Tonies Audio-Puppen machen sich auf, die halbe Welt zu erobern

Tonieboxen und die dazugehörigen Hörspielfiguren haben Schweizer Kinderzimmer erobert. Nächste Station: Amerika. Eine Erfolgsgeschichte.

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Dass Kinder Zeit mit Hörspielen verbringen, ist Eltern viel lieber, als wenn die Kleinen vor dem Fernseher oder dem Tablet sitzen: Toniebox mit Figur.

Die kleinen Tonie-Figuren aus Hartgummi haben die Schweizer Kinderzimmer erobert. Jetzt sind die USA dran, bekanntlich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Aber auch ein Land, in dem es für ausländische Unternehmen mit waghalsigen Plänen viele Möglichkeiten gibt zu scheitern.

Die Zentrale dieses Figurenreichs befindet sich in einem schmucken Hinterhof in der Düsseldorfer Innenstadt. Das Gebäude beherbergte früher eine Druckerei, nun sitzt dort die börsennotierte Firma Tonies. Grössere Abbilder der Figuren, eben der Tonies, schauen von den Fensterbänken herunter in den Hof. Am Eingang grüsst die freundlich lächelnde Figur eines Zauberers mit Eule in der Hand.

Das Besondere an den wenige Zentimeter hohen Figuren ist, dass Kinder mit ihrer Hilfe Hörspielen und Liedern lauschen können – sie sind die einfach zu bedienende Weiterentwicklung von CDs. Im ersten Stock des Gebäudes, im Büro von Tobias Wann, besetzen ganze Armeen dieser Figuren die Fensterbank und den Schrank hinter dem rückenschonenden Stehschreibtisch. Der 52-Jährige ist seit Januar Vorstandschef des Unternehmens mit 500 Beschäftigten, und in dieser Woche präsentierte er gute Geschäftszahlen für 2023. Der Umsatz stieg kräftig auf 360 Millionen Euro, und die 2013 gegründete Firma verbuchte erstmals einen Betriebsgewinn. «Das ist ein Meilenstein», sagt der Manager, der leger in Turnschuhen und Jeans empfängt.

Tonies wächst in den USA stark

Den nächsten Meilenstein will Tonies bereits im laufenden Jahr erreichen: Erstmals soll nicht mehr der Heimatmarkt wichtigster Umsatzbringer sein, sondern eine Region im Ausland – und zwar Nordamerika, also vor allem die USA. Schon im vergangenen Jahr verdoppelte sich der Umsatz dort. Die Zahl der Läden, die da Tonies-Produkte führen, stieg um die Hälfte auf 6500.

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«Das Wunderbare ist, dass selbst Zwei- und Dreijährige unsere Boxen allein bedienen können»: Tobias Wann von der Firma Tonies.

Herzstück des Tonies-Reichs sind die Tonieboxen, zwölf Zentimeter grosse kabellose Würfel. Stellen Kinder eine Figur darauf, spielt die Box das passende Hörspiel oder das Liederalbum ab. Es gibt etwa Benjamin Blümchen, Schneewittchen oder das unvermeidliche Ferkel Peppa Wutz – insgesamt bietet die Firma inzwischen mehr als 1100 Figuren weltweit an. Der Würfel kommt ohne Tasten und Bildschirm aus. Die Lautstärke regeln die Kinder, indem sie auf Ohren an der Box drücken. Kippen die Kinder die Box oder geben ihr einen Klaps auf die Seite, spulen sie vor und zurück.

Eltern können nun länger schlafen

Firmenchef Wann holt drei Figuren aus dem Gewimmel auf seinem Schrank: Disneys Eiskönigin, den Paw-Patrol-Hund Chase sowie Blippi, eine Figur, die vor allem auf dem britischen Markt beliebt ist.

«Das Wunderbare ist, dass selbst Zwei- und Dreijährige unsere Boxen allein bedienen können», sagt er. «Ausserdem spielen die Kinder gerne mit den Figuren.» Dass der Nachwuchs ohne Hilfe zurechtkommt, freut wiederum die Eltern. «Mir hat mal eine Mutter gesagt: Seit wir die Toniebox haben, können wir sonntags zwei Stunden länger schlafen, weil unser Kind sich erst einmal allein etwas anhört.» Und dass Kinder Zeit mit Hörspielen verbringen, ist Eltern viel lieber, als wenn die Kleinen vor dem Fernseher oder dem Tablet sitzen. «Eltern begrenzen oft die Bildschirmzeit, nicht jedoch die Hörzeit», hat Wann beobachtet. «Deshalb haben die Tonieboxen keinen Bildschirm.»

