Galeria : Welche Filialen von Kaufhof und Karstadt geschlossen werden sollen
Galeria-Zentrale in Essen data-portal-copyright=
Das Geheimnis ist gelüftet: Die Liste, an welchen Standorten das Aus für Galeria-Filialen droht, wurde veröffentlicht. Betroffen ist auch die bisherige Zentrale in Essen.
Das bange Warten vieler Städte hat ein Ende: Das Warenhausunternehmen Galeria Karstadt Kaufhof hat eine Liste von Filialen veröffentlicht, die im Zuge der dritten Insolvenz des Unternehmens geschlossen werden sollen. Auf der Liste stehen 16 Standorte, darunter allein drei in Berlin.
Geschlossen wird auch die bisherige Zentrale in Essen. Für sie seien keine weiteren Verhandlungen geplant, hieß es aus Mitarbeiterkreisen. Die Verwaltung des Unternehmens wird in Räume im Gebäude der Filiale in der Düsseldorfer Schadowstraße umziehen. Dadurch trifft es den bisherigen Firmensitz besonders hart, denn auch die Filiale im Einkaufscenter am Limbecker Platz in Essen wird nicht fortgeführt.
Damit verlieren insgesamt 1400 Mitarbeiter ihren Job, darunter 450 in der Zentrale. „Wir haben für den Erhalt jeder einzelnen Filiale hart verhandelt“, sagte Insolvenzverwalter Denkhaus. Wo mit den Vermietern kein wirtschaftlich vertretbares Ergebnis zu erzielen gewesen sei, könnten die betroffenen Häuser nicht fortgeführt werden, so Denkhaus. Geschlossen werden folgende Filialen:
– Augsburg
– Berlin Ringcenter
– Berlin Spandau
– Berlin Tempelhof
– Chemnitz
– Essen
– Köln Breite Straße
– Leonberg
– Mainz
– Mannheim
– Oldenburg
– Potsdam
– Regensburg Neupfarrplatz
– Trier Fleischstraße
– Wesel
– Würzburg
Die künftigen Eigentümer von Galeria, die US-Investmentgesellschaft NRDC und der Unternehmer Bernd Beetz mit seiner Beteiligungsgesellschaft BB Kapital, können damit ihr zentrales Versprechen einlösen. Sie hatten zugesagt, mindestens 70 Häuser fortzuführen. Mit der Streichung von 16 Standorten würde sich das Filialnetz von 92 auf 76 verkleinern. Beetz sagte dazu: „Wir begrüßen die erzielte Einigung. Sie bietet eine bessere und nachhaltigere wirtschaftliche Grundlage für die Zukunft des Warenhauses.“
Die Schließungsliste ist jedoch wohl noch nicht endgültig. Der Insolvenzverwalter habe auch Filialen auf die Liste gesetzt, über die noch verhandelt werde, heißt es in Unternehmenskreisen. Damit einzelne Häuser doch noch weitergeführt werden könnten, müssten die Vermieter allerdings einlenken und doch noch Zugeständnisse machen.
Als wackelig galten insbesondere die 18 Filialen, die sich noch im Eigentum von Gesellschaften der bisherigen Galeria-Mutter Signa befinden. Dort musste Galeria Mieten zahlen, die häufig weit über Marktniveau lagen. So betrug beispielsweise die Miete für das Haus in der Kölner Hohestraße 30 Prozent des Umsatzes.
Erschwerend kam hinzu: Die Signa-Standorte befinden sich alle in einzelnen Objektgesellschaften, die jeweils insolvent sind. Die Verhandlungen auf der Eigentümerseite führte deshalb der dort zuständige Insolvenzverwalter Torsten Martini.
„Als Ziel haben wir einen marktüblichen Mietkorridor von sieben bis elf Prozent des Umsatzes definiert, um die jeweilige Filiale wirtschaftlich rentabel betreiben zu können“, erklärt Galeria-Insolvenzverwalter Denkhaus. In den Verhandlungen sei es gelungen, für die Mehrzahl der Signa-Häuser neue Mietverträge zu unterzeichnen. Auf der Schließungsliste stehen mit Mannheim, Mainz, Trier und Würzburg nur vier Signa-Standorte.
Für die von den Schließungen betroffenen Mitarbeiter hat das Unternehmen mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Darin ist auch festgelegt, dass die Betroffenen für acht Monate in eine Transfergesellschaft wechseln können.
Betriebsratschef Jürgen Ettl zeigte sich vorsichtig optimistisch. Vor ein paar Wochen sei die Angst vor dem Szenario einer Abwicklung von Galeria noch groß gewesen. „Doch jetzt gibt es noch mal eine Chance für das Warenhaus.“
Die Gewerkschaft Verdi kritisierte die Schließungen. „Das, was die Beschäftigten auszuhalten haben, geht weit über das Maß des Erträglichen hinaus“, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Silke Zimmer. „Wieder einmal entsteht der Eindruck, dass die Beschäftigten zum Spielball eines Mietpokers werden“, so Zimmer. Das Unternehmen müsse um jeden Arbeitsplatz kämpfen.
