Wird US-Inflation wieder zum Non-Event? Fünf Themen des Tages

(Bloomberg) — Jan-Patrick Barnert über nicht überraschende Überraschungen. — Abonnieren Sie unseren Newsletter Fünf Themen des Tages täglich direkt in ihre Mailbox.

Warten auf das My

Im vergangen Jahr war die Kursreaktion an den Aktienmärkten im Anschluss an die Veröffentlichung der US-Inflationsdaten eher verhalten — im Schnitt gab es nur eine Änderung von 0,6% beim Leitindex S&P 500. Heute könnte das durchaus anders sein — und zwar in beide Richtungen —, obwohl keine große Überraschung bei der Preisentwicklung erwartet wird. Gründe sind die Positionierung der Investoren und die Tatsache, dass die Börsenindizes in Europa und den USA nahe Höchstständen stehen.

wird us-inflation wieder zum non-event? fünf themen des tages

Überwiegend ruhig nach US-Inflationszahlen | Tabelle zeigt S&P 500 Kursbewegung am Tag der Veröffentlichung

Ökonomen erwarten einen weiteren deutlichen Rückgang der US-Inflation im Januar auf nur noch 2,9% und damit nur noch ein winziges Stück von der 2%-Zielmarke entfernt. Jedes My näher dran dürfte der bullischen Stimmung neuen Aufschwung geben. Diese Reaktion dominierte in jüngster Vergangenheit, nachdem die Inflationsdaten bis auf wenige Ausnahmen überwiegend positiv zu überraschen vermochten.

Und während derzeit nur wenig die Euphorie über künstliche Intelligenz, gute makroökonomische Daten und weiterhin stabile Unternehmensbilanzen trüben kann, dürften negative Überraschungen diese Woche schnell zu einem flotten Abverkauf führen, wenn sich Gewinnmitnahmen, kurzfristige Trades gegen das aktuelle Aufwärtsmomentum und der anstehende Optionsverfall gegen den Aufwärtstrend verschwören.

Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Rainer Bürgin, Boris Groendahl, Verena Sepp und Alexander Kell: Mistgabel-Internationale, Wafer-Geschäft lahmt, allenthalben Lockerungswetten, Baustopp, und blutiges Patt.

Mistgabel-Internationale

Bauernproteste sind schon immer ein wohlbekannter Teil der politischen Folklore im Nachbarland Frankreich, doch die jüngsten Demonstrationen der deutschen Landwirte sind in Umfang und Härte ungewohnt. Auch über Europa hinaus wird die Landwirtschaft zum zentralen Schlachtfeld der Politik, mit ungewissen Folgen in dem weltweiten Superwahljahr mit Abstimmungen in der EU, Indien, den USA und Dutzenden weiterer Länder. Während die Regierenden darum ringen, die Proteste der Bauern im Zaum zu halten, versuchen ihre Gegner — von Donald Trump bis zur AfD in Deutschland und Marine Le Pen in Frankreich — den Zorn der Landwirte für sich zu vereinnahmen. Die Scharmützel sind Teil eines größeren Kulturkrieges, in dem es vor allem um wirtschaftliche und soziale Umwälzungen als Reaktion auf den Klimawandel geht. In Indien legen Demonstrationen von Kleinbauern am heutigen Dienstag die Hauptstadt Neu-Delhi lahm.

Wafer-Geschäft lahmt

Hohe Lagerbestände bei Chipherstellern haben das Siltronic-Management veranlasst, eine deutlich schwächer als erwartete Jahresprognose abzugeben. Die Aktien des Wafer-Herstellers mit Sitz in München stürzten um bis zu 10% ab und notierten zuletzt noch um 7,8% im Minus. In anderen Wirtschaftssparten läuft das Geschäft besser. Norma, der Maintaler Hersteller von Schlauchschellen und anderen Verbindungslösungen, hat im Geschäftsjahr mehr verdient als erwartet, die Aktien gewinnen 5,0%. In der Schweiz schießen Basilea um 9,2% nach oben, nachdem das Pharmaunternehmen seine Prognosen für 2024 erhöht hat. Hier spielt auch die Erwartung einer FDA-Zulassung des Antibiotikums Zevtera eine Rolle. Tui meldete einen Anstieg der Kundenzahl um 6% auf 3,5 Millionen und einen höher als erwarteten Betriebsgewinn, was auf steigende Urlaubslust hindeutet. An der Frankfurter Börse geht es um 0,97% nach oben. Ob das parallele Listing in London beibehalten werden soll, ist Entscheidungsgegenstand auf der heutigen Hauptversammlung der Hannoveraner. Das Management will den Handel in Frankfurt konzentrieren. Für die London Stock Exchange, von der sich auch andere Unternehmen abwenden wollen, wäre das ein Rückschlag.

