Ein Habsburger als Kaiser von Mexiko: Vor 160 Jahren begann ein tragisches Experiment

ein habsburger als kaiser von mexiko: vor 160 jahren begann ein tragisches experiment

Maximilian zögerte lange, Kaiser von Mexiko zu werden. Er verstand sich als aufgeklärter Herrscher und wollte nicht gegen das mexikanische Volk regieren (Foto um 1864). Bridgeman / Getty

Ende Mai 1864 erreichte das junge Kaiserpaar auf seiner Lieblingsfregatte «Novara» nach 44-tägiger Reise über den Atlantik die düstere mexikanische Hafenstadt Veracruz. Maximilian, der Bruder des österreichischen Kaisers Franz Joseph, und Carlota, die Tochter des belgischen Königs Leopold I., hatten am 10. April 1864 auf ihrem Schloss Miramare bei Triest in Anwesenheit einer mexikanischen Delegation eingewilligt, das Aztekenland als Monarchen zu regieren.

Die erste Begegnung mit ihrer neuen Heimat muss trist gewesen sein. In Veracruz war fast niemand auf der Strasse. Gelbfieber und Malaria wüteten in der Region, und Überfälle von Guerillagruppen waren an der Tagesordnung. Der 31-jährige Maximilian und die 23-jährige Carlota mussten sich mit einer einfachen Empfangszeremonie begnügen, bevor sie den beschwerlichen Landweg nach Mexiko-Stadt, der Hauptstadt ihres neuen Reiches, in Angriff nahmen. Das erste Viertel der rund 400 Kilometer langen Strecke legten sie mit einer einfachen Militäreisenbahn zurück, doch dann ging es per Kutsche über Stock und Stein hinauf zur mexikanischen Hauptstadt auf 2200 Metern über Meer.

Ein langer Konvoi von Kutschen bewegte sich mit dem Kaiserpaar auf das Hochland. Rund achtzig Personen aus Europa begleiteten die beiden: Aristokraten, Hofdamen, Bedienungspersonal und sogar der Dirigent von Maximilians Orchester. Dazu mussten nicht weniger als fünfhundert Gepäckstücke transportiert werden. Geschützt wurde der Konvoi, der nach dreizehn Tagen Mexiko-Stadt erreichte, durch französische Soldaten. Doch wie waren Maximilian und Carlota überhaupt zu ihrem Reich gekommen?

ein habsburger als kaiser von mexiko: vor 160 jahren begann ein tragisches experiment

Am 10. April 1864 unterzeichnete Maximilian auf Schloss Miramare bei Triest gegenüber einer mexikanischen Delegation die Urkunde, die ihn zum Kaiser von Mexiko machte. Vier Tage später reiste er mit seiner Gattin Carlota ;in sein Kaiserreich (im Boot ganz rechts). Gemälde von Cesare dell’Acqua. De Agostini / Getty

Ein Projekt von Napoleon III.

Nachdem es 1821 von Spanien unabhängig geworden war, erlebte Mexiko eine jahrzehntelange Phase der Instabilität. Konservative und liberale Kräfte kämpften um die Vorherrschaft. Im Bürgerkrieg von 1858 bis 1861 setzte sich der liberale Präsident Benito Juárez durch. Er unterstellte die Armee der zivilen Kontrolle, beschnitt die Macht der Kirche, enteignete ihre Ländereien und führte grundlegende Bürgerrechte ein. Doch die unterlegenen konservativen Kräfte gaben nicht auf und hofften, mit Unterstützung der europäischen Monarchien die alte Ordnung wieder herstellen zu können.

Ein Vorwand für eine europäische militärische Intervention ergab sich, als Benito Juárez im Juni 1861 den Schuldendienst gegenüber den Gläubigern auf dem alten Kontinent einstellte. Während England und Spanien einfach ihre finanziellen Ansprüche sicherstellen wollten, erkannte der französische Kaiser Napoleon III. die Chance, mit einem Feldzug nach Mexiko und der Einrichtung eines Vasallenstaates seine Macht auszudehnen und mit dem mexikanischen Reichtum an Edelmetallen seine Staatskasse aufzufüllen. Konservative ehemalige mexikanische Diplomaten in Europa hatten zuvor Napoleon über seine spanischstämmige Gattin Eugénie kontaktiert und um Unterstützung bei der Errichtung einer Monarchie in Mexiko gebeten.

Der Zeitpunkt für eine militärische Intervention war gut, denn die Vereinigten Staaten – der potenzielle Verbündete von Präsident Juárez gegen die imperialistischen Pläne Frankreichs – waren durch den im selben Jahr ausgebrochenen Sezessionskrieg geschwächt. Die USA waren deshalb nicht in der Lage, die Monroe-Doktrin von 1823 durchzusetzen, die den europäischen Mächten ein neues Ausgreifen auf den amerikanischen Kontinent untersagte.

