In Bautzen vor Gericht: Eltern schicken Sohn seit zwei Jahren nicht mehr zur Schule

Ein Ehepaar aus Malschwitz nimmt Bußgelder in Kauf, weil es seinen Sohn zu Hause unterrichtet. Was der Grund dafür ist und wie viele derartige Fälle es im Landkreis Bautzen gibt.

Frank und Annett Jakob aus der Gemeinde Malschwitz haben bereits das zweite Mal Einspruch gegen Bußgelder wegen Missachtung der Schulpflicht eingelegt. © Steffen Unger

Bautzen. Frank und Annett Jakob aus Neudorf, einem Ortsteil von Malschwitz, machen keinen Hehl daraus, warum sie am Donnerstag, dem 25. Mai 2023, in Bautzen vor Gericht stehen. “Wir sind Freilerner. Wir haben uns dazu entschlossen, unseren Sohn zu Hause zu unterrichten”, erklärt Frank Jakob in ruhigem Ton. “Unser Sohn möchte nicht in die Schule”, ergänzt seine Frau. “Ein Vierteljahr nach seiner Einschulung hat er gesagt, er könne nicht jeden Tag fünf Stunden auf die Tafel gucken.” Seitdem bringt die Eltern ihm Lesen, Schreiben und Rechnen zu Hause bei.

Doch genau das ist in Deutschland verboten. Kinder sind schulpflichtig und dürfen nur in bestimmten Fällen langfristig der Schule fernbleiben. Dazu zählen gesundheitliche Gründe, wie es derzeit bei 14 Kindern im Landkreis Bautzen der Fall ist. In vielen anderen Ländern ist das anders: In den USA, Australien, Großbritannien, Norwegen, Finnland und zum gewissen Grad sogar in Österreich ist Homeschooling erlaubt.

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Zehn Euro Bußgeld pro geschwänztem Tag

Der neunjährige Sohn von Frank und Annett Jakob könne selbst entscheiden, wann er was lernen möchte, sagen sie. “Letztens kam er an und wollte wissen, wie das mit Ebbe und Flut funktioniert, da haben wir uns dann den ganzen Tag mit Ebbe und Flut beschäftigt”, erzählt Annett Jakob, die ihren Friseur- und Kosmetiksalon an den Nagel gehängt hat, um ihren Sohn zu unterrichten und nun abends freiberuflich in der Informationsmedizin arbeitet, einer neumodischen Wissenschaft, die das gesundheitliche Wohlbefinden durch Schwingungen verbessern will. Der Vater arbeitet als Orthopädieschumacher.

Doch mit dem Unterricht für ihren Sohn kommen sie immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Das Landratsamt verschickt regelmäßig Bußgelder an die beiden, zuletzt erging für 84 Fehltage eine Strafe von 420 Euro an jedes Elternteil. Dagegen haben die beiden Einspruch eingelegt und landeten vor Gericht – bereits zum zweiten Mal.

Mehr Anzeigen wegen verletzter Schulpflicht

“Mit unseren zwei großen, jetzt erwachsenen Kindern war das total stimmig, dass sie auf die normale Schule gingen”, berichtet Annett Jakob der Richterin. “Aber mit unserem Jüngsten funktioniert das nicht.” Dass ihr Sohn wohl nie einen Abschluss machen wird, ist für die beiden kein Problem. “Es gibt momentan Bäcker, die mit Kusshand Freilerner nehmen, weil die wenigstens noch an der Arbeit interessiert sind”, führt Frank Jakob aus.

Die Fälle, in denen Schulleiter Eltern wegen Verletzung der Schulbesuchspflicht angezeigt haben, haben im Landkreis Bautzen seit der Corona-Krise zugenommen. Wurden 2019 noch 394 Anzeigen diesbezüglich erstattet, waren es 2022 bereits 506. Das entspricht jedoch nicht der Zahl der fernbleibenden Schüler, da bei renitenten Schulverweigern wie Annett und Frank Jakob wiederholt Anzeigen gestellt werden.

Seit Corona mehr Schulverweigerer unter Grundschülern

Einen Anstieg der Schulverweigerer hat es seit der Corona-Pandemie insbesondere bei den Grundschülern gegeben, bei den Berufsschülern sei die Zahl dagegen sogar zurückgegangen, teilt das Landratsamt mit. Außer dem Sohn von Annett und Frank Jakob sind dort keine weiteren Freilerner im Landkreis bekannt. “Sollte es noch welche geben, geben sie sich nicht zu erkennen und bezahlen die festgesetzten Bußgelder”, erklärt eine Sprecherin. Allerdings würde auffallen, wenn ein Kind – wie in diesem Fall – gar nicht zur Schule geht.

Die sächsischen Ordnungsämter dürfen gegen Eltern von Schulverweigerern ein Bußgeld von bis zu 1.250 Euro verhängen. Auch Vollstreckungsmaßnahmen wie Zwangsgelder von bis zu 25.000 Euro kämen in Betracht, teilt ein Sprecher des Sächsischen Landesamtes für Schule und Bildung mit.

Einspruch gegen Bußgeld bleibt wieder erfolglos

“Längere Fehlzeiten bedeuten für die Schülerinnen und Schüler eine Minderung der Bildungschancen, was Auswirkungen auf die Entwicklung der jungen Menschen hat”, erklärt der Sprecher. “Ein stetiger Schulbesuch ist unter allen Umständen erforderlich.”

Davon ist auch Richterin Magdalena Botor-Kutschke überzeugt. “Sie nehmen ihrem Kind die Möglichkeit, sich auch unabhängig von ihnen zu entwickeln und zu lernen, mit Verpflichtungen und Problemen umzugehen”, richtet sie sich an die Eltern. “Ihr Kind wird später ohne Abschluss nicht mehr die Möglichkeit haben, einen Studiengang zu wählen, wenn es das möchte.” Den Einspruch gegen das Bußgeld weist sie zurück.

Davon zeigen sich die beiden Angeklagten wenig beeindruckt. “Das nächste Mal werden wir einfach nur unser Bußgeld zahlen, wir leben so ruhiger”, sagt Annett Jakob, die sich in ihrer Gemeinde Neudorf unter anderem für den Bau eines neuen Spielplatzes engagiert hatte. Zehn Euro pro geschwänztem Tag zahlen die beiden. “Ich bin mir aber sicher, dass das Thema Freilerner in den nächsten Jahren ganz groß wird, weil einfach die Lehrer fehlen.”

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