlung stattfand, Büromitarbeiter mit bunten Post-its Botschaften wie „Free Tay!“ an die Glasscheiben und signalisierten damit ihre Unterstützung.
Wann immer die Pop-Ikone in Schwierigkeiten steckt, mobilisieren die Swifties ihre Truppen und springen ihrem Idol bei. Als der Musik-Gigant Universal Music wegen eines Streits über Lizenzgebühren kürzlich Songs von Taylor Swift auf TikTok abzog, sangen die Swifties ihre Lieder einfach selbst – und machten die Videoplattform zur digitalen Karaoke-Bar.
Die Community hält in Krisen zusammen. So auch nach dem tragischen Tod einer jungen Frau bei einem Konzert im vergangenen Jahr in Rio: Da organisierte die Fangemeinde kurzerhand eine Spendenkampagne für die Angehörigen. Wenn die Swifties auf ihrem Handy herumtippen, kann dies ganze Märkte in Bewegung bringen. Glaubt man Ökonomen, heizt der Superstar durch seine Nachfrage nach Tickets, Hotels und Flügen sogar die Inflation an.
Die Swifties sind aber längst nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein politischer Player: So hat Swift bei den US-Zwischenwahlen 2018 eine Wahlempfehlung für den demokratischen Senatskandidaten ihres Heimatbundesstaates Tennessee, wo sie im Alter von 13 Jahren mit ihrer Familie hinzog, ausgesprochen.
Zwar konnte die prominente Unterstützung nicht verhindern, dass sich am Ende der republikanische Kandidat durchsetzte. Aber es zeigte, wie einflussreich der Popstar ist. Der damalige US-Präsident Donald Trump sagte hinterher beleidigt wie ein Kindergartenkind, er möge Swifts Musik nun „25 Prozent weniger“.
Trump fürchtet Swift mehr als jeden anderen Gegner: Wenn die Sängerin ihre Fans mobilisiert, könnte es dem Präsidentschaftskandidaten in den Swing States Stimmen kosten.
Im Windschatten von Social Media ist eine kampagnenfähige Graswurzelbewegung entstanden, in der Aktivismus, Konsum und Politik eine Verbindung eingehen. Ihr Erkennungszeichen: bunte Freundschaftsarmbänder. Mittlerweile fürchtet Trump Swift mehr als jeden anderen Gegner: Wenn die Sängerin ihre Fans mobilisiert, könnte es dem wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten in den umkämpften Swing States Stimmen kosten. Im Netz verbreiten ultrarechte Trump-Anhänger die Verschwörungstheorie, wonach Swifts Auftritt beim Super Bowl Wahlwerbung für die Demokraten sei. Auch wenn das Propaganda ist – die Swifties könnten für Bidens Wiederwahl entscheidend sein.
Die Fangemeinde, zu der auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und Chiles Präsident Gabriel Boric gehören, ist eine ganz eigene Subkultur, die Anleihen aus der Numerologie nimmt. So kommuniziert Swift mit ihren Fans in geheimen Botschaften, die unter dem Stichwort „Easter Eggs“ in Musikvideos, Interviews oder Lyrics versteckt werden: zum Beispiel Ankündigungen für anstehende Tourneen. „Ich denke, die besten Botschaften sind die kryptischen“, sagte Swift einmal in einem Interview. Auch die Zahl 13 spielt im Swift-Kosmos eine bedeutende Rolle – sie taucht in zahlreichen Songs auf. Es gibt mittlerweile sogar schon Universitätskurse, in denen Swifts Texte hermeneutisch untersucht werden.
Ob diese „Ostereier“ eine tiefere mythologische Bedeutung haben oder einfach nur ein cleverer Marketing-Trick sind, darüber sind sich die sogenannten Swiftologen, die diesen Kosmos ausleuchten, nicht ganz einig, aber die Opferbereitschaft der Swifties, die geradezu kultische Verehrung eines Stars weisen doch Parallelen zu Glaubensgemeinschaften auf. Kevin Christopher Robles schrieb in der katholischen Zeitschrift America, der Konzertbesuch bei Swift habe sich in seiner Ritualisierung angefühlt wie ein Gottesdienst. Dass sie Songs mit Titeln wie „Holy Ground“ und „False God“ spielte, passte ins Bild.
Gewiss, auch in analogen Zeiten wurden Stars vergöttert und verehrt, doch die Heroisierung von Superstars in der bildergesättigten Digitalmoderne hat noch einmal eine andere Qualität. Als Taylor Swift im vergangenen Jahr im Rahmen ihrer „Eras-Tour“ im texanischen Arlington auftrat, rauschten 28,9 Terabyte Daten durch die Netze von AT&T – das sind ungefähr 5,8 Millionen Fotos oder 11.500 Stunden Videomaterial.
Swifts Popularität verdankte sich zunächst also einer Kombination aus Web 2.0 und Hörfunk.
Das Phänomen Swift ist ohne das Internet nicht zu verstehen. Die Sängerin wurde einem breiteren Publikum in den Nullerjahren auf MySpace bekannt. Auf der Plattform, einem der ersten sozialen Netzwerke, das heute ein Internetfriedhof ist, promotete Swift ihre selbstgeschriebenen Songs und vernetzte sich mit Fans.
Die Radiostationen in Tennessee ignorierten sie, ein Teenager schien dem konservativen Country-Publikum nicht vermittelbar. Nachdem ihr MySpace-Profil 45 Millionen Streams erzielt hatte, wurde der Musikmanager eines Indie-Plattenlabels auf Swift aufmerksam – und brachte sie ins Radio und auf MTV. „Sie hatten nur zehn Angestellte in dem Plattenlabel“, erzählte Swift 2008 in einem Interview mit der Zeitschrift Entertainment Weekly. Gemeinsam mit ihrer Mutter packte sie selbst mit an und half dem Team dabei, die CD-Singles in Umschläge zu verpacken und ans Radio zu schicken.
Swifts Popularität verdankte sich zunächst also einer Kombination aus Web 2.0 und Hörfunk – und erst später der Mechanik von Algorithmen, die ihre Songs pushten. Dank der Multiplikatoren- und Netzwerkeffekte digitaler Ökosysteme hat Taylor Swift eine globale Marke etabliert, die in der Popkultur ihresgleichen sucht: Die Swifties sind Fans, Aktivisten und soziale Bewegung in einem – und das größte Kapital ihres Idols.
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