Hat die SVP nun sogar in Basel Chancen auf den Regierungsrat?
Ungekannte Frühlingsgefühle bei der Volkspartei. Wer kandidieren will, was die Ziele sind – und welche Druckmittel zur Verfügung stehen. Eine Auslegeordnung.
Auf Kurs: Die Basler SVP mit Präsident Pascal Messerli.
Nanu, was ist denn in der letzten Zeit bei der Basler SVP passiert?
Die einstige Streitverbreitungspartei ist fast schon zu einer Streitvermeidungspartei mutiert.
Im Regierungsratsersatzwahlkampf hat es die SVP nicht nur geschafft, sich gemeinsam mit den anderen Parteien auf einen bürgerlichen Schulterschluss zu einigen, nein, sie hat den FDP-Kandidaten Luca Urgese auch vorbildlich unterstützt und keine verbalen Tiefschläge in Richtung seiner Konkurrenten verübt. Es kommt selten vor, dass die Präsidentin der SP, Lisa Mathys, am Ende des Wahlkampfs einigermassen verblüfft zur Erkenntnis kommt: Die fragwürdigen Attacken auf den eigenen Kandidaten, Mustafa Atici, sind eher von Mitte und LDP gekommen.
Diese Faktoren mögen zwar unter der Kategorie «soft» laufen, aber wer das politische Geschäft kennt, weiss: Diese Eindrücke sind entscheidend dafür, wie eine Partei wahrgenommen wird.
Nirgends menschelt es so sehr wie in der Politik.
Was heisst das nun für die Gesamterneuerungswahlen im Herbst? Ist die Volkspartei in der «SVP-freien Zone» namens Kanton Basel-Stadt auf einmal auf Regierungsratskurs? Eine Auslegeordnung.
Die Kriterien
Bei Majorzwahlen – in der Regel als Persönlichkeitswahlen bezeichnet – für Exekutivämter tut sich die Partei nicht nur in Basel-Stadt, sondern in allen städtisch-urbanen Kantonen schwer. Daran ändert auch nichts, dass die SVP bei den Nationalratswahlen im letzten Herbst wieder stärkste bürgerliche Kraft geworden ist und, gäbe es keine Listenverbindungen, einen Sitz in der grossen Kammer erobert hätte.
Aber: Braucht die Basler SVP überhaupt einen Regierungsrat? Schaden kann es nicht, zwei weitere Kriterien wirken indes dringlicher.
Erstens: Für die SVP geht es primär um ein ansprechendes Resultat bei den Grossratswahlen. Bei der letzten Ausmarchung 2020 hat man 4 von zuvor 15 Sitzen verloren. Denkbar ist, dass nach den Ergebnissen im letzten Herbst hier eine Korrektur gegen oben möglich ist.
Zweitens: Für die Zukunft – konkret über die Gesamterneuerungswahlen hinaus – hat die SVP ein Interesse, den bürgerlichen Schulterschluss zu festigen. Die Partei hat dafür neuerdings valable Argumente, da sich dieser im Wahlkampf von Luca Urgese nach dessen respektablem Ergebnis als erfolgreiche Taktik entpuppt hat. Das war zuvor vor allem von der Mitte, aber auch von Teilen der LDP stets bezweifelt worden.
Wer aber wäre prädestiniert, um als Regierungsratskandidat diese zwei Ziele zu erreichen?
Die Kandidaten
Die SVP stellt sich aktuell auf den Standpunkt: Alles ist offen, jeder darf sich melden. Entschieden wird an der Generalversammlung am 23. Mai, und selbst an dieser darf sich jedes Mitglied noch spontan bewerben.
Das ist zwar richtig, aber nicht die ganze Wahrheit. Infrage kommen realistischerweise drei Namen: Pascal Messerli, Stefan Suter, Joël Thüring. Dem Vernehmen nach nicht zur Verfügung steht ein weiterer valabler Kandidat: Unternehmer und Grossrat Lorenz Amiet.
Was spricht für wen?
Für Messerli, den Präsidenten, spricht: Er ist der Baumeister der letzten Erfolge. Er hat in den letzten beiden Jahren mehr Ruhe und Stabilität in die Partei gebracht. Zudem hat er mit einem profunden Ständeratswahlkampf überzeugt: Ohne Unterstützung lag er praktisch gleichauf mit dem Kandidaten der Bürgerlichen, dem damaligen Mitte-Präsidenten Balz Herter. Bei Messerli stellt sich jedoch die Frage: Eine Regierungsratskandidatur hat sich bei ihm bisher nie aufgedrängt, wie er bis zuletzt selbst betont hat. Muss man mit 34 schon in die Exekutive, sich womöglich verheizen? Vor allem, wenn die Chancen, gewählt zu werden, nicht riesig sind?
Für Suter spricht: Der Riehener Gemeinderat und Basler Grossrat ist ein Routinier, er war schon 2020 der Kandidat der Partei und schaffte ein solides Resultat. Er wäre ganz sicher einer, den die anderen bürgerlichen Parteien als akzeptablen Kandidaten sähen. Bei ihm stellt sich die Frage: Will er, der erfolgreiche Anwalt, der Freigeist, wirklich in die Regierung – und wie viel Aufwand wäre er bereit, dafür im Wahlkampf zu leisten?
Für Thüring spricht: Regelmässig macht er die besten Resultate für seine Partei. Bei den Bürgergemeinderatswahlen im letzten Jahr sogar das beste aller Kandidaten. Und er wäre in den Nationalrat eingezogen, hätte die SVP in der bürgerlichen Listenverbindung ihren Platz gefunden. Seine früheren Verfehlungen – Griff in die Parteikasse, E-Mail-Affäre, Social-Media-Exzesse – lassen die Frage aufwerfen, ob er über die eigene Basis mobilisieren kann.
Die Konkurrenz
Es ist keine mutige Prognose: Die SVP wird auch 2024 keinen Kandidaten in die Basler Regierung bringen. Aber sie hat valable Chancen auf Sitzgewinne im Grossen Rat. Und auf den bürgerlichen Schulterschluss.
Letzteres dürfte mit Messerli oder Suter eher zu erreichen sein, hört man aus den anderen Parteien. Mit den Vorständen von LDP und FDP gibt es zudem die Abmachung eines Tickets. Und die Mitte muss sich ihre Vorbehalte gut überlegen: Torpediert sie das Zusammengehen, wird die SVP einst den Mitte-Nachfolgekandidaten von Regierungsrat Lukas Engelberger angreifen – und weil das auch die Grünen tun werden (sofern sie bis dann niemand in der Exekutive haben), dürfte der Mitte-Sitz mathematisch Geschichte sein.
Ungekannte Druckmittel.
Fertig «Sauhaufen»?
Je mehr dieses gemeinsame Agieren gelingt, desto etablierter wird es – und je stärker die Partei für sich abschneidet, desto mehr kann sie sich aus einer unliebsamen Rolle der Stimmenbeschafferin für die anderen bürgerlichen Parteien befreien. Bisher war es doch meist so: Brauchen diese die SVP, wird sie umgarnt, beklatscht, gelobt.
Hat die Volkspartei selbst die Chance auf Sitze, ist sie des Teufels, ein «Sauhaufen». Das könnte sich nun langfristig ändern – und das wäre der wohl wichtigste Triumph. Sicherlich wichtiger als ein Regierungsratsposten (zumal einer, den man kaum gewinnen wird).
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