Vergangene Wochen zogen Beschäftigte vor die ZF-Konzernzentrale in Friedrichshafen.
In fast jedem Auto oder Lastwagen steckt ein Bauteil der Zahnradfabrik (ZF) Friedrichshafen. Bei dem zweitgrößten deutschen Autozulieferer brodelt es ganz gewaltig. Denn das Stiftungsunternehmen vom Bodensee steht unter großem Spardruck, und der Betriebsrat befürchtet deutliche Stellenstreichungen in Deutschland – bis zu 12.000 Arbeitsplätze sollen bis zum Jahr 2030 auf der Kippe stehen.
Das trieb die Beschäftigten in Friedrichshafen vor ein paar Tagen vor die Konzernzentrale. ZF-Personalvorständin Lea Corzilius kommentierte die Zahlen auf Anfrage nicht. „Das ist der Situation nicht angemessen“, ließ sie über einen Sprecher ausrichten. ZF Friedrichshafen sei viel mehr geholfen, wenn man sich an einen Tisch setze und die Zukunft intern im konstruktiven Dialog kläre.
Hohe Kosten der Transformation
Der Zulieferer hat mit der schwachen Konjunktur und den hohen Kosten für den Umbau hin zu den elektrischen Antrieben zu kämpfen. Dies führt an manchen Standorten zu weniger Wertschöpfung und langfristig zum Verlust von Arbeitsplätzen. Hinzu kommt, dass die gestiegenen Zinsen den Abbau von zuletzt mehr als 11 Milliarden Euro Schulden auch nicht einfacher machen. Die Schulden stammen zum Großteil aus Zukäufen des amerikanischen Autozulieferers TRW und des Bremsenspezialisten Wabco. ZF-Vorstandsvorsitzender Holger Klein hat mehrere Baustellen, um das Unternehmen zu stabilisieren, das sich als Spezialist für Getriebe in der Branche einen Namen gemacht hatte.
Die Automatikgetriebe aus Saarbrücken sind bei Verbrennern ein Standard. Aber für das Werk mit seinen aktuell rund 10.000 Beschäftigten ist das zugleich langfristig eine Belastung. Denn der Standort wird auf lange Sicht kleiner werden. Das ist klar. Der Umfang aber nicht. Angeblich sind Tausende Stellen in Gefahr. Offizielle Aussagen gibt es dazu aber nicht. Jetzt habe man hier auch begonnen, E-Antriebe zu montieren, sagte eine Sprecherin.
Das reicht aber bei Weitem nicht aus zur Kompensation der erwarteten zurückgehenden Getriebeproduktion für Verbrenner. Beim größten Arbeitgeber des Saarlands gibt es bis zum Jahr 2025 eine Beschäftigungssicherung und eine Besonderheit: Alle Mitarbeiter und auch das Management zahlen befristet in einen Zukunftsfonds ein, um Geld für die Ansiedlung von Zukunftsprodukten zu haben. Damit können eventuelle Wettbewerbsnachteile gegenüber Billiglohnländern ausgeglichen werden. Es gebe Aussagen des Managements, dass das Werk über das Jahr 2030 hinaus bestehen bleibe, wie eine Sprecherin mitteilte.
Perspektiven für Beschäftigte
ZF bemüht sich aber, im Saarland den Beschäftigten neue Perspektiven zu geben. Gleich neben dem Werk soll als Juniorpartner von Wolfspeed eine Fabrik für Siliziumkarbidchips entstehen. Dabei setzt ZF auch auf die Förderung der Landesregierung – nicht einfach in Zeiten der Haushaltskrise. Das Stiftungsunternehmen zählt aktuell 54.000 Beschäftigte in rund 40 Werken in Deutschland. Nicht alle sind zukunftsfähig. Bis Ende 2024 soll der Standort im Gelsenkirchener Stadtteil Schalke mit derzeit noch rund 200 Beschäftigten wegen hoher Verluste geschlossen werden. In dem Werk werden noch Lenkungen für Autos und Nutzfahrzeuge hergestellt. In Eitdorf mit rund 700 Beschäftigten sollen Ende 2027 die Lichter ausgehen, im niedersächsischen Damme aufgrund des auslaufenden Mietvertrags sogar schon im August 2024. Ein Teil der Mitarbeiter ist an die Standorte Diepholz und Wagenfeld verlegt worden. Für rund 200 Mitarbeiter aus Damme seien schon sozialverträgliche Lösungen gefunden worden, teilte ein Unternehmenssprecher mit.
Aber auch am Stammsitz in Friedrichshafen am Bodensee kommen die „Einschläge“ näher. Dort wurde für die Nutzfahrzeugsparte, intern „Betrieb N“ genannt, mit seinen 5500 Menschen im vergangenen Jahr eine bis 2028 geltende „Zielbildvereinbarung“ abgeschlossen. Diese beinhaltet auch den Bau einer zweiten Montagelinie für das Nutzfahrzeuggetriebe Traxon, was praktisch eine Jobgarantie für die kommenden Jahre bedeutet.
Für den „Betrieb Z“, mit etwa 4500 Mitarbeitern, von der Entwicklung über den Einkauf, die Buchhaltung und den Vertrieb, kam keine Vereinbarung zustande. Grund: Der Betriebsrat lehnte dieses Zielbild ohne faktische Jobgarantie ab. Ein Sprecher forderte, endlich in konstruktive Gespräche zur Zukunft des „Betriebs Z“ einzusteigen. Zugleich verlangte er, „dass die von der Schließung bedrohten Standorte Eitorf und Schalke weiterhin eine Zukunft bei ZF haben und die entsprechenden Vorschläge der Betriebsräte ernsthaft geprüft werden“.
Verkauf oder Börsengang?
Der Autozulieferer hat wohl seine Vorhaben für 2023, ein Wachstum des Konzernumsatzes auf mehr als 45 Milliarden Euro zu erzielen, erreicht, und zugleich auch, dass dieses Umsatzwachstum zu einer bereinigten Ebit-Marge zwischen 4,7 und 5,2 Prozent führen soll. Die Zulieferer stehen auch deshalb unter Druck, weil die Autobauer weniger produzieren als in Zeiten vor der Pandemie. Um Geld in die Kassen zu bekommen, versucht ZF die Sparte „Passive Sicherheitstechnik“, die unter anderem Gurte und Airbags herstellt und zuletzt 4,5 Milliarden Euro Umsatz verzeichnete, loszuwerden. Die Ausgliederung ist gerade im Gange. Optionen sind der Verkauf oder ein Börsengang. Ein strategischer Investor ist nicht in Sicht.
Der Konzern gehört mehrheitlich der Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen. An deren Spitze steht deren Oberbürgermeister. Das Stadtoberhaupt wird sicherlich ganz genau auf die Entwicklung des Unternehmens achten, denn die ZF-Millionen in Form von Ausschüttungen finanzieren zum Teil Vorhaben der Kommune.
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