Reichelt gegen Regierung: Eine Klatsche für die Ministerin

reichelt gegen regierung: eine klatsche für die ministerin

Von ihr ging der Rechtsstreit aus, der mit einer Verfassungsbeschwerde endete: Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SPD).

In der Redaktion der „Tagesschau“ herrscht augenscheinlich ein etwas verqueres Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit. Den Eindruck kann man zumindest angesichts der Dachzeile bekommen, unter welcher der Bericht über die erfolg­reiche Verfassungsklage des früheren „Bild“- und jetzigen „Nius“-Chefredakteurs Julian Reichelt vermerkt war: „Bundesverfassungsgericht erlaubt polemischen Reichelt-Post“.

Das klingt so, als hätten die Verfassungsrichter dem Journalisten eine Sondererlaubnis für Derbheiten gewährt, und es klingt so, als müsste man sich erst eine richterliche Zusicherung abholen, bevor man sich frei äußern kann. Das Gegenteil ist der Fall, und dieses Gegenteil hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungs­gerichts einstimmig formuliert: Mit dem per einst­weiliger Verfügung ausgesprochenen Verbot, seine Ansicht zur Entwicklungshilfepolitik der Bundesregierung in Af­ghanistan kundzutun, habe das Kammergericht Berlin, auf Antrag des Bundesentwicklungshilfeministe­ri­ums (BMZ), Reichelts Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz verletzt.

Der Befund ist eindeutig

Das ist der Befund. Und er ist so eindeutig formuliert, dass er den Richtern am Kammergericht zu denken geben sollte. Das BMZ hat die Botschaft verstanden und sogleich erklärt, man werde den Rechtsstreit nicht weiterverfolgen. Nie sei es darum gegangen, eine missliebige Meinung zu unterdrücken, sondern allein um die klare Trennung zwischen Meinung und Tatsachenbehauptung, die man anders sehe als das Bundes­verfassungsgericht, teilte das Ministerium mit – und zeigt sich als schlechter Verlierer.

Denn hier gab es Tatsachen und Meinung. Die Meinung, dass die Bundesregierung durch Entwicklungshilfe das Taliban-Regime stütze, und die Tatsachendarstellung, dass die Gelder – immerhin 370 Millionen Eu­ro innerhalb von zwei Jahren – nicht direkt an die Taliban flossen, sondern an Hilfsorganisationen. Man mag es für überzogen marktschreierisch und böswillig halten, wenn der „Nius“- Chef von einem „Irrenhaus“ schreibt, in dem wir uns befänden, mit Ausrufezeichen nur so um sich wirft und herumreichelt, wie man das von ihm kennt. Doch hätte schon der Blick auf die Berichterstattung anderer in dem Augenblick, als die 370 Millionen für Afghanistan bekannt wurden, die Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SPD) zur Vorsicht anhalten sollen. Da war nämlich große Skepsis zu spüren, ob die Entwicklungshilfe für Afghanistan gut angelegt ist oder nicht doch dem Schreckensregime der Taliban dient.

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht sich mit der be­stätigten Verfassungsbeschwerde Reichelts gegen eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin wendet – die Klatsche trifft das Ministerium. „Kritik an der Bundesregierung gehört zur Demokratie“, sagt das BMZ, und „selbstverständlich“ halte „das Entwicklungsministerium auch schärfste und polemische Kritik aus“. Diese Behauptung, so scheint es uns, muss das Ministerium erst noch einlösen.

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