Die Ökonomin und Arbeitsmarktexpertin Annina Hering von der Jobvermittlungsplattform Indeed dagegen macht den Mitarbeitern Mut: „Die betroffenen Angestellten aus dem Einzelhandel dürften voraussichtlich schnell einen neuen Job finden“, sagte sie. Die Daten der Plattform zeigten, dass die Nachfrage nach Mitarbeitern aus dieser Berufsgruppe aktuell trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage Deutschlands vergleichsweise hoch sei. Für die Mitarbeiter aus der Konzernzentrale dagegen werde die Jobsuche schwieriger.
In den vergangenen 30 Jahren mussten bereits 302 Warenhäuser schließen
Einst gab es Hunderte von Kaufhäusern in Deutschland unter klangvollen Namen wie Karstadt, Kaufhof, Horten, Hertie und Quelle. Selbst Neckermann, Kaufring und Otto betrieben zeitweise große Warenhäuser. Doch davon ist wenig geblieben. Die jüngsten Schließungen setzen diesen Niedergang fort.
Allein seit 1994 wurden nach Berechnungen von Nina Hangebruch, die an der TU Dortmund zur Transformation ehemaliger Warenhäuser forscht, 302 Warenhäuser in Deutschland geschlossen, 219 davon noch vor der Fusion von Karstadt und Kaufhof unter der Dachmarke Galeria. Die ersten beiden Insolvenzen von Galeria bedeuteten dann für weitere 83 Filialen das Aus.
Immerhin: Für den Großteil dieser Häuser fand sich letztlich eine neue Verwendung. Doch bis dahin dauerte es im Schnitt rund fünf Jahre. Manche Häuser standen länger als zehn Jahre leer. Und in der Regel brauchte es hohe Investitionen und massive Umbauten, um die in die Jahre gekommenen Immobilien wieder mit Leben zu füllen.
Die Erfahrungen zeigen auch: Ein wichtiger Faktor in der weiteren Entwicklung sind auch die kommunalen Entscheider. Wo die Stadtverwaltungen rasch reagierten und aktiv an neuen Konzepten mitgearbeitet haben, konnten ein langer Leerstand vermieden und innovative Lösungen gefunden werden.
Neue Nutzung für alte Warenhäuser wird immer schwieriger
Beispiel Lünen: „Uns war klar, das ist eine tickende Zeitbombe“, sagt Astrid Linn, Fachbereichsleiterin für Stadtentwicklung, wenn sie sich an den grauen ehemaligen Hertie-Kubus mitten in der Innenstadt zurückerinnert. „Wir haben schon früh überlegt: Was machen wir damit, wenn das mal leer steht?“
Im Jahr 2009 war es so weit. Im Zuge der Karstadt-Insolvenz wurde das Haus geschlossen. Die Stadt rief sofort eine Ideenwerkstatt ins Leben, Architekten und Immobilienentwickler setzten sich an einen Tisch mit Eigentümervertretern. Nach einem Komplettumbau ist eine gemischte Wohn- und Gewerbeimmobilie entstanden, die mehrfach mit Preisen ausgezeichnet wurde.
Einen ähnlichen Weg geht jetzt die Stadt Hanau, wo Galeria die Kaufhof-Filiale im Januar 2024 geschlossen hat. Die Stadt hat die Immobilie gekauft und einen Kaufhof-Beirat eingerichtet, der alle Beteiligten zusammenbringt.
Die Hanau Marketing GmbH konzipiert zusammen mit einem Spezialisten für Markenkommunikation das Erdgeschoß neu für eine Handelsnutzung. Rund 20 Ladenflächen zwischen 16 und 106 Quadratmetern sollen im Erdgeschoss entstehen. Das erste Obergeschoss soll eine Bildungsetage werden, Planungen hierfür laufen mit der Brüder Grimm Berufsakademie Hanau und der Kathinka-Platzhoff-Stiftung.
Doch auch aus der letzten Insolvenz stehen noch zahlreiche Warenhäuser leer. Daher wird es bei den neuen Schließungen umso schwerer werden, rasche Lösungen zu finden. „Bis zu einer neuen Nutzung dauert es, das ist oft auch eine Durststrecke für die umliegenden Händler“, warnt Nina Hangebruch von der TU Dortmund. Und sie prognostiziert: „Die Zeiten bis zur Nachnutzung werden sich eher noch verlängern.“
Mitarbeit: Anja Müller
Erstpublikation: 27.04.2024, 10:48 Uhr.