Wie der Guide-Michelin-Chef auf Kritik an der Feinschmecker-Bibel reagiert

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Gwendal Poullennec (44) ist seit 2018 internationaler Direktor des Guide Michelin.

Der Mann, vor dem Wirte auf der ganzen Welt erzittern, ist nicht leicht aus der Reserve zu locken. Gwendal Poullennec ist internationaler Direktor des einflussreichen Guide Michelin, Abgänger einer französischen Elite-Hochschule und aalglatter Manager. Der 44-Jährige mit dem klingenden bretonischen Namen spricht in langen, vorgefertigt wirkenden Sätzen und holt gerne weit aus. Dabei bleibt er stets sachlich, höflich und distanziert. Die Namen der Konkurrenz erwähnt er niemals, jene von Restaurants oder Küchenchefs nur, wenn er muss. Interviews gibt er ungern, eine Ausnahme für den Standard macht er anlässlich des geplanten Erscheinens einer Österreich-Ausgabe seines Restaurantführers im Jänner 2025.

STANDARD: Einen Guide Michelin Österreich gab es schon einmal, allerdings wurde er im Jahr 2009 wegen einer zu geringen Anzahl an verkauften Exemplaren eingestellt. Inzwischen hat sich die Welt verändert – und der Guide mit ihr. Anstatt aus dem Buchverkauf finanzieren Sie sich nun durch Partnerschaften und Sponsorships. Stimmt das so?

Poullennec: Also um das Ganze in den richtigen Kontext zu setzen, muss man erwähnen, dass wir bereits 1983 die Stadt Wien und ab 1986 auch Salzburg im Guide “Main Cities in Europe” aufgenommen hatten.

[…] In der Folge spricht Poullennec sehr ausschweifend über Strategien des Michelin und wie sie im Laufe der Jahre verändert und angepasst wurden. […]

Poullennec: Außerdem muss man sagen, dass sich die Qualität der österreichischen Gastronomie seit damals deutlich verbessert hat.

STANDARD: Gut möglich. Allerdings wurde der Österreich-Guide ja nicht deswegen eingestellt, weil die Qualität nicht passte.

Poullennec: Nein, sondern zum einen, weil wir uns damals mehr auf Städte als auf Gebiete und Länder konzentrieren wollten. Und zum anderen, weil wir gerade dabei waren, unsere Strategie umzustellen von der gedruckten Ausgabe auf eine digitale Präsenz, die es einer weit größeren Anzahl von Reisenden ermöglicht, unseren Empfehlungen zu folgen.

STANDARD: Auf Ihrer Website kann man lesen, dass die neue Partnerschaft mit der Österreich Werbung sowie mit acht Bundesländer-Tourismusorganisationen abgeschlossen wurde. Wien ist da nicht dabei. Vermutlich, weil die Stadt sowieso schon in der Europa-Ausgabe bewertet wird und sich das Geld sparen will. Ärgert Sie das nicht? Und wird es Auswirkungen haben auf die Bewertungen in Wien?

Poullennec: Das ist etwas, das ich nicht kommentieren will. Ich kann Ihnen aber versichern, dass unsere Partnerschaften nicht die geringsten Auswirkungen auf die Auswahl der Restaurants haben. Einzig und allein dienen sie dazu, die Kommunikation zu verstärken und den Regionen damit zusätzliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Bewertungen bleiben in jedem Fall völlig unabhängig.

STANDARD: Verstanden. Allerdings gibt es Länder, in denen ein Guide ohne Partnerschaften erscheint. Ich denke da natürlich an Frankreich, aber auch an Deutschland. Wovon hängt es ab, ob ein Land bezahlen muss oder nicht?

Poullennec: Unsere Inspektoren sind allesamt Profis, die ihre Konsumationen bezahlen. Die Rechnungen, Bewertungen, Gehälter, die Kommunikation, all das ist sehr kostenaufwendig – und Michelin eine private Firma. Daher müssen wir für jedes Land eine individuelle Lösung zur Finanzierung finden.

[…] Poullennec listet nun etliche Länder auf, in denen es Partnerschaften in irgend­einer Form gibt. Darunter auch Frankreich, wo die Region Touraine die Galaveranstaltung zur Präsentation des Guides im vergangenen März mitfinanzierte. Das ist allerdings etwas ganz anderes, denn dafür, dass der Michelin überhaupt erscheint, bezahlen die Franzosen im Unterschied etwa zu den Österreichern freilich nicht. […]

STANDARD: In Österreich erscheinen bereits mehrere Restaurant-Guides. Manche Herausgeber sind der Meinung, dass es einer Wettbewerbsverzerrung gleichkommt, wenn Sie als einziger öffentliche Gelder erhalten. Was antworten Sie ihnen?

