Fußball: Bayer Leverkusen – auch wirtschaftlich ein Meisterstück
Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro feierte am Sonntag mit der Mannschaft den ersten deutschen Meistertitel
Für Bayer Leverkusen zahlt sich mit dem Meistertitel nicht nur jahrelange wirtschaftlich solide Arbeit aus, sondern sie könnte den Verein insgesamt auf ein neues Niveau heben. Dahinter steht weniger der Bayer-Konzern als vielmehr Klubchef Fernando Carro
Auch Tage nach dem ersten deutschen Meistertitel in der Vereinsgeschichte sind die Fans von Bayer 04 Leverkusen noch im Siegestaumel. Die Mannschaft hat etwas erreicht, an dem der Verein schon einige Male ganz nah dran war, kurz vor dem Ziel aber doch immer wieder scheiterte.
Was sich nun endlich auszahlt, ist die jahrelange solide Arbeit des Vereins, und zwar nicht nur die sportliche, sondern vor allem die wirtschaftliche. Für Letztere ist bei Bayer Leverkusen vor allem ein Mann verantwortlich, Geschäftsführer Fernando Carro. Er leitet die Bayer 04 Fußball GmbH seit 2018 und hat es nach sechs Jahren endgültig geschafft, den Verein in der Spitze des deutschen Fußballs zu etablieren – und insgesamt auf ein höheres Niveau zu heben. Der Bayer-Konzern hat daran weniger Anteil als viele glauben.
Carro macht erst abseits vom Fußball Karriere
Im Fall eines Profifußball-Klubs wie Bayer 04 seien es natürlich zuerst die Spieler, das Trainerteam, aber eben auch das Management und alle Mitarbeitenden, die den Erfolg des Vereins ausmachen, sagte Carro in einem vom Verein veröffentlichten Interview Ende vergangenen Jahres. „Wenn alle Räder ineinandergreifen, steigt die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg.“
Carro weiß das, weil er erfolgreiche Phasen wie aktuell in Leverkusen schon in seiner vorherigen Karriere erlebt hat – die allerdings wenig mit Fußball zu tun hatte.
Der gebürtige Spanier machte sein Abitur an einer deutschen Schule und absolvierte anschließend eine Ausbildung zum Industriekaufmann beim deutschen Chemiekonzern BASF in Spanien. Danach studierte er am Karlsruhe Institute of Technology Wirtschaftsingenieurwesen und fing anschließend beim weltgrößten Medienkonzern Bertelsmann, zu dem auch Capital gehört, an zu arbeiten.
Dort blieb Carro 25 Jahre und bekleidete verschiedene Positionen, unter anderem im Marketing- und Medienbereich. Schließlich wurde er als Geschäftsführer des Dienstleistungsunternehmens Arvato sogar Vorstandsmitglied der Bertelsmann SE. Arvato hat rund 70.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und machte damals knapp 4 Mrd. Euro Umsatz. Berichten zufolge soll Bertelsmann-Chef Thomas Rabe Carro dann aber 2017 recht deutlich aus dem Unternehmen gedrängt haben.
Trikot-Sponsorings schon um Millionen Euro gestiegen
Zu dieser Zeit suchte Bayer Leverkusen gerade einen neuen Geschäftsführer – und ein Headhunter wusste, dass sich Carro für Fußball interessiert. Tatsächlich hat der Spanier bereits seit Kindertagen eine große Leidenschaft für Sport und Fußball, vor allem für seinen Heimatverein FC Barcelona. Seine Mutter unterrichtete als Spanischlehrerin sogar deutschsprachige Stars des Vereins wie Udo Lattek und Hans Krankl. Wie Bayer Leverkusen über Carro schreibt, ging mit dem Amt bei der Werkself für ihn ein Berufstraum in Erfüllung.
Bei vielen Fußballfans ist Bayer Leverkusen ähnlich wie der VfL Wolfsburg noch immer als sogenannter Plastikklub verschrien, weil der Verein als „Werkself“ aus einem Unternehmen hervorgegangen ist, dem Chemie- und Pharmakonzern Bayer. Tatsächlich ist die Bayer AG nach wie vor an dem Klub beteiligt – als Gesellschafterin der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH.
