Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Finanzierung homöopathischer Behandlungen durch gesetzliche Kassen streichen – damit stößt er auf teils heftige Kritik.
„Eine Streichung der freiwilligen Kassenleistung Homöopathie würde das Therapieangebot in der ärztlichen Versorgung einschränken“, sagte die Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, Michaela Geiger, der dpa. „Es würde eine therapeutische Monokultur in den Praxen entstehen – die Leidtragenden wären die Patienten“, sagte die Neckarsulmer Hausärztin. „Wir erleben täglich in der Praxis, dass die Therapievielfalt medizinisch sinnvoll ist.“
Homöopathie werde von ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen begleitend zur konventionellen Medizin eingesetzt, sagte Geiger. „Viele Patientinnen und Patienten kommen ganz gezielt wegen der Homöopathie in unsere Arztpraxen, vor allem auch bei chronischen Erkrankungen.“ Die Satzungsleistung sei wichtig, denn nur so erhalten Patienten die ärztliche Homöopathie auf Chipkarte. „Zusatzversicherungen kosten Geld, das können sich nicht alle Patienten leisten – Homöopathie aber ist versorgungsrelevant.“
Lauterbach hatte angekündigt, die Finanzierung von Globuli und anderen homöopathischen Behandlungen durch gesetzliche Krankenkassen streichen zu wollen. Heute können Kassen solche Mittel als Satzungsleistungen anbieten. Das sind Angebote, die eine Kasse zusätzlich zu den vorgeschriebenen Leistungen gewähren kann. Lauterbach hatte am Donnerstag gesagt: „Die Homöopathie ist eine Leistung, die keinen medizinischen Nutzen auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sachstandes erbringt.“
Lauterbachs Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) hatte sich 2019 noch gegen ein Aus von Homöopathie als Kassenleistung gewandt – vielen würde dadurch vor den Kopf gestoßen. Nun kritisierte Spahns Parteifreund Tino Sorge das Vorhaben von Lauterbach. „Anstelle von grundsätzlichen Überlegungen zur Sanierung der Kassenfinanzen verliert sich der Minister nun im Klein-Klein“, sagte Sorge der Düsseldorfer Rheinischen Post.
Die Securvita Krankenkasse, nach eigenen Angaben „Vorreiter bei der Naturheilkunde“, warf Lauterbach Aktionismus vor. „Es gab und gibt genügend gesetzliche Grundlagen, die Homöopathie als Kassenleistung abzuschaffen“, sagte Vorstand Vladimir Werner der Deutschen Presse-Agentur etwa mit Blick auf vorgesehene Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsnachweise bei Verträgen von Kassen mit bestimmten Ärzten. „Diese anzuwenden scheut sich der Minister offensichtlich, denn sie erfordern mehr als die populistische Infragestellung der für unsere Gesundheitsversorgung wichtigen Homöopathie.“
Der Apothekerverband prognostizierte eine Kostensteigerung. „Die Kosten für homöopathische Behandlungen als Kassenleistung sind im wahrsten Wortsinne homöopathisch. Eine Abschaffung könnte aber dazu führen, dass alternative Therapien der Ärzte mit anderen erstattungsfähigen Arzneimitteln umgesetzt werden, die viel teurer sind“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, der Rheinischen Post. Er befürchte eine Benachteiligung von Menschen mit weniger Geld. „Denn wenn solche Behandlungen grundsätzlich nicht mehr von Krankenkassen bezahlt werden, werden sich Bürger mit schmalem Geldbeutel das eigenständig nicht mehr leisten können, finanziell besser Gestellte aber schon.“
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sagte der Frankenpost (Hof): „Die Lauterbach-Ankündigung ist eine politische Nebelkerze.“ Offensichtlich solle mit dieser Diskussion davon abgelenkt werden, dass die Bundesregierung bei der notwendigen Finanzierungsreform der gesetzlichen Krankenkassen nicht vorankomme. Die evidenzbasierte moderne Medizin müsse zwar der Maßstab für die Versorgung sein. Es bestehe aber in der Bevölkerung durchaus auch der Wunsch nach ganzheitlichen alternativen Behandlungsansätzen.
Wichtig sei, die Grenzen dieser Methoden zu kennen – „und das sollte der Entscheidung der Krankenkassen und der Versicherten wie bisher überlassen bleiben“, sagte Gerlach.
Baden-Württembergs Grünen-Gesundheitsminister Manne Lucha forderte den Stopp des Vorhabens. „Viele Menschen vertrauen der Homöopathie, weil sie offensichtlich gute Erfahrungen damit machen“, sagte Lucha in Stuttgart. Lauterbach habe „eine scheinheilige Evidenz-versus-Kosten-Debatte“ angezettelt. Zuvor hatte sich Lucha auch im Handelsblatt so geäußert. Der Grünen-Gesundheitsexperte im Bundestag, Janosch Dahmen, sagte der Rheinischen Post, Lauterbach dürfe sich nicht nur auf ein paar homöopathische Einsparungen konzentrieren.
Rückendeckung bekam der SPD-Minister vom liberalen Koalitionspartner. „Teure Pseudomedizin können wir uns angesichts der prekären Kassenlage nicht mehr leisten“, sagte die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus. Der liberale Abgeordnete Andrew Ullmann sprach von einem „richtigen Schritt“.
Lob bekam Lauterbach von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Es ist richtig, Homöopathie als Kassenleistung abzuschaffen“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen der Rheinischen Post. „Während jede neue Leistung, die in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden soll, zu Recht einen umfangreichen Nutzennachweis durchlaufen muss, hat manche Krankenkasse gerne homöopathische Verfahren und Mittel, für die es keine ausreichenden Studienlagen gibt, im Sinne des Versichertenmarketings angeboten.“
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