Poullennec: Auch hier werde ich die Entscheidungen unsere Partner nicht kommentieren. Aber es scheint mir klar, dass es ihnen ja nicht um den Guide allein geht, sondern viel mehr um den Michelin als Instrument, mit dem sie für ihre Region weltweite Aufmerksamkeit erzielen können.

STANDARD: Wie sieht es mit den Inspektoren aus? Wer wird die österreichischen Restaurants testen?

Poullennec: Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass unserer Inspektoren aus 25 Nationen stammen, alle dieselbe Ausbildung und Kompetenz haben und alle überall auf der Welt zum Einsatz kommen können.

STANDARD: In Wien erhielt das Restaurant Amador schon drei Jahre nach seiner Eröffnung drei Sterne. Daneben gibt es Restaurants wie das Steirer­eck, die nur zwei Sterne haben, obwohl sie seit Jahrzehnten zur Steigerung der qualita­tiven Lebensmittelerzeugung im Land beitragen. Sollte nicht auch diese Leistung in Ihrem Bewertungssystem berücksichtigt werden?

Poullennec: Die Qualität unserer Empfehlung muss auf der ganzen Welt dieselbe sein. Und da geht es um die Qualität auf dem Teller. In Betracht gezogen werden dabei fünf Kriterien: die Qualität der Zutaten, die Beherrschung der Techniken, die Harmonie der Kompositionen und der Aromen, der Ausdruck der Persönlichkeit des Küchenchefs in den Gerichten sowie die Konstanz. Allerdings gibt es für das, was Sie meinen, seit 2020 auch den grünen Stern, der an Restaurants verliehen wird, die nachhaltig und umweltfreundlich arbeiten.

STANDARD: Ich meinte zwar eher den Beitrag zur Qualität als jenen zur Nachhaltigkeit, aber lassen Sie uns über den grünen Stern sprechen. Da ist nicht ganz klar, wofür und wie der vergeben wird. Nachhaltigkeit und Umwelt sind sehr komplexe Themen. Erhalten Ihre Tester eine spezielle Ausbildung auf dem Gebiet? Sie können ja auch nicht in die Küchen oder Mülleimer schauen, ohne Ihre Identität preiszugeben. Wie wollen Sie da Urteile fällen?

Poullennec: Sie haben recht: Es ist ein sehr komplexes Thema. Auch gibt es vonseiten der Restaurants unterschiedlich Zugänge.

[…] Hier zählt der Direktor so gut wie alles auf, was ein Speiselokal für Nachhaltigkeit und Umwelt tun kann – von Abfallvermeidung über Energiesparmaßnahmen und lokalen Einkauf bis hin zum eigenen Gemüsegarten, geht dabei aber mit keinem Wort darauf ein, wie das kontrolliert und beurteilt wird und wieso seine von einem Reifenkonzern bezahlten Profi-Gourmettester dazu qualifiziert sein sollten. […]

Poullennec: Es braucht da viel Zusammenarbeit zwischen den Testern, um gemeinsam eine Entscheidung zu treffen. Das Bemühen um Nachhaltigkeit muss für den Gast spürbar sein. Dafür steht der grüne Stern.

STANDARD: In den letzten Jahren ist mit den sozialen Netzwerken und mit digitalen Bewertungsplattformen eine gewaltige Konkurrenz herangewachsen. Befürchten Sie nicht, dass Reichweite und Einfluss des Guides früher oder später abnehmen und er irgendwann nur noch in der Branche selbst eine Rolle spielt, während sich Reisende anderswo informieren? Es gibt Studien, die das so sehen.

Poullennec: Unsere Zahlen sagen etwas ganz anderes. Die Zahl der Zugriffe auf unsere Homepage wächst ständig, unsere App wurde millionenfach heruntergeladen, auf unseren sozialen Netzwerken finden spannende Diskussionen statt. Der Guide Michelin listet alle möglichen Kategorien von Restaurants und erreicht auch junge Leute. Die erwähnten Internetseiten richten sich nicht an dasselbe Publikum. Jenes des Michelin besteht aus Hedonisten und Genussmenschen, denen es um Qualität geht, die sich Zeit nehmen, um eine Destination zu erleben. Und die auch bereit sind, etwas mehr Geld dafür auszugeben. Wir haben festgestellt, dass überall dort, wo wir bewerten, die Qualität der Restaurants steigt, das wiederum hat positive Auswirkungen auf das Prestige der Region, aber auch auf den Arbeitsmarkt und auf die lokale Lebensmittelproduktion. Positive Auswirkungen, wie sie in diesem Ausmaß einzig und allein der Michelin bieten kann. (Georges Desrues, 13.4.2024)

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