Napoleons Vision war die Errichtung eines Kaiserreichs in Mexiko mit einem Monarchen aus einer führenden europäischen Adelsfamilie an der Spitze. Französische Truppen sollten Mexiko-Stadt erobern und das Reich militärisch absichern. Der mexikanische Kaiser sollte die französischen Dienste mit hohen Zahlungen abgelten. Die Wahl Napoleons und der mexikanischen Konservativen fiel auf Maximilian, dem sie als Vertreter der mächtigen Habsburger und als Nachkommen von Karl V. besondere Legitimität zuschrieben. Denn unter diesem Vorfahren, dem König von Spanien, war Mexiko einst von Hernán Cortés erobert worden.

Im Dezember 1861 landeten französische Truppen in Veracruz zusammen mit Kontingenten aus England und Spanien. Die letzten beiden Nationen zogen sich aber bald wieder zurück, nachdem Napoleons wahre Absichten klargeworden waren. Die Franzosen zogen weiter Richtung Mexiko-Stadt, kamen aber langsamer voran, als Napoleon erwartet hatte. Am 5. Mai 1862 erlitten sie vor Mexikos zweitwichtigster Staat Puebla eine schwere Niederlage durch die Armee von Benito Juárez – ein Sieg, der in Mexiko bis heute jedes Jahr gefeiert wird. Im folgenden Jahr gelang es den Franzosen doch, Puebla einzunehmen, und im Juni 1863, in Mexiko-Stadt einzuziehen.

Maximilian zögerte lange, ob er die ihm schon vor der Eroberung angebotene Krone annehmen solle. Erst nachdem ihm Napoleon versprochen hatte, ihn so lange wie nötig mit Truppen und Krediten zu unterstützen – und auf Drängen seiner Gattin Carlota –, willigte er schliesslich ein.

Schmale Machtbasis von Maximilian

Maximilian und Carlota begannen in Mexiko-Stadt ein Hofleben im europäischen Stil. Statt die Residenz der mexikanischen Präsidenten im Nationalpalast zu beziehen, zogen sie ins Schloss Chapultepec, das einst für die spanischen Vizekönige errichtet worden war. Auf einem Hügel im Stadtpark gelegen, bot es eine wunderbare Aussicht über die Hauptstadt bis zu den Vulkanen Popocatéptl und Iztaccíhuatl. Mit europäischen Baumaterialien und Möbeln bauten sie es zu einer Luxusresidenz aus. Die wichtigsten Räume des Kaiserpaares können bis heute besichtigt werden.

Während sich Maximilian Regierungsgeschäften widmete und lange Reisen ins Hinterland unternahm, führte Carlota ein aufwendiges Gesellschaftsleben mit Empfängen und kulturellen Veranstaltungen. Doch Maximilian stellte sich als wenig begnadeter Herrscher heraus. Er konnte schlecht mit Geld umgehen und interessierte sich mehr für die Ausstattung des Schlosses und seiner Bibliothek als dafür, seine Macht in Mexiko zu festigen. «Nichts Ernsthaftes wird unternommen», meldete ein französischer Diplomat nach Paris, «zwar werden jeden Tag neue Dekrete publiziert, doch keines wird wirklich umgesetzt.»

Es gelang Maximilian nicht, sein Kaiserreich auf eigene Füsse zu stellen und sich aus der Abhängigkeit von Frankreich zu lösen. Dazu hätte er die mexikanischen Staatsfinanzen in Ordnung bringen und eine starke mexikanische Armee aufstellen müssen. Doch er blieb abhängig von französischen Krediten und immer neuen Truppenkontingenten aus Frankreich.

Maximilian verstand sich als aufgeklärter Herrscher und wollte nicht gegen das mexikanische Volk regieren. Jene mexikanischen Kräfte, die ihn unterstützten – konservative Verfechter einer oligarchischen Ordnung und die katholische Kirche –, waren ihm eigentlich ein Graus. Indem er sich von ihnen abwendete und die antiklerikalen Reformen von Benito Juárez zu unterstützen begann, untergrub er die einheimischen Stützen seiner Herrschaft.

Weite Teile Mexikos waren ohnehin nie unter seiner Kontrolle gewesen. Bei seiner Ankunft kontrollierten die französischen Truppen und ihre mexikanischen Unterstützer nur einen engen Landstreifen von Veracruz über Puebla bis nach Mexiko-Stadt. Zwar gelang es den Franzosen danach, die Truppen von Benito Juárez bis nach El Paso del Norte (heute Ciudad Juárez) an die amerikanische Grenze zurückzudrängen. Doch vor allem im Westen und Süden des Landes beherrschten weiterhin die Guerillakämpfer des verfassungsmässigen Präsidenten grosse Landstriche. Die Truppen von Maximilian eroberten zwar immer wieder wichtige Städte, aber es fehlte ihnen die Stärke, sie über längere Zeit zu halten.

