Verfahren am Familiengericht können für betroffene Kinder belastend sein. Damit ihre Interessen gewahrt werden, wird ein Verfahrensbeistand bestellt (Symbolbild)
Als sogenannter “Anwalt des Kindes” ist ein Verfahrensbeistand ein zentraler Akteur, wenn es im Familiengericht um Umgang oder Sorge geht. Der Verantwortungsbereich wächst stetig, die Vergütung stagniert allerdings. Der Berufsverband sorgt sich um Qualität und Nachwuchs.
Danach gefragt, ob er sich manchmal einen Traktor wünsche, muss Ulrich Ames erst einmal lachen. “Ja”, sagt der 62-Jährige dann, “zumindest einen virtuellen. Oder sagen wir mal so: die Möglichkeit, sich richtig laut zu machen.” Ebenso wie die traktorfahrenden Landwirte und etliche weitere Berufsgruppen kämpft nämlich auch Ames derzeit mit seinen Kolleginnen und Kollegen für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Ames vertritt als Vorstandsmitglied im Berufsverband BVEB die Interessen der sogenannten Verfahrensbeistände. Verfahrensbeistände werden in familiengerichtlichen Verfahren, in denen es um Sorgerechts- oder Umgangsfragen geht als Vertreter der betroffenen Kinder bestellt. Sie sollen sicherstellen, dass die Interessen der Kinder gewahrt sind, können etwa in ihrem Namen Anträge stellen und Beschwerden einreichen.
Hinweis: Ein ausführliches Interview mit einer Verfahrensbeiständin über ihre Arbeit lesen Sie hier
Konkret geht es in ihrem Protest um die Vergütung. Die erfolgt über eine Pauschale, die pro Kind und pro Verfahren abgerechnet wird. Die Vergütungspauschale wurde 2009 gemeinsam mit der Rolle des Verfahrensbeistands per Gesetz eingeführt und seither nicht angepasst. Sie beträgt 350 Euro im sogenannten einfachen und 550 Euro im erweiterten Aufgabenpreis.
Ein Verfahrensbeistand muss alles mit einer Pauschale abdecken
Mit der Pauschale wird die komplette Tätigkeit eines Verfahrensbeistand abgegolten. Sie muss Auslagen abdecken und am Ende muss noch etwas für den Verdienst übrig bleiben. Die Anforderungen an Verfahrensbeistände sind seit einer Gesetzesänderung 2021 weiter gestiegen, wie Ames sagt. Ebenso die Zahlen der Kindschaftsverfahren und Bestellungen der Verfahrensbeistände an den Gerichten. Die Pauschale stieg jedoch nicht. Allein die Inflation habe ihren Wert seit 2009 um rund die Hälfte schrumpfen lassen, bemängelt der Verband. Für Ames und seine Kolleginnen und Kollegen gerät das zunehmend zu einem Problem. Der wirtschaftliche Druck sei enorm: “Der Bedarf an Verfahrensbeiständen ist ebenfalls gestiegen und wir bezweifeln, dass genug ausgebildet werden konnten, um ihn zu decken. Vor allem außerhalb der Ballungszentren”. Viele wandern zudem aus finanziellen Gründen in andere Berufe ab, wie Ames berichtet.
Der zeitliche Aufwand für den Verfahrensbeistand hängt stark vom jeweiligen Verfahren ab. “Geht es etwa um den elterlichen Umgang, müssen Richter innerhalb von vier Wochen einen ersten Verhandlungstermin ansetzen”, sagt Ames. Und weiter: “Wenn ich Glück habe, bestellt der Richter direkt einen Verfahrensbeistand”.
Er lese sich dann ein, treffe das Kind, schreibe die Eltern an, führe ein Gespräch mit dem Jugendamt, gegebenenfalls noch mit Dritten wie etwa der Kita oder Schule. Dann folge ein je ein Gespräch mit dem Kind zuhause bei der Mutter und beim Vater, später weitere Gespräche mit Eltern, Jugendamt und Dritten. Der Verfahrensbeistand muss dann einen Bericht für das Gericht verfassen und an den Anhörungs- und Verhandlungsterminen im Gericht teilnehmen. Je nachdem ob es einen Gerichtsbeschluss oder eine außergerichtliche Elternvereinbarung gibt, bespricht Ames diese dann mit dem Kind. Diese Beispielrechnung gilt für ein sogenanntes einfaches Verfahren. Am Ende stehen darin inklusive Fahrtzeiten etwa 18 Stunden Aufwand zu Buche – bei einer Fallpauschale von 550 Euro also ein Stundensatz von 30,55 Euro vor Abzug aller Kosten und Steuern.
Manchmal bleibt am Ende nur ein Stundensatz von 13 Euro übrig
Es gibt allerdings Verfahren, die wesentlich mehr Aufwand erfordern und deutlich länger laufen – zum Beispiel, wenn es riesige unüberbrückbar scheinende Konflikte zwischen den Eltern gibt und eine Kindeswohlgefährdung im Raum steht. “Wenn das Gericht dann sagt: Wir brauchen hier ein psychologisches Sachverständigengutachten, dann ist zwar für einen gewissen Zeitraum erst mal äußerlich Ruhe, weil der Sachverständige oder die Sachverständige erst mal arbeiten”, erläutert Ames und führt weiter aus: “Was nicht heißt, dass die Eltern nicht mit mir in Kontakt bleiben. Der Konflikt geht ja weiter, den löst der Sachverständige nicht, den löst das Gericht gerade nicht, also ist der Verfahrensbeistand oftmals die Anlaufstelle”.
In diesen komplizierten Verfahren sind dickere Akten zu studieren und mehr Gespräche mit allen Beteiligten nötig. Auch die Kinder brauchen gegebenenfalls mehr Beistand, weil sie zum Beispiel mit Loyalitätskonflikten zu kämpfen haben. Zudem geben die oft überlasteten Jugendämter nicht selten die Verantwortung an Ames oder seine Kolleginnen und Kollegen ab, wie er sagt. 42 Stunden Aufwand stehen am Ende eines solchen Verfahrens in Ames‘ Beispielrechnung zu Buche, was den Stundensatz auf 13,10 Euro zusammenschrumpfen lässt – wiederum vor Abzug aller Kosten und Steuern.
Dem BVEB zufolge müsste die Pauschale um mindestens 250 Euro erhöht werden, damit Verfahrensbeistände wirtschaftlich arbeiten und auch ihrer Fortbildungspflicht nachkommen können. Die einfache Pauschale von 350 Euro würde er am liebsten ganz abgeschafft sehen. “Es gibt eigentlich keinen Fall mehr, in dem diese wirklich Sinn macht”, sagt Ames. Der Verfahrensbeistand sei zu einer zentralen Figur im Gerichtsverfahren geworden, den einfachen Aufgabenkreis – also Gespräche nur mit dem Kind – gebe es eigentlich nicht mehr.
Zuständig für die Pauschale ist das Bundesjustizministerium. Eine schriftliche Anfrage, ob eine Anpassung der Vergütung dort in Planung ist, blieb bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet. Anfang März will der BVEB vor dem Ministerium demonstrieren, dann zum Familienministerium weiterziehen. Schweres Gerät steht allerdings für den Protest nicht zur Verfügung.
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