Die Technik hat sich seit dem Verkauf der ersten Boxen 2016 weiterentwickelt, aber der Mechanismus bleibt gleich: In den Figuren steckt ein NFC-Chip, der mit der Box kommuniziert. Nach diesem Prinzip funktioniert auch das kontaktlose Bezahlen per Bankkarte. Die Box spielt dann den passenden Inhalt ab, der zuvor per drahtloses Internet heruntergeladen und abgespeichert wurde.

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Im Durchschnitt laufen die Geräte mehr als vier Stunden pro Woche, und über einen Zeitraum von viereinhalb Jahren werden für jede Box 20 Figuren gekauft.

In Deutschland habe inzwischen jedes zweite kleine Kind eine Toniebox, rechnet Wann vor. Im Durchschnitt laufen die Geräte mehr als vier Stunden pro Woche, und über einen Zeitraum von viereinhalb Jahren werden für jede Box 20 Figuren gekauft. Das ist lukrativ für die Firma, denn bei den Püppchen ist die Gewinnmarge höher als bei den Boxen. Insgesamt hat das Unternehmen – Stand Jahreswechsel – weltweit 6,8 Millionen der Abspielgeräte und 82 Millionen Figuren an die Frau und den Mann gebracht. Für die Eltern stellt das ein durchaus teures Vergnügen dar; eine Box kostet um die 80 Euro, die Figuren meist 17 Euro.

Die Umsätze mit Spielzeug sind 2023 in Deutschland leicht gesunken, wie der Händlerverband BVS schätzt. Bürger halten wegen der unsicheren Wirtschaftslage ihr Geld zusammen und greifen zu günstigeren Produkten. Doch der Umsatz von Tonies in der Schweiz, Deutschland und Österreich stieg weiter.

Tonies hat inzwischen Rivalen

Dabei wächst die Konkurrenz: Das Unternehmen war 2016 Pionier mit seinen Würfeln und Figuren, aber inzwischen haben Rivalen ähnliche Produkte auf den Markt gebracht. So bietet Tigermedia aus Hamburg die Tigerbox an, HMC aus Bremen die hölzerne Musikbox Hörbert. Bei Lidl gab es zuletzt einen «Speaker-Buddy». Figuren nutzt allerdings keiner dieser Konkurrenten. «Deutlich beunruhigender als den Wettbewerb fände ich es, wenn wir gar keine Wettbewerber hätten», sagt Wann. «Doch wir sehen uns weiter klar als Marktführer.»

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Bereits 2016 und 2017, direkt nach dem Marktstart, waren die Boxen jeweils zum Weihnachtsgeschäft vergriffen.

Der Manager ist verheiratet und hat eine Tochter – die ist freilich zu alt für Tonieboxen. «Hauptzielgruppe sind Kinder von drei bis sieben Jahren», sagt er. Die Firma brachte aber Anfang des Jahres in Deutschland sogenannte Clever-Tonies auf den Markt, die Wissen vermitteln, etwa über Dinosaurier. Das richtet sich an Grundschüler. «Die ersten Clever-Tonies waren im Onlineshop nach zwei Tagen ausverkauft, wir hatten nicht mit so viel Nachfrage gerechnet», räumt er ein. Ausserdem sollen in diesem Jahr Hörbücher für Kinder angeboten werden, als Ergänzung zu den Hörspielen und Liedersammlungen. Ausverkauft zu sein, ist keine neue Erfahrung für die Firma. Bereits 2016 und 2017, direkt nach dem Marktstart, waren die Boxen jeweils zum Weihnachtsgeschäft vergriffen.

Gegründet wurde das Unternehmen 2013, aber die beiden Tonies-Väter, Patric Fassbender und Marcus Stahl, brauchten lange, um aus ihrer Idee ein funktionierendes Produkt zu schaffen. Die Idee wiederum speiste sich aus Fassbenders Frust über eine zerkratzte Hörspiel-CD. Seine Töchter hören diese gerne, doch sie bleibt ständig hängen, und der genervte Vater muss vorspulen. Daher reift der Gedanke, dass die Welt unbedingt ein kinderleicht zu bedienendes, robustes und digitales Abspielgerät benötigt.

Der Grafikdesigner ist Fan der belgischen Comicreihe «Tim und Struppi» und hat eine Sammlung von Struppi-Figuren. Das bringt den Düsseldorfer auf den Einfall, sein Abspielgerät mit Figuren zu kombinieren. Danach sucht er einen Geschäftspartner – und findet Marcus Stahl, einen Ingenieur und Manager, den Fassbender aus dem Vorstand der Elterninitiative für den Kindergarten kennt.

