Putin-Angriff befürchtet: Doch das Geld für die Truppe fehlt

putin-angriff befürchtet: doch das geld für die truppe fehlt

In fünf bis acht Jahren könnte Russland die Nato angreifen, befürchtet Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Die Bundeswehr müsse daher schnell „kriegstüchtig“ werden.

Der Blick in die Zukunft ist düster. In fünf bis acht Jahren könnte Russlands Herrscher Wladimir Putin die Nato angreifen, befürchtet Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Die Bundeswehr müsse daher schnell „kriegstüchtig“ werden, also fähig zur Verteidigung. Kanzler Olaf Scholz sagt: „Wir wollen so stark sein, dass niemand uns angreift.“ Der Gedanke dahinter: mit Stärke abschrecken. Die beiden SPD-Politiker haben jedoch ein Problem: Die Aufrüstung kostet Geld, sehr viel Geld. Geld, das die Regierung nicht hat.

Von der Stimmung in der Bevölkerung können Pistorius und Scholz sich bestätigt fühlen. Fast die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger (46 Prozent) befürchten dem aktuellen Politbarometer zufolge einen Angriff Russlands auf weitere Länder. Jeder Zweite glaubt, dass der Westen Russland mit militärischer Stärke dazu bewegen kann, weniger aggressiv aufzutreten. Und höhere Ausgaben für Bundeswehr und Verteidigung befürworten fast drei Viertel der Befragten (72 Prozent) – auch wenn dadurch in anderen Bereichen gespart werden muss.

Deutschland erreicht das Zwei-Prozent-Ziel dank des Sondervermögens

Bisher ist jedoch vollkommen unklar, wo das Geld für neue Waffen und die Modernisierung der Bundeswehr herkommen soll. Scholz versprach kürzlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass Deutschland in diesem und im nächsten Jahrzehnt zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung einsetzen werde. Diese Marke hatte Deutschland lange unterschritten und war dafür international, vor allem von den USA, kritisiert worden. Inzwischen wird das Zwei-Prozent-Ziel erreicht, allerdings nur dank des Sondervermögens, das Scholz nach Putins Angriff auf die Ukraine mit 100 Milliarden Euro gefüllt hatte, um die lange vernachlässigte Truppe auf Vordermann zu bringen.

Lesen Sie auch: Was treibt Strack-Zimmermann an? Wir haben sie gefragt

Bald wird das Geld aus dem schuldenfinanzierten Sondertopf jedoch ausgegeben sein, spätestens ab 2028 muss Deutschland den regulären Verteidigungshaushalt deutlich aufstocken, um nicht wieder unter das Nato-Ausgabenziel zurückzufallen. Aktuell ist der Wehretat 52 Milliarden Euro groß, einem „Spiegel“-Bericht zufolge könnte in vier Jahren in der Kalkulation ein Loch von 56 Milliarden Euro klaffen, wenn weiterhin zwei Prozent der deutschen Wirtschaftskraft in Rüstung fließen sollen. In Zeiten von Haushaltskrise und schwacher Wirtschaft lässt eine solche Summe die Haushaltsexperten der Ampel nicht mehr ruhig schlafen.

  • Politik-News: Die wichtigsten Nachrichten des Tages aus der Bundespolitik im Blog
  • Legalisierung: Cannabis – Was ab April erlaubt sein soll und was nicht
  • Ehegattensplitting: Wer von der Abschaffung der Steuerklassen profitiert
  • FDP-Rebellin: Was treibt Strack-Zimmermann an? Wir haben sie gefragt
  • Proteste: Analyse zeigt, wie Rechtsextreme die Bauern radikalisieren

Finanzminister Lindner will das Sondervermögen nicht verlängern

Frankreichs Vorschlag, gemeinsame europäische Schulden für Verteidigungsausgaben aufzunehmen, lehnt Finanzminister Christian Lindner (FDP) ab. Aus der Union kommt die Idee, das deutsche Sondervermögen aufzustocken, gar auf 300 Milliarden Euro zu verdreifachen. „Nach 2028 müssen wir andere Lösungen finden“, widerspricht Lindner auch hier. So sieht es auch der Kanzler: Die Ausgaben für die Bundeswehr müssten künftig aus dem allgemeinen Haushalt gestemmt werden, stellte Scholz klar. „Das ist nicht einfach, wir können das aber bewältigen.“ Im Klartext heißt das: Die anderen Ministerien müssen sparen.

Gerade aber in der SPD von Scholz und Pistorius ist die Befürchtung groß, dass der Staat künftig deutlich weniger für Soziales oder Bildung ausgibt. Geschürt wird die Sorge von Lindner, der in einer Talkshow forderte, die Sozialausgaben für drei Jahre einzufrieren, um mehr Spielraum für die Verteidigung zu haben. Der Widerspruch der Koalitionspartner erfolgte auf dem Fuß.

SPD-Chefin Esken will soziale Sicherheit nicht für Verteidigung beschneiden

Es sei „verantwortungslos“, die Verunsicherung der Menschen „mit alarmistischen Botschaften weiter anzuheizen, ohne eigene Lösungen anzubieten“, rüffelte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken den FDP-Chef. Die SPD sei nicht bereit, „die soziale Sicherheit von Familien mit Kindern, Auszubildenden und Studierenden oder Rentnerinnen und Rentnern zu beschneiden, um die notwendigen Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung zu finanzieren“, sagte Esken dieser Redaktion.

Lesen Sie auch: Wie unser Reporter den Aufbruch der Fregatte „Hessen“ erlebt

Auch Sozialverbände sind alarmiert. Als „grundfalsch“ kritisierte Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Lindners Vorstoß. „Denn davon profitieren vor allem demokratiefeindliche Akteure“, sagte die Verbandschefin. „Statt Aufrüstung auf Kosten von Sozialleistungen zu finanzieren, müssen wir die Einnahmen des Staates stärken.“ Engelmeiers Vorschläge: höhere Steuern und eine Reform der Schuldenbremse.

Juso-Chef kritisiert Lindners Festhalten an Schuldenbremse: „Sturheit“

Bei der SPD rennt sie damit offene Türen ein. „Deutschland ist ein reiches Land, in dem viele sehr reiche Menschen leben, die einen größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten können und zum Teil auch bereit dazu sind“, sagte Esken. Lindner will von Steuererhöhungen allerdings ebenso wenig wissen wie von einer Reform der Schuldenbremse. Juso-Chef Philipp Türmer wirft dem FDP-Chef deswegen „Sturheit“ vor: „Die Schuldenbremse ist die Wurzel allen Übels“, sagt Türmer dieser Redaktion. „Nur weil er diese nicht antasten will und sich verweigert, die notwendigen Investitionen damit zu finanzieren, fehlt es an allen Ecken und Enden des übrigen Haushalts.“

Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts ist das Geld der Regierung knapp. SPD, Grüne und FDP können sich aber nicht einigen, wie sie damit umgehen. Für den Verteidigungsminister ist das ein tiefgreifendes Problem. „Wer von uns würde nicht lieber in Zeiten leben, in denen das nicht nötig wäre, viel Geld für Waffen auszugeben?“, fragte Pistorius vor wenigen Tagen rhetorisch im Bundestag. Für ihn gibt es aber keine Alternative dazu, wenn man sicherstellen wolle, dass „unsere zukünftigen Generationen in Freiheit und in Sicherheit leben können“.

Lesen Sie auch: Putin schickt Gas nach Deutschland – auf diesem Umweg

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World