Veronika Grimm: Siemens sieht Interessenkonflikt nach Wahl der „Wirtschaftsweisen“

veronika grimm: siemens sieht interessenkonflikt nach wahl der „wirtschaftsweisen“

Die Diskussionen über ein Aufsichtsratsmandat für die Wirtschaftsweise Veronika Grimm bei Siemens Energy zeigen Wirkung.

Die Diskussionen über ein Aufsichtsratsmandat der Ökonomin Veronika Grimm zeigen Wirkung. Grimm wurde am Montag zwar von der Mehrheit der Aktionäre der Siemens Energy AG in den Aufsichtsrat gewählt. Ausgerechnet der frühere Mutterkonzern Siemens AG stimmte aber gegen Grimm, die dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angehört.

Es habe ein Umdenken in den Reihen von Siemens gegeben, hieß es. Grimms Aufsichtsratsmandat ist im Sachverständigenrat umstritten, weil die vier anderen Mitglieder, darunter die Vorsitzende Monika Schnitzer, Interessenkonflikte befürchten. Die vier hatten Grimm aufgefordert, sich zwischen der Tätigkeit im Sachverständigenrat und dem Aufsichtsrat zu entscheiden.

„Zuvor nicht bekannte Bedenken“

Ein Siemens-Sprecher begründete die Ablehnung mit einem Interessenkonflikt von Grimm. „Im Vorfeld des Abstimmungsverfahrens sind zuvor nicht bekannte Bedenken öffentlich gemacht geworden, die sowohl den Erfolg von Professor Grimm als Aufsichtsratsmitglied für Siemens Energy als auch als Mitglied des Expertenausschusses beeinträchtigen würden“, sagte der Sprecher.

Das Umdenken im Siemens-Konzern dürfte durch das Vorgehen Grimms ausgelöst worden sein. Diese hatte sich die Unterstützung der anderen Mitglieder des Sachverständigenrats für die Aufsichtsratstätigkeit im Vorfeld nicht gesichert.

Auf der Hauptversammlung von Siemens Energy erhielt Grimm nur 76,4 Prozent der abgegebenen Stimmen. Mit seinem Stimmenanteil von 17,1 Prozent war Siemens damit für das schlechte Abschneiden der Wirtschaftswissenschaftlerin maßgeblich verantwortlich, die im März an die Technische Universität Nürnberg wechselt.

Wie schlecht das Wahlergebnis ist, zeigt ein Vergleich mit Christian Bruch, dem Vorstandsvorsitzenden von Siemens Energy. Dessen Entlastung stimmten 97,7 Prozent der Versammlung zu, obwohl drei wichtige deutsche Fondsgesellschaften ihm diese Entlastung wegen des Debakels des Windstromanlagenanbieters Gamesa verweigert hatten. Siemens Energy war im Jahr 2020 von Siemens abgespalten worden.

Kaeser warb für Grimm

Der frühere Siemens-Chef Joe Kaeser hatte in der Hauptversammlung in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens Energy für die Wahl von Grimm geworben und wohl auch mit einer höheren Zustimmung gerechnet. „Seien Sie versichert, dass der Nominierungsausschuss und Frau Professor Grimm diese Fragestellung besprochen und geprüft haben“, sagte Kaeser mit Blick auf mögliche Interessenkonflikte.

Nach seinen Angaben hatte der Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats sich einstimmig für Grimm ausgesprochen. Dem Ausschuss soll Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas angehört haben, der mit der Hauptversammlung am Montag den Aufsichtsrat von Siemens Energy verlassen hat.

Wie geht es weiter im Sachverständigenrat?

Als Aufsichtsrat erhält Grimm jährlich ein Salär von 120.000 Euro sowie mehrere tausend Euro an Zulagen. Einfache Mitglieder des Sachverständigenrats erhalten eine pauschale Entschädigung von 33.000 Euro.

Im Sachverständigenrat Wirtschaft will man sich nun erst einmal über das weitere Vorgehen abstimmen. Die Vorsitzende Schnitzer und ihre drei Mitstreiter Ulrike Malmendier, Achim Truger und Martin Werding sehen eine Mitarbeit Grimms zumindest an Teilen der energiepolitischen Erörterungen als problematisch an, weil sie als Aufsichtsrat auch die Interessen des für die energetische Transformation wichtigen Anbieters Siemens Energy im Kopf habe.

Recht auf Minderheitenvotum

Nach Schnitzers Angaben erarbeitet der Rat derzeit interne Verhaltensregeln, die es bislang nicht gab. Die Vorsitzende hat aber schon erklärt, dass mit diesen Compliance-Regeln die Interessenkonflikte im Fall von Grimm nicht ausgeräumt werden könnten.

Sollten Grimms vier Kollegen die Wirtschaftswissenschaftlerin auffordern, sich aus Beratungen und Stellungnahmen herauszuhalten, könnte diese ihren inhaltlichen Beitrag in einem Minderheitenvotum in Gutachten darlegen. Das Recht dazu ist im Gesetz über den Sachverständigenrat festgeschrieben und vor einem halben Jahrhundert von einem Schiedsgericht bestätigt worden.

Anlass war damals ein Streit von Wolfgang Stützel mit den vier übrigen Ratsmitgliedern über eine angemessene Wechselkurspolitik. Stützel präferierte anders als seine Ratskollegen einen festen Wechselkurs der D-Mark und wandte sich gegen eine schrittweise Aufwertung. Als seine Kollegen ihm 1968 ein Minderheitsvotum verwehrten, trat der Saarbrücker Professor nach nur gut zweieinhalb Jahren im Rat zurück. Inhaltlich kam der Fall vor ein Schiedsgericht, das 1973 das Recht einzelner Mitglieder auf Minderheitenvoten bekräftigte.

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