Niko Schultz-Süchting, Partner der Kanzlei Freshfields, berät seit Langem im Immobilienwirtschaftsrecht.
Als Anwalt beraten Sie zu Immobilieninvestitionen. Haben Sie in dem Branchenabschwung jetzt weniger zu tun?
Es passiert immer noch eine Menge, wenn auch im klassischen Investmentmarkt nicht mehr so viel wie vor zwei Jahren. Damals haben institutionelle Investoren frisches Geld in Immobilien investiert für eine Rendite von 3 oder 4 Prozent. Das sehen wir heute selten. Wenn Sie auf dem Sparkonto der Sparkasse 4 Prozent bekommen oder für eine Staatsanleihe aus dem Euroraum fast 5 Prozent, muss eine Immobilie höher verzinslich sein. Denn Sie müssen auch noch einen Risikoaufschlag für immobilientypische Themen einpreisen, also für einen Architekten, für Techniker, für das Mietausfallwagnis, für den Aufwand eines Mieterwechsels. Deswegen ist das Preisniveau für Immobilien deutlich gesunken. In Deutschland dauert es noch, bis das alle begreifen. Anwälte müssen und können sich daher derzeit vielen anderen spannenden Themen rund um die Immobilie zuwenden.
Immer noch verlangen Verkäufer einen höheren Preis, als Käufer zahlen wollen?
Ja. Jedenfalls testen viele Verkäufer weiter einen höheren Preis. Aber wenn Sie als Verkäufer keinen Verkaufsdruck spüren, warum sollen Sie unter einem Preis in Höhen des 25-Fachen der Jahresmiete verkaufen – zumal wenn Sie das Haus vor drei Jahren selbst etwa zum 32-Fachen der Jahresmiete gekauft haben? Sollten Sie zusätzlich nicht wissen, was Sie mit dem Geld aus einem Verkauf sinnvoll machen sollen, warten Sie lieber ab und verkaufen im aktuellen Preisniveau nicht. Die Banken üben im Einzelfall Verkaufsdruck auf Verkäufer aus, aber nach unserer Wahrnehmung nicht auf breiter Front.
Erwarten Sie, dass das mehr passiert?
Ja. Ich hätte das schon früher erwartet. Aber das ist bislang nicht passiert. Aus juristischer Sicht sollten zwei Aspekte die Immobilienmarkteilnehmer motivieren, Preisverluste zügig zu realisieren, in den Bilanzen richtig abzubilden und entsprechend zu handeln: die gesetzlichen Vorgaben der Bankenregulierung nach den internationalen Basel-Regeln und das deutsche Insolvenzrecht. Gerade das deutsche Insolvenzrecht verlangt sehr deutlich, dass ein Marktteilnehmer ein anderes Unternehmen im Todeskampf nicht stützen darf, wenn dies die Insolvenz nur hinausschiebt. Wer mit einem anderen Unternehmen ein Geschäft macht, muss also überzeugt sein, dass dieses langfristig auf eigenen Füßen stehen kann. Liegt diese Überzeugung nicht vor, ist eine Hilfe zur Verlängerung des Todeskampfes nicht erlaubt.
Was folgt daraus konkret?
Diese beiden Aspekte müssten eigentlich dazu führen, dass Wertverluste schneller abgebildet werden und Unternehmen, deren Geschäftsmodell im aktuellen Marktumfeld verlustbringend ist, schnell vom Markt verschwinden. Aber die Realität sieht anders aus. Viele Bewertungen liegen aktuell zu hoch und bilden die Krise noch nicht richtig ab. Das Argument hinter einer mangelnden Wertberichtigung lautet häufig, dass bei der Bewertung der langfristige Ertrag und der nachhaltige Wert zählen, die in einer Marktphase wie der gegenwärtigen höher liegen können als der Preis, der aktuell am Markt erzielbar ist: Nur weil zurzeit ein Objekt nicht verkäuflich ist, muss nicht ausgeschlossen sein, dass es später wieder zu einem höheren Wert verkäuflich wird. Welche Bewertung ist also richtig? Die Schwierigkeiten kennen wir auch aus anderen Branchen: In Hamburg etwa galten Schiffskredite vor zehn Jahren als überbewertet und krisenbelastet. Inhaber von Schiffskrediten erwarteten Verluste. Aber zehn Jahre später sieht die Realität anders aus, und viele Schiffskredite konnten am Ende ihrer Laufzeit vollständig zurückgezahlt werden. Das Beispiel zeigt: Kurzfristige Bewertungen können falschliegen.
Wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, um zu kaufen oder zu verkaufen?
Einige Investitionen sind nach wie vor grundsolide. Wer ein Gebäude an einen großen Logistikkonzern langfristig vermietet hat, wird mit einer Rendite von 5 Prozent vermutlich seine Freude haben. Ähnlich sieht es für ein vernünftiges Wohnhaus und schicke Büros aus, die langfristig vermietet sind. Anders ist die Situation aber zum Beispiel bei einem leer stehenden Gebäude vor den Toren der Stadt ohne Nutzer und ohne Baurecht für eine sinnvolle Umnutzung. Das Gebäude wird zurzeit zu einem auch nur als halbwegs angemessen empfundenen Preis nicht verkauft werden können.
Einige Baustellen stehen still – wie der Bau des Elbtowers in Hamburg. Deren Entwickler, die Signa-Gruppe, hat mehrere Insolvenzanträge gestellt. Wie verfolgen Sie das?
Zu Signa können wir uns nicht äußern. Das ist sicherlich komplex. Generell verfolgen wir aber das Schicksal vieler anderer Projektentwickler mit großem Interesse und Verständnis für die Schwierigkeiten. Wir begleiten eine Reihe von Projektentwicklungen aus Sicht unterschiedlicher Beteiligter. Wenn die Bauzeiten länger werden, die Baukosten steigen, die Zinsen der Baufinanzierung auch, wenn die Verkaufspreise sinken und sich partiell dann auch noch das Interesse der Nutzer reduziert, wird es für viele Projektentwicklungen wirtschaftlich schon sehr eng.
Das Gespräch führte Jan Hauser.
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