Im Baskenland siegen die Nationalisten
Nach den Wahlen im spanischen Norden kann die Koalition weiterregieren. Die grössten Zugewinne verzeichnet aber Bildu – was eine Menge Spanier erzürnt.
Grösster Gewinner ist Bildu: Pello Otxandiano von der Partei Bildu gestikuliert, als er am 21. April 2024 im Hauptquartier der Partei in Bilbao zur Wahlnacht eintrifft.
Die spanische Region Baskenland hat ein neues Regionalparlament gewählt, und auf den ersten Blick bleibt alles beim Alten: Die bisher regierende Koalition aus der gemässigt-konservativen, nationalistischen Partei PNV (Partido Nacionalista Vasco) und dem baskischen Ableger der Sozialisten PSE kann ihre Arbeit fortsetzen. Gemeinsam haben die beiden Parteien 39 der 75 Abgeordnetensitze im baskischen Parlament in Vitoria-Gasteiz errungen. PNV-Spitzenkandidat Imanol Pradales wird wohl der nächste «Lehendakari», wie der Ministerpräsident im Baskenland heisst. (Lesen Sie hier eine Reportage zum Erbe der ETA im Baskenland.)
Doch ein genauerer Blick offenbart eine deutliche Kräfteverschiebung in der nordostspanischen Region – in Richtung linker Nationalismus und auch Separatismus. Grösster Gewinner ist die Partei Euskal Herria Bildu, kurz Bildu, die einlösen konnte, was Umfragen vorhergesagt hatten: ein Gleichziehen mit der traditionsreichen PNV, die in den vergangenen Jahrzehnten nahezu ununterbrochen den baskischen Regierungschef gestellt hat.
Die Basken wählen links – aber kaum Podemos
Beide Nationalistenparteien haben nun je 27 Sitze im Parlament. PNV vier weniger als zuvor und Bildu sechs mehr. Die Richtung der tektonischen Verschiebung ist also eindeutig: Es geht nach links. Ein Drittel der baskischen Wählerinnen und Wähler entschieden sich für Bildu, Wahlforscher vermuten, dass unter ihnen viele Jüngere waren, die die nicht erlebt haben und vom linken Profil der Partei angezogen sind. In diesem Sinne führte Bildu auch den Wahlkampf: Das öffentliche Gesundheitssystem will die Partei aufmöbeln und Sozialwohnungen bauen.
PNV-Kandidat Imanol Pradales wird voraussichtlich der nächste «Lehendakari», wie der Ministerpräsident im Baskenland heisst.
Doch mit dem linken Profil allein lässt sich das Phänomen Bildu nicht erklären. Zur Wahl standen am Sonntag schliesslich auch Parteien wie Podemos, die nach der Immobilienkrise vor zehn Jahren ganz Spanien aufgerüttelt hatte und im Baskenland ihre grössten Erfolge feierte. Dort war Podemos zeitweise die stärkste Kraft. Am Sonntag gaben nur zwei Prozent der Wähler der Partei ihre Stimme. Kaum besser schnitt das in Madrid mit Premier Pedro Sanchez regierende Linksbündnis Sumar ab: Im Baskenland bekam die Partei gut drei Prozent der Stimmen.
Die Faszination für Bildu dürfte auch dem nationalistischen Profil geschuldet sein, einer baskischen Version des bayerischen Zusammengehörigkeitsslogans «Mia san mia» (Wir sind wir). Von Restspanien will man sich ebenso wenig hineinreden lassen wie von den seit Jahrzehnten mit Madrid paktierenden Viertelnationalisten der PNV.
Die Konservativen reagieren allergisch auf Bildu
Bildu verkörpert für viele die wahre Souveränität des Baskenlandes. Dabei geht es nicht mehr um bewaffneten Kampf, von Gewalt will Bildu nichts mehr wissen, doch weigert sich die Partei hartnäckig, den ETA-Terror von einst mit deutlichen Worten zu verurteilen. In einem TV-Interview danach gefragt, kam Bildu-Spitzenkandidat Pello Otxandiano gerade mal die Phrase einer «Gruppe … äh, einer bewaffneten Gruppe» über die Lippen. Kein Wort vom Terror.
Für Konservative in ganz Spanien ist Bildu aus diesem Grund, und auch weil ein Ex-ETA-Mann zum Führungspersonal gehört, ein ähnliches Allergen wie der katalanische Separatist Puigdemont. Bildu sei die einzige Partei, mit der man nicht verhandeln dürfe, sagt der Chef des konservativen Partido Popular, Alberto Nunez Feijoo. Bildu-Anhänger scheint das umso mehr zusammenzuschweissen – mia san mia.
Wird sich die PNV nun radikalisieren?
Die Zentralregierung in Madrid muss sich nun der Tatsache stellen, dass fast 70 Prozent aller Stimmen im Baskenland an die beiden grossen nationalistischen Parteien gingen. Nur jeder siebte Wähler entschied sich für die Sozialisten, die in Madrid regieren – was Premier Pedro Sanchez dennoch als Erfolg verbucht, denn bei der Wahl 2020 war die Zustimmung noch geringer. Und der konservative Partido Popular konnte trotz mehrerer Wahlkampfauftritte des Parteichefs Feijoo nur jeden elften Wähler überzeugen.
Steigt der Druck auf Pedro Sanchez? Die PNV will womöglich ein neues Autonomiestatut für das Baskenland aushandeln: Der spanische Premierminister während einer Pressekonferenz in Oslo am 12. April 2024.
Spannend dürfte in der anstehenden Legislaturperiode werden, ob sich der PNV angesichts der wachsenden Konkurrenz von Bildu nun radikalisiert. Im Extremfall könnte es zu einem Wettkampf der Nationalisten kommen, so wie in Katalonien, wo die Puigdemont-Partei Junts per Catalunya und die linke Esquerra Republicana de Catalunya sich zu überbieten versuchen: Wer ist der bessere Separatist?
So radikal wie in Katalonien wird sich der baskische Nationalismus zwar vorerst nicht entwickeln, nur ein gutes Fünftel der Basken befürwortet eine schnelle Abspaltung von Spanien. Doch könnte es sein, dass der PNV nun den Druck auf Pedro Sanchez erhöht, mit dem Ziel, ein neues Autonomiestatut für das Baskenland auszuhandeln.
Das wiederum könnte die Katalanen anstacheln. Sie blicken schon länger mit Neid auf die steuerliche Eigenständigkeit, über die die Basken aus historischen Gründen als einzige Autonomieregion Spaniens verfügen.
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