Habeck bei Lanz über TikTok: „Ich gehe dahin, wo sonst nur die AfD ist“
Robert Habeck bei Markus Lanz über TikTok: „Ich weiß, dass ich mich in einen Graubereich begebe.“
Das Verhältnis Deutschlands zu China war das zentrale Thema am Dienstagabend bei Markus Lanz. Zu Gast war der Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck, der beklagte, dass dieses Verhältnis viel zu lange von Naivität geprägt gewesen sei, was Deutschland angehe. „Merkel ist oft nach China gefahren, aber nicht, um etwas zu hinterfragen, sondern um zu promoten.“ Deutschland habe das Land immer nur als billige Werkbank und Absatzmarkt betrachtet. Wirtschaftspolitik – und das war wieder ein indirekter Vorwurf an Merkel – sei als etwas Neutrales betrachtet worden. Aber Wirtschaftspolitik sei auch Machtpolitik, sei Sicherheitspolitik.
Habeck warnte vor China, machte aber auch klar, dass Deutschland, dass die Welt China braucht. „Wir brauchen China auch im Konzert der Länder, die versuchen, auf Russland einzuwirken.“ Decoupling – also sich ökonomisch von China zu entkoppeln, funktioniere nicht, dazu sei das Land zu wichtig. „Aber Naivität verbietet sich.“ Etwa, was chinesische Investitionen in kritische Infrastruktur in Deutschland angehe, die dann manipuliert werden können, oder die Nutzung von Produkten, mit deren Hilfe China Daten abfließen lassen könne. Das war das Stichwort für Markus Lanz.
„Warum sind Sie dann bei TikTok?“, wollte der Moderator von Habeck wissen, ein chinesischer Dienstleister, von dem die Amerikaner sagen, er sollte komplett verboten werden. „Das ist eine Gratwanderung“, räumte der Politiker ein. „Aber soweit wir wissen, gehen unsere Daten nicht nach China.“ Denn man benutze für TikTok keine Diensthandys. Er habe abwägen müssen. „Viele junge Menschen beziehen ihre Informationen nur über TikTok, wissend, dass ich mich in einen Graubereich begebe, den ich mir gern erspart hätte.“
„Sind Sie bei TikTok, weil die AfD es Ihnen vorgemacht hat?“, fragt Lanz. – „Ja, in gewissem Sinne ist das so.“ Sonst überlasse man die Dominanz bei dieser Generation der AfD. Wenn auf TikTok nur rassistische und islamistische Parolen liefen und das dann abfärbe, könne man das nicht billigend in Kauf nehmen. Lanz: Mir hat kürzlich jemand gesagt, der Krieg in Gaza werde bei TikTok entschieden. Habeck: „Ja, und der Krieg in der Ukraine, und die Auseinandersetzung, was diese Republik sein will.“ Einwurf des ebenfalls als Gast geladenen Chefredakteurs von Table Media Michael Brücker: „TikTok ist kein Medium für einen differenzierten Diskurs.“ Habecks Antwort: „Ich will jetzt nicht der gemeinste, böseste TikToker werden. Ich gehe dahin, wo sonst nur die AfD ist, aber ich gleiche mich ihr nicht an.“ Und später: „Das ist keine normale Zeit. Die Auseinandersetzung um Werte in unserer Republik ist so hart, dass vornehme Zurückhaltung im Moment nicht geboten ist.“
Vornehme Zurückhaltung nahm Lanz als weiteres Stichwort: „Warum halten wir uns bei chinesischen Elektroautos zurück?“ – „Tun wir nicht.“ Allerdings prüfe die EU gerade, ob China mithilfe von Subventionen bei diesen Autos Preisdumping betreibe, während die EU versuche nach den Regeln des Welthandels zu spielen. „Wenn China unfair produziert, kann die EU Zölle auf die chinesischen E-Autos packen.“ Er wolle aber nicht verhehlen, dass dies wiederum der deutschen Autoindustrie Sorgen bereite, denn würde China als Retourkutsche die deutschen Autos mit Zöllen belegen, habe Deutschland als Exportnation möglicherweise hier mehr zu verlieren als zu gewinnen.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt sei zur Hälfte vom Export abhängig, das chinesische nur zu 20 Prozent, so Habeck. Trotzdem können Deutschland seine Wirtschaftspolitik nicht allein nach Angebot und Nachfrage ausrichten. Man könne nicht länger dort einkaufen, wo es am günstigsten, denn dann bleibe man in der Abhängigkeit von Russland und China. „Wir müssen Rohstoffe, Energie, seltene Erden deshalb dort kaufen, wo es vielleicht einen Tick teurer ist.“