Die europäischen Unterstützer lassen den Kaiser im Stich

Nachdem Napoleon III. noch Anfang 1865 erklärt hatte, das Kaiserreich in Mexiko sei gefestigt und das Land befriedet, informierte er Maximilian nur ein Jahr später, dass dieser keine weitere finanzielle und militärische Hilfe von Frankreich mehr erwarten dürfe und die französischen Truppen 1867 abgezogen würden. Unverblümt riet er Maximilian abzudanken. Dieser sah sich von den europäischen Monarchien im Stich gelassen, nachdem auch Österreich und Belgien weitere Hilfe abgelehnt hatten.

Ohne europäische Unterstützung war die Existenz des mexikanischen Kaiserreiches akut gefährdet. Doch Maximilian und Carlota wollten nicht glauben, dass ihr Freund Napoleon bereit war, sie einfach fallenzulassen. So beschloss Carlota, persönlich nach Paris zu reisen, um Napoleon umzustimmen. Am 9. Juli 1866 verliess sie Maximilian und Mexiko-Stadt. Sie sollte beide nie wiedersehen.

Die geopolitische Lage hatte sich seit Sommer 1865 gegen Maximilian gewendet. Mit dem Ende des amerikanischen Sezessionskrieges im Juni 1865 waren die USA wieder in der Lage, ihre aus der Monroe-Doktrin abgeleiteten Ansprüche gegen Napoleon III. durchzusetzen. Waffen und ausgemusterte Soldaten aus den USA verstärkten die Truppen von Benito Juárez. Washington drohte dem französischen Kaiser mit Krieg, falls er sich nicht aus Mexiko zurückziehe. Gleichzeitig wurde in Europa das aufstrebende Preussen unter Bismarck zunehmend zu einer Gefahr für Frankreich, besonders nach dem preussischen Sieg über Österreich im Sommer 1866. Das waren Gründe genug für Napoleon, das kostspielige Abenteuer in Mexiko abzubrechen.

Carlota konnte Napoleon in Paris nicht umstimmen. Als sie merkte, dass dies das Ende ihres kaiserlichen Lebenstraumes bedeutete, begann sich ihr Geisteszustand zu trüben. Sie litt an Angstzuständen und Verfolgungswahn und musste sich in psychiatrische Pflege begeben. An eine Rückkehr nach Mexiko war nicht mehr zu denken.

In Mexiko-Stadt rang Maximilian derweil mit der Frage, ob er abdanken solle. Von der amerikanischen Grenze stiess Benito Juárez langsam nach Süden Richtung Hauptstadt vor, während die französischen Truppen ihren Abzug begannen. Sie legten den 1. Februar 1867 als Frist fest, bis zu der sie den verbliebenen Europäern sicheres Geleit nach Veracruz garantierten. Doch Maximilian liess das Datum verstreichen. Ein Habsburger kämpfe bis zum Schluss und verlasse nicht auf diese Weise seinen Thron, erklärte er.

Im Stich gelassen von den Europäern, betrachtete Maximilian sich jetzt als Mexikaner. Er wollte sein Kaiserreich so lange verteidigen, bis ein nationaler Kongress über die Zukunft Mexikos entscheiden würde. Er, der nie in einer Armee gekämpft hatte, setzte sich an die Spitze der verbliebenen mexikanischen Soldaten und Freiwilligen. Seine Armee erwartete die Truppen von Benito Juárez in der Stadt Querétaro rund 200 Kilometer nördlich von Mexiko-Stadt. Dort kam es zur Entscheidungsschlacht. Rund 40 000 Soldaten von Juárez belagerten die 9000 Mann von Maximilian. Am 15. Mai 1867 fiel die Stadt, und Maximilian wurde gefangen genommen. Damit war das Kaiserreich definitiv gescheitert.

Ein Ende mit Schrecken

Maximilian wurde in einem zweitägigen Prozess vor Kriegsgericht zum Tode verurteilt. Das Urteil gründete auf einem Gesetz von Benito Juárez von 1862, das für alle Unterstützer der französischen Invasion den Tod anordnete. Am 19. Juni 1867 wurde der Kaiser zusammen mit zwei seiner Generäle in Querétaro von einem Erschiessungskommando hingerichtet. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: «Lang lebe Mexiko, lang lebe die Unabhängigkeit.» So stark hatte er sich inzwischen mit Mexiko identifiziert.

Carlota überlebte ihren Gatten um fast sechzig Jahre. Doch sie erholte sich nie vom Schock des Untergangs ihres Reiches. Phasen geistiger Klarheit wechselten ab mit Momenten völliger Verwirrung. Sie starb am 19. Januar 1927 auf Schloss Bouchout in Belgien.

ein habsburger als kaiser von mexiko: vor 160 jahren begann ein tragisches experiment

Maximilian und zwei seiner Generäle werden von einem Erschiessungskommando hingerichtet (Ölgemälde von Odilon Rios). ; De Agostini / Getty

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