Allenthalben Lockerungswetten

Wer glaubt, dass der Geldmarkt insgesamt zu optimistisch sei, was EZB-Zinssenkungen angeht, sollte sich die Wette eines Ausreißers ansehen. Der unbekannte Händler hat mit Optionen auf den Dreimonats-Euribor eine Position aufgebaut, die auf eine doppelt so starke Lockerung setzt wie der Durchschnitt. Die Wette wird ausbezahlt, wenn die EZB den Einlagensatz bis Juni um 75 Basispunkte auf 3,25 Prozent senkt. Zinsswaps implizieren derzeit eine Zinssenkung um nur anderthalb Viertelpunkte. Offensichtlich bestimmen Lockerungshoffnungen derzeit die Sicht der Investoren auf die Erholung der deutschen Konjunktur, wie der ZEW-Erwartungsindex zeigt, der stärker als erwartet zugelegt hat. Mehr als zwei Drittel der Befragten gingen davon aus, “dass die EZB angesichts sinkender Inflationsraten in den kommenden sechs Monaten Zinssenkungen vornimmt”, so ZEW-Präsident Achim Wambach. Die konjunkturelle Lageeinschätzung liegt indes auf dem tiefsten Stand seit Juni 2020. In der Schweiz bietet eine stärker als erwartete Abkühlung der Inflation auf 1,3% der SNB die Gelegenheit, früher als erwartet mit der Lockerung zu beginnen. Die Stärke des Frankens schützt vor importierter Inflation.

Baustopp

Eigentlich war es das Ziel der Ampel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Stattdessen fehlen in Deutschland aktuell bereits mehr als 500.000 — und die Lücke scheint noch größer zu werden. Wegen fehlender Aufträge und Stornierungen hat die Stimmung unter den deutschen Bauherren im Januar den niedrigsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1991 erreicht. Der Blick in die Zukunft ist auch nicht gerade besser. Die vom Ifo-Institut ermittelten Geschäftserwartungen sanken von minus 64,7 Punkten auf minus 68,9 Punkte. Zwar gab es weniger Stornierungen und der Anteil der Unternehmen, die über Auftragsmangel klagten, ging zurück. Aber: “Von einer Trendwende im Wohnungsbau kann noch nicht gesprochen werden”, resümiert Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe. Hohe Zinsen und Baukosten belasteten weiter. Ein Rekordtief erreichten auch die Preise für deutsche Gewerbeimmobilien, die zusätzlich zum Zinsdruck unter der Flucht ins Homeoffice leiden. Zurück ins Büro: für viele undenkbar.

Blutiges Patt

In die Diskussion um ein neues Multimilliarden-US-Paket für die Ukraine hat sich Elon Musk mit dem Argument einschaltet, Russlands Präsident Wladimir Putin werde den Krieg auf keinen Fall verlieren. “Wenn er einen Rückzieher macht, wird er ermordet. Und diejenigen, die einen Regimewechsel in Russland wollen, sollten darüber nachdenken, wer die Person ist, die Putin stürzen könnte. Wird so jemand auf Frieden aus sein?” Musk betonte, mit seinem Satellitendienst Starlink zu denen größten Unterstützern der Ukraine zu gehören. Die Ukraine behauptet, auch ihr Gegner nutze den Dienst. In der Diskussionsrunde auf der Kurznachrichtenplattform X merkte der republikanische Senatsabgeordnete Ron Johnson an, Russland könne 4,5 Millionen Artilleriegranaten pro Jahr produzieren, die USA nicht einmal 1 Million. “Mit jedem Tag, an dem der Krieg weitergeht, sterben mehr Ukrainer.” Es mache keinen Sinn, $60 Milliarden als “zusätzliches Öl in die Flammen eines blutiges Patts” zu gießen. Präsident Wolodymyr Selenskyj will in dieser Woche in Europas Hauptstädten um neue Gelder werben. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte gewarnt, ein russischer Sieg würde das Gesicht Europas dramatisch wandeln.

Was sonst noch so passiert ist

Wachsende AuslandsbankenChina-ProtesteWaffenstillstands-Vorschlag

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