Grundsatzprogramm der CDU: Eine Chance für die Marktwirtschaft
Verpackte Schilder mit dem Motto „Zukunft gemeinsam gewinnen“ beim CDU-Parteitag zum Thema Europawahl und zum neuen Grundsatzprogramm
Grundsatzprogramme von Parteien werden beschlossen, aber von den Wählern nicht unbedingt gelesen. Dieses Schicksal dürfte auch dem neuen Grundsatzprogramm der CDU beschieden sein, zumal die Christdemokraten traditionell mit dem Anspruch einer breit aufgestellten Volkspartei auftreten, die in erster Linie einen Kanzler wählt, sich in der politischen Praxis aber weniger einem klar definierten Programm verpflichtet fühlt. Und so stellt sich nach dem Parteitag der CDU aus wirtschaftspolitischer Sicht die Frage, wie ernst die Christdemokraten ihr Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft meinen.
Die Klarheit, mit der die CDU in ihrem Grundsatzprogramm für die Soziale Marktwirtschaft eintritt, ist für unsere Zeit bemerkenswert. Denn der Begriff Soziale Marktwirtschaft ist im politischen Diskurs schon lange außer Mode gekommen – zum einen, weil er nicht wenigen im Politikbetrieb als vorgestrig gilt, zum anderen, weil der Zeitgeist lange ein Plädoyer für Märkte häufig mit Kritik und Ablehnung strafte.
Nun ist der Zeitgeist aber dabei, sich zu ändern. Die Sicherung materiellen Wohlstands und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bewegen heute viele Menschen stärker als in den Zehnerjahren, als die deutsche Wirtschaft besonders wegen der Exporterfolge ihrer Industrie als nahezu unverwüstlich angesehen wurde. Gleichzeitig nimmt aus gutem Grund das übertriebene Vertrauen in die Lenkungsfähigkeit des Staates ab.
Bekenntnis zu Freiheit und Wettbewerb
Insofern muss die Soziale Marktwirtschaft eben nicht als vorgestrige, sondern als zukunftsträchtige Konzeption für Wirtschaft und Gesellschaft begriffen werden. Die CDU bekennt sich in ihrem Programm denn auch zu Freiheit und Wettbewerb, zu wirtschaftlichem Wohlstand und Freihandel. „Klimaschutz geht nur marktwirtschaftlich!“, heißt es mit wünschenswerter Klarheit.
Wirtschaft, Energie und Klima müssten zusammen gedacht werden, steht in einem Programm, in dem sich das Eintreten für den Emissionshandel und den Ausbau erneuerbarer Energien mit einer Befürwortung der Kernkraft verbindet. Mit dem Anspruch, Klimaschutz auf marktwirtschaftliche und freiheitliche Weise zu verwirklichen, setzt sich die CDU nicht nur von weltfremden „Degrowth“-Fantasien ab, sondern auch vom gouvernantenhaften Anspruch, den Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie im Interesse des Klimaschutzes zu leben haben.
An ihrem Programm alleine wird der Wähler die CDU jedoch nicht messen. Die CDU konnte in ihren besten Zeiten einen Ruf als eine Art Staatspartei erlangen, weil (Wechsel-)Wähler ihr im Zweifel weniger Unfug zutrauten als anderen Parteien. Im Rückblick auf die Zehnerjahre wird die CDU in dieser Hinsicht kritischer gesehen.
Fehler der CDU
Unionsgeführte Bundesregierungen haben aktiv eine fehlgeleitete Energiepolitik betrieben, sie tragen eine erhebliche Verantwortung für den schlechten Ausrüstungsstand der Streitkräfte und sie bevorzugten in Zeiten guter Staatsfinanzen sozialpolitische Programme zu Lasten von Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Der heute zu Recht beklagte Rückstand in der Digitalisierung der öffentlichen Hand besitzt ebenfalls eine lange Vorgeschichte.
Und so kommt es, dass einerseits Umfragen der Union im Bund ein erhebliches Wählerpotential bescheinigen, sie andererseits in Umfragen aber nur rund 30 Prozent erreicht. Damit liegt sie zwar weit vor jeder anderen politischen Kraft, aber angesichts des deplorablen Zustands der aktuellen Bundesregierung müsste sie in den Umfragen eigentlich viel besser abschneiden.
Eine zunehmend deutlicher erkennbare Distanzierung von der ehemaligen Bundeskanzlerin alleine wird für die CDU nicht reichen, mehr Glaubwürdigkeit zu erlangen. Angela Merkel trägt als Kanzlerin natürlich Verantwortung für die Politik in ihrer Amtszeit, aber sie regierte nicht im Alleingang.
Mehr Mut wagen
Deutschland ist natürlich nicht dem Untergang geweiht, aber seine strukturellen Schwächen erfordern eine mutige, marktwirtschaftlich ausgerichtete Reformpolitik. Ein im Zweifel ohnehin nur milder Konjunkturaufschwung reichte nicht. Jede mutige Reformagenda stößt sich allerdings an Wählern, die Reformen nur solange befürworten, wie sie nicht selbst betroffen sind.
Gleichzeitig befürworten viele Wähler im Grundsatz ein finanzielles Maßhalten des Staates, aber der Wohlfahrtsstaat bleibt für sie unantastbar. Sich hier glaubwürdig zu positionieren, bleibt die Herausforderung für eine CDU, die sich zudem nicht wundern sollte, wenn in unregelmäßigen Abständen Querschläger aus München ihre Parteizentrale erreichen.