Die Bayer AG soll Medienberichten zufolge der Fußball GmbH jährlich 25,2 Mio. Euro zur Verfügung stellen und am Ende des Jahres Verluste ausgleichen. Im Jahr 2022, aus dem die aktuellsten Zahlen stammen, lagen die Verluste bei 7,3 Mio. Euro. Einen Gewinn konnte der Verein zuletzt 2019 erzielen, gibt die Deutsche Fußballliga an. Durch Trikotsponsoring soll der Verein in dieser Saison 8 Mio. Euro eingenommen haben und damit bis zu 3 Mio. Euro mehr als in den zehn Saisons zuvor. Laut dem Sportmagazin „Kicker“ machte die Fußball GmbH in der Saison 2021/22 rund 271 Mio. Euro Umsatz, eine eigene Jahresbilanz weist sie nicht aus.
Verkauf von Dauerkarten musste gestoppt werden
Die Einnahmen dürften in dieser Saison ähnlich wie die Trikotsponsorings noch deutlich steigen. Immerhin steht der Verein im DFB-Pokal-Finale und könnte auch in der Europa-League noch weit kommen und dort wertvolle internationale Gelder einkassieren. Auch der Umsatz dürfte mit dieser erfolgreichen Saison deutlich anziehen – nicht nur, weil zehntausende Leverkusenfans sich nach Saisonende im Fanshop neue Trikots mit dem Meister-Stern auf der Brust kaufen werden. Das Interesse am Verein nimmt insgesamt zu, national wie international, und es ist schwierig wie nie, an Tickets für Spiele in der BayArena zu kommen, dem Stadion der Leverkusener, in das rund 32.000 Menschen passen.
Unter Trainer Xabi Alonso ist eine derartige Euphorie rund um den Verein entstanden, dass dieser schon 2023 den Verkauf von Dauerkarten stoppen musste. Dazu habe man viele neue Mitglieder gewonnen, Ende des Jahres sei die 40.000er Marke überschritten worden, schreibt der Verein. Für Fernando Carro ist Werder Bremen ein gutes Beispiel dafür, was so ein Titel mit einem Verein machen kann. Denn seit Bremen in der Saison 2003/04 die Meisterschaft und den DFB-Pokal gewonnen habe, seien die Heimspiele eigentlich immer ausverkauft.
„Sollten wir es am Ende der Saison wirklich schaffen, etwas Großes zu erreichen, kann das wesentlich dazu beitragen, über Jahre hinweg auf ein neues, höheres Niveau zu kommen“, sagte Carro im vereinseigenen Interview im Dezember. „Dafür haben wir alle Voraussetzungen – sei es die Nähe zu unseren Fans, die große Professionalität in unserer Organisation oder die Qualität und Zielstrebigkeit bei allen, die hier arbeiten.“
Carro hat jedenfalls vor, noch in Leverkusen zu bleiben. Er hat seinen Vertrag verlängert und misst „Kontinuität an der Spitze eines Unternehmens“ große Bedeutung bei.
Profitiert auch das Image vom Bayer-Konzern?
Und auch beim angeschlagenen Bayer-Konzern hat der Titel des Werksklubs große Freude ausgelöst – wohl in der Hoffnung, dass er das eigene Image etwas aufpoliert. Denn seit der Übernahme des US-Glyphosatherstellers Monsanto hat das Image des Dax-Unternehmens stark gelitten, die Aktie befindet sich im Sinkflug. Bayer will tausende Stellen streichen.
Konzernchef Bill Anderson gratulierte dem Klub: „Es war mir eine Freude, Fernando (Carro), Simon (Rolfes), Xabi (Alonso) und das Team im vergangenen Jahr kennenzulernen und anzufeuern“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. „Ich habe aus erster Hand gesehen, wie ihr Fokus auf ein gemeinsames Ziel und ihre Bereitschaft, das Team über sich selbst zu stellen, zu hervