„Geht um Menschenschutz“ – Die Angst vor der achtspurigen Autobahn mitten in der Stadt

Die Autobahn GmbH des Bundes will die A59 mitten durch Duisburg ausbauen. Anwohner fürchten einen großen Verlust an Lebensqualität: Die Autobahn würde viel näher an ihre Häuser rücken, mehr Lärm und weniger Sonnenlicht wären die Folge. Die Stadtpolitik warnt vor gesellschaftlichen Verwerfungen.

„geht um menschenschutz“ – die angst vor der achtspurigen autobahn mitten in der stadt

Peter und Ursula Dahmen vom Meidericher Bürgerverein. Die Dr.-Lengeling-Straße ist nur wenige Meter von der A59 entfernt Kristian Frigelj

Die Wohnhäuser stehen nur wenige Meter von der Autobahn entfernt. Die A59 führt direkt an der Dr.-Lengeling-Straße entlang, in Höhe der zweiten und dritten Stockwerke. Ein vierspuriger Betonkoloss mit Schallschutzwänden liegt auf Pfeilern mitten im Stadtteil Meiderich von Duisburg. An diesem Aprilmorgen regnet es, und die Reifen klingen in der Nässe noch lauter. Zudem rumpelt es ständig, weil die Autos über Unebenheiten im Asphalt fahren – inzwischen täglich mehr als 100.000 Fahrzeuge.

Ursula und Peter Dahmen sind zur Dr.-Lengeling-Straße gekommen und warten unter der Autobahn bei den Parkplätzen. Sie wohnen etwa 200 Meter entfernt und leben seit Jahrzehnten mit der A59, so wie Tausende Menschen hier. „Wir hören die Autobahn auch nachts. Wir haben uns daran gewöhnt, aber schön ist das nicht“, sagt der 72-Jährige.

Das Unternehmer-Ehepaar will gleich wieder zu einem Erörterungstermin in der Mercatorhalle. Mehrere Tage sind angesetzt. Es geht um den Ausbau der A 59. Die Autobahngesellschaft des Bundes will die knapp sieben Kilometer zwischen dem Autobahnkreuz Duisburg und der Anschlussstelle Duisburg-Marxloh erneuern.

„geht um menschenschutz“ – die angst vor der achtspurigen autobahn mitten in der stadt

© OpenStreetMap; Infografik WELT

Die vierspurige Strecke ist seit Jahren überlastet, eine Instandsetzung 2014 hat die „Restnutzungsdauer“ nochmals bis voraussichtlich 2029 verlängert. Die Zeit drängt, deshalb wurde ein sechsstreifiger Ausbau im Bundesverkehrswegeplan in der höchsten Kategorie als „Vordringlicher Bedarf – Engpassbeseitigung“ eingestuft. Viele weitere Projekte sind dort aufgeführt und könnten einiges Konfliktpotenzial bergen, wenn es ähnlich läuft wie in Duisburg.

In diesem Fall hat sich die Autobahn GmbH, die dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist, wieder für eine Strecke in Hochlage entschieden. Doch zahlreiche Anwohner wie die Dahmens und die Stadt wehren sich dagegen. Im laufenden Planfeststellungsverfahren, zu dem auch die mehrtägige Erörterungsphase gehört, sind etwa 1400 Einwendungen eingegangen. Die Betroffenen fordern stattdessen eine „gedeckelte Troglage“: Anstatt einer Stelzenkonstruktion würde ein Trog für die Fahrbahn ausgebaggert und mit einem Deckel geschlossen. Das Fernstraßen-Bundesamt, das dem Bundesverkehrsministerium ebenfalls unterstellt ist, muss am Ende über das Planfeststellungsverfahren entscheiden.