Der Börsengang finanziert die Expansion

Das Duo holt Investoren an Bord, darunter die Hamburger Verlagsgruppe Oetinger, die auf Kinder- und Jugendliteratur spezialisiert ist. Das Start-up erhält von dem Verlag Lizenzen für Kinderhörspiele. Produziert wird bei Zulieferern im Ausland, in China, Ungarn und Tunesien. Nach dem enormen Erfolg in den Anfangsjahren geht das Unternehmen 2021 an die Börse. Dadurch und durch eine Kapitalerhöhung fliessen 160 Millionen an die Firma. Mit dem Geld finanziert das Management die Schritte ins Ausland – in andere europäische Länder, nach Nordamerika und nach Hongkong. Denn solch ein Marktstart in der Fremde verursacht erst einmal Verluste. «Wir brauchen drei bis vier Jahre, bis ein neuer Markt profitabel ist», sagt Wann.

Im vergangenen Jahr beschliessen die beiden Gründer, sich zurückzuziehen und mit Wann einen Chef von aussen zu holen. Wobei Fassbender und Stahl weiterhin gemeinsam 8,5 Prozent der Aktien halten. Der neue Vorstandsvorsitzende hat Wirtschaftswissenschaften studiert und als Topmanager bei Technologie- und Internetbetrieben gearbeitet, zuletzt als Chef des Münchner Softwareentwicklers Xempus. Und er war als Kind Hörspielfan, hatte zwei Regalmeter von Drei-Fragezeichen-Kassetten, wie er erzählt.

Eine seiner Aufgaben ist es nun, den riesigen US-Markt weiterzuentwickeln. Dort konnten die Tonies-Produkte zunächst nur online gekauft werden, bevor 2021 die Handelskette Target in ersten Läden ein paar Regale für die Boxen und Figuren freiräumte. Da die Kunden kräftig zugriffen, wurden es ständig mehr Filialen und mehr Regalmeter. Wann sagt, in Geschäften präsent zu sein, sei «superwichtig», weil Kunden dort – anders als bei Onlineshops – die Boxen anfassen und erleben könnten. Ausserdem profitiere Tonies in Läden von Impulskäufen: Ein Kind entdeckt eine Figur, und die Eltern werfen sie in den Einkaufswagen.

Eine Besonderheit der USA sei, dass es die Amerikaner «gerne ein bisschen grösser» wollten, sagt der Chef. Daher vertreibt Tonies dort Starter-Pakete, bei denen extra viele Figuren der Box beiliegen.

Der Chef will Goldene Schallplatten aufhängen

Zu solchen Paketen gehört immer ein sogenannter Kreativ-Tonie – diese Figur entspricht einer Leerkassette aus dem analogen Zeitalter. Eltern oder Grosseltern können auf ihrem Handy eine Gutenachtgeschichte oder einen Gruss aus der Ferne einsprechen, und die Box lädt die Aufnahme herunter und spielt sie ab, wenn das Kind die Figur auf das Gerät stellt. Dies nutzen unter anderem Soldaten im Auslandseinsatz, um ihren Kindern näher zu sein. «Wir haben deshalb Anfragen bekommen, ob wir nicht einen passenden Kreativ-Tonie im Tarnanzug produzieren könnten», sagt Wann.

Das Unternehmen hält sich bedeckt, welche Hörspielhelden am beliebtesten sind. Klar ist jedoch, dass der US-Konzern Disney einer der bedeutendsten Lizenzgeber für die Düsseldorfer ist. Ausserdem sagt Wann ein wenig stolz, dass auf Platz fünf der weltweiten Verkaufsliste eine Eigenproduktion stehe: die von Tonies selbst erfundene Reihe «Die Schlummerbande» – Hörspiele und Musik, die beim Einschlafen helfen. Für den Erfolg hat Tonies in Deutschland sogar drei Goldene Schallplatten erhalten. «Die würde ich mir gerne ins Büro hängen», sagt der Chef. «Als Jugendlicher war es mein Traum, einmal eine Goldene Schallplatte verliehen zu bekommen.»

Hörspiele eigener Helden sind zudem lukrativer, da Tonies keine Lizenzgebühren zahlen muss. Bei all den anderen Helden – seien es die Schlümpfe, Bibi Blocksberg oder Asterix – benötigt das Unternehmen sogar zwei Lizenzen: eine für das Hörspiel und eine für das Aussehen der Figur. Manchmal sträuben sich Lizenzinhaber auch. «Zum Beispiel hätten wir bei Tim und Struppi nur eine der beiden Lizenzen erhalten», sagt Wann. «Daher haben wir diese Reihe nicht im Programm, zum Kummer unseres Gründers Patric Fassbender.» Immerhin gab die Struppi-Sammlung dieses Comicfans den Anstoss für das Tonies-Konzept. Doch einen Struppi-Tonie wird es wohl nie geben.

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