Scholz knüpft an Schröder an: Wahlkampf mit Angst

Olaf Scholz schließt aus, was niemand von ihm verlangt. Das klingt nach dem alten Wahlkampfschlager „Friedenspartei SPD“. Putin dürfte das gefallen.

scholz knüpft an schröder an: wahlkampf mit angst

ALLES WIRD GUT. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz (hier vor Jahren mit Bundeskanzler Gerhard Schröder) will zeigen, dass es zur Koalitionspolitik keine Alternativen gibt.

Viele Deutsche haben Angst vor Krieg. Sie rührt aus dem Wissen um die Folgen zweier von Deutschland entfesselter Weltkriege. Umso wohler fühlten sie sich, als der Kalte Krieg beendet war, und die „Friedensdividende“ lockte. Sorglos schauten die Deutschen zu, wie ihre Regierung die Bundeswehr nach 1990 verkleinerte und zu einer Art Technischem Hilfswerk umbaute. Es war eine wunderbar friedvolle Zeit. Scheinbar. Umso härter traf das Land das Rendezvous mit der Realität, Russlands Krieg gegen die Ukraine.

Sozialdemokraten wissen um die Friedenssehnsucht der Deutschen. „Wir sind zur Solidarität bereit, aber dieses Land wird unter meiner Führung für Abenteuer nicht zur Verfügung stehen“, rief Kanzler Gerhard Schröder im August 2002. Er schloss damit Deutschlands Beteiligung an einem möglichen Irak-Krieg aus. Kurz danach gewann er die Wahl, vor allem im Osten. Schröders Nein zum Irak-Krieg – seine einzig unstrittige Entscheidung. Er zeigte Mut, der übrigens nur im Schulterschluss mit Frankreich möglich war.

„Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden“, sagte Olaf Scholz am Mittwoch in einer knappen Videobotschaft: „Darauf können Sie sich verlassen.“ Man darf annehmen, dass er den meisten Deutschen aus dem Herzen spricht.

Knüpft Scholz nun an Schröder an? Versucht der Kanzler, in einem in der SPD ängstlich erwarteten Wahljahr (vor allem im Osten) mit der Angst vor Krieg Wahlkampf zu machen? Die Klarheit, mit der sich Scholz ans Volk wandte, spricht für das Kalkül „Friedenspartei SPD“. Dass SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich die Botschaft des Kanzlers mit einem eigenen Video flankierte, verstärkt diesen Eindruck. Schon preisen Sozialdemokraten ihren „Friedens-Kanzler“.

Mit seiner Ablehnung von Bundeswehrsoldaten in der Ukraine aber baut Scholz einen Popanz auf. Er schließt Dinge aus, die niemand von ihm verlangt. Nein, Emmanuel Macron hat nicht gefordert, deutsche Soldaten, Nato-Soldaten, heute in die Ukraine zu senden. Mit seinem öffentlichen Philosophieren über das Szenario westlicher Kampftruppen in der Ukraine hat er vielmehr ein Signal der Abschreckung gesetzt.

Wenn Scholz nun Macron in dieser Lage derart widerspricht, muss er sich vorhalten lassen, den Westen zu schwächen. Nebenbei entzweien sich mitten in der größten Krise Europas ausgerechnet die beiden wichtigsten Partner. Putin dürfte das gefallen. „Die Nato ist und wird keine Kriegspartei. Dabei bleibt es“, sagt Scholz. Ein Fall von Hybris? Über den Einsatz der Nato kann kein deutscher Kanzler entscheiden.

Ob die Nato Kriegspartei wird, hängt mehr vom Kreml als vom Kanzleramt ab. Denn was geschieht, wenn Putin einen Nato-Staat angreift? Dann ist die Nato samt Deutschland im Krieg. Das aber sagt Scholz nicht. Er folgt so seiner Taktik, das Volk nicht mit erschreckenden Wahrheiten zu behelligen.

Gewiss, Deutschland braucht in diesen Kriegs- und Krisenjahren einen besonnenen Kanzler. Viele Menschen haben Angst, zu Recht. In einer Demokratie ist es wichtig, die Bürger bei der Ukraine-Hilfe hinter sich zu wissen. Aber die Demokratie lebt auch davon, dass ausgesprochen wird, was ist.

Die Realität sieht so aus: Der Westen hat es mit einem von „Putins krimineller Bande“ (Julija Nawalnaja) beherrschten Russland zu tun. Scholz zieht rote Linien für den Westen, nicht für Putin, der die Ukraine attackiert, in Transnistrien, im Kaukasus zündelt. Der Alexej Nawalny pünktlich zur Münchner Sicherheitskonferenz ermorden lässt. Der destabilisiert und droht. Scholz hegt den deutschen Wunsch, Putin möge nach den zivilisatorischen Regeln des Westens spielen. Putin aber amüsiert sich über diese Regeln, sieht in ihnen Schwäche.

Erst am Montag hatte Scholz sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern zu begründen versucht. Indirekt, quasi im Vorbeigehen, diagnostizierte er dabei Briten und Franzosen eine Kriegsbeteiligung. London beklagt sich bereits. Hier also vergrößerte Scholz bloß die Verwirrung und nährte die Vermutung, er meide die Wahrheit, handle aus Angst vor Putin.

Nicht nur die SPD, auch Putin kennt die Deutschen, ihre Ängste. Er weiß mit dieser Angst zu spielen. Wenn man ihn denn lässt.

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