„geht um menschenschutz“ – die angst vor der achtspurigen autobahn mitten in der stadt

Schon jetzt reicht die A59 nah an Wohnhäuser heran Kristian Frigelj

Peter Dahmen zeigt in der Dr.-Lengeling-Straße, was die bisherigen Planungen bedeuten könnte. Zu den sechs Spuren kämen an jeder Seite ein vollwertiger Standstreifen sowie Auf- und Abfahrtsspuren hinzu. „Wir sprechen also von acht Spuren mit Standstreifen“, sagt der 71-jährige Vorsitzende des Meidericher Bürgervereins. Damit würde die Autobahn über die Straße ragen und noch näher an die Wohnhäuser rücken. „Es geht um Menschenschutz. Wenn es doch die Möglichkeit gibt, die Autobahn in die Erde zu bringen, dann sollte man das doch nutzen“, sagt Ursula Dahmen.

Ihr Ehemann spricht von Bausünden der 50er- und 60er-Jahre, die man mit einem unterirdischen Neubau beseitigen könnte. „Der Stadtteil ist komplett zerschnitten. Die Autobahn geht mitten durch“, sagt Dahmen.

„Das machen wir nicht mit“

Die Stadtverwaltung wehrt sich ebenfalls gegen die Planung. Für Oberbürgermeister Sören Link (SPD) ist klar: „Wir brauchen den Tunnel für die A59. Die Menschen vor Ort haben es verdient, dass sie eine Perspektive für mehr Lebensqualität auf Jahrzehnte bekommen. 1400 Einwendungen zeigen, dass die Autobahngesellschaft an der Lebenswirklichkeit der Duisburgerinnen und Duisburger vorbeigeplant hat. Das machen wir nicht mit“, erklärt der Sozialdemokrat auf WELT-Anfrage.

Martin Linne, Dezernent für Stadtbau, nennt die Dimensionen des geplanten Ausbaus: etwa 48 Meter breit statt der bisherigen 26, 50 Meter und mit Schallschutzwänden insgesamt 16 Meter hoch statt der bisherigen acht Meter. Das bedeutet viel Schatten für Wohnhäuser in direkter Nähe. „Dort sehen die Menschen die Sonne frühestens ab zwölf Uhr. Vormittagssonne gibt es da nie wieder“, sagt Linne WELT.

„geht um menschenschutz“ – die angst vor der achtspurigen autobahn mitten in der stadt

Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD, l.); Stadtbaudezernent Martin Linne Eugen Skholnikov/Stadt Duisburg; Ilja Höpping/Stadt Duisburg

Er warnt vor gesellschaftlichen Verwerfungen: „Mit einer Autobahn in Hochlage wird das der soziale Brennpunkt der nächsten Jahrzehnte.“ Bei einer gedeckelten Troglage würde der Stadtteil stattdessen wieder zusammenwachsen, neue Grünflächen könnten entstehen. Es gäbe keine umständlichen Umwege mehr. „Würde die A59, wie man es heutzutage bei einem Neubau machen würde, in diesem Anschnitt unter die Erde gelegt und abgedeckt, dann gäbe es eine gute Entwicklungsperspektive für Meiderich und Hamborn“, sagt Linne.

Die Autobahn GmbH hingegen begründet die Hochlage mit einer kürzeren Bauzeit und weniger baulichen Eingriffen in privates Eigentum als bei einem Tunnelbau, weil weniger Häuser abgerissen werden müssten. Zudem wird argumentiert, dass der international enorm bedeutsame Hafen während der Bauzeit verkehrlich besser angebunden bleibe.

Was die Autobahn GmbH Kritikern erwidert

Im Rahmen des Erörterungstermins hat das Fernstraßen-Bundesamt den Bürgern, die Eingaben gemacht haben, eine Übersicht zugesandt, in der die jeweilige Einwendung und eine Erwiderung der Autobahn GmbH gegenübergestellt sind. Die Bewohner sorgen sich etwa, dass eine größere Autobahn in Hochlage der Wert von Häusern und Grundstücken negativ beeinflussen werde und dass direkt an der A59 niemand mehr wohnen wolle.

