Indisches Restaurant in Berlin: Wir wurden hier zum Diebstahl aufgefordert
Zum Nachtisch gab es in unserem indischen Restaurant die Süßspeise Gulab Jamun.
Wir hatten Familienbesuch und gingen abends essen. Indisch. Ein Restaurant, das versprach, nicht die bekannten Null-acht-fünfzehn-Gerichte in der immer gleichen Sauce zu servieren, und so war es auch. Wie es heißt und wo es sich befindet, darf hier nicht enthüllt werden. Den Grund, liebe Leser, werden Sie bald erfahren.
Der junge Mann, der uns bediente, sprach besser Englisch als Deutsch, und wir unterhielten uns ein bisschen mit ihm. Er erzählte, dass er aus dem Bundesstaat Punjab komme und wie viele indische Sprachen er spreche: neben Punjabi sind es Hindi, Urdu und ein lokaler Dialekt, dessen Name ich mir nicht merken konnte. Er sagte, es gebe 22 offizielle Landessprachen in Indien, aber keine Nationalsprachen. Landeskunde am Abendessenstisch.
Als er zu einem anderen Tisch geeilt war, fragten wir uns, in welcher Sprache indische Politiker sich wohl ans Wahlvolk wenden würden. Modi versuche es vehement mit Hindi, erfuhren wir bald. Aus nationalistischen Gründen.
Später erzählte der Kellner uns, er sei durch einen Leipziger Freund nach Deutschland gekommen, nebenbei studiere er Tourismus an einer Privatuniversität; die Gebühren hier seien ja so viel günstiger als etwa in den USA.
Zum Abschluss der Mahlzeit bestellten wir ein Dessert: Gulab Jamun, das sind in Ghee frittierte Bällchen aus Mehl, Grieß und Milchpulver, aromatisiert mit Rosenwasser und Kardamom, dazu Milk Tea. Der Tee kam in doppelwandigen Metalltassen, die es mir sofort antaten. Sie lagen so angenehm an den Lippen. Ich fragte unseren neuen Freund, wo man diese Tassen bekommen könne. „Nur in Indien“, sagte er bedauernd.
Meine Enttäuschung muss spürbar gewesen sein, denn als wir bezahlten, drehte er sich verstohlen nach allen Seiten um, und sagte, wir sollten die Tassen schnell einstecken. Eine aus Freundlichkeit ergangene Aufforderung zum Diebstahl – so etwas ist mir auch noch nicht passiert. Wir blickten uns an, schlugen die Erlaubnis, eine Straftat zu begehen, dann aber doch lieber aus.
Später surfte ich im Netz nach den Tassen. Tatsächlich: nichts zu machen. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass es doch eigentlich schön ist, dass die Globalisierung noch nicht jedes Objekt in ihren Strudel gerissen hat.