Dem entgegnet die GmbH in nüchterner Verwaltungssprache: „Vorhabenbedingte Veränderungen des Wohnumfeldes und damit etwaig verbundene Grundstückminderungen zählen nicht zu den nach Fachplanungsrecht zu definierenden nachteiligen Wirkungen.“ Und weiter: „Bei Wohnanlagen in unmittelbarer Nähe einer Autobahn ist die Erweiterung dieser, zumal im Bundesverkehrswegeplan festgelegt und im Rahmen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung bekannt gemacht, zu erwarten und auf einen aktuellen Fortbestand der aktuellen Wohnsituation nicht zu vertrauen.“ Und beim Hinweis auf den Bedarf einer Verkehrswende „handelt es sich um grundsätzliche Themen der Verkehrspolitik, die in einem Planfeststellungsverfahren nicht zu behandeln sind“, so die Autobahn GmbH.

Diese Einwände bergen einige Brisanz, denn im Ruhrgebiet führen Autobahnen immer wieder nah an Wohnhäusern vorbei, etwa die A40, A42 und die A2. Der Konflikt in Duisburg offenbart zudem, dass privates Eigentum hinter Belangen des Gemeinwohls und übergeordneten Interessen zurückzustehen hat. Das ist grundgesetzlich abgesichert und vom Bundesverfassungsgericht juristisch bestätigt, etwa im Streit über den Abbau von Braunkohle.

Duisburgs Dezernent Linne beklagt jedoch, dass die Tunnelvariante nicht ausreichend geprüft worden sei, und spricht von einer „unzulässigen Verkürzung der Abwägungsmöglichkeit“ für das genehmigende Fernstraßenbundesamt. „Aspekte des Umwelt- sowie des Menschenschutzes neben dem Artenschutz und dem Lärm“ seien nicht untersucht worden. Vom Bundestag freigegebene Mittel zur Untersuchung der Tunnelvariante in Höhe von einer Million Euro seien bisher nicht abgerufen worden. Linne widerspricht auch der Annahme, dass ein Tunnelbau die Anbindung des Hafens zu sehr einschränken würde, da andere Autobahnen stärker genutzt werden könnten.

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Ein Banner des Meidericher Bürgervereins, der die Prüfung einer Tunnellösung fordert Kristian Frigelj

Der Dezernent fürchtet, dass durch solche Planungen auch die Akzeptanz für den Neubau der Infrastruktur abnehme. Dabei zeigt sich ausgerechnet bei anderen Bauvorhaben der Autobahngesellschaft, welche gesellschaftlich positiven Effekte Fahrbahnen unter der Erde haben können; auf der A39 bei Lüneburg im Norden ist etwa eine gedeckelte Troglage vorgesehen. Über der Autobahn soll ein „Generationpark“ entstehen. „Auf dem zukünftigen Lärmschutzdeckel im Ortsteil Lüne-Moorfeld entsteht eine öffentliche Grünfläche, die als grüne Brücke den Stadtteil wieder vereint und als Begegnungsort das nachbarschaftliche Miteinander stärkt“, heißt es in der Beschreibung der Autobahn GmbH. „Mehr Grün, weniger Lärm und viel Raum für Begegnung“, so schwärmerisch klingt die Beschreibung des 381 Meter langen „Lüneburger Deckels“.

Genau das wünschen sich auch viele Duisburger. Falls das Fernstraßenbundesamt den Neubau in Hochlage tatsächlich durchwinkt, könnten noch juristische Einwände drohen. Dann würde sich der Neubau deutlich verzögern, trotz Dringlichkeit und Priorisierung.

Anwohner Dahmen hat im Namen des Meidericher Bürgervereins einen Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geschrieben und gefordert, dass die vom Bundestag freigegebenen Finanzmittel für eine Machbarkeitsstudie endlich abgerufen werden: „Dass wir Menschen im Stadtteil, alle Duisburger Bundestagsabgeordneten – und nun auch der Deutsche Bundestag – ignoriert werden, finden wir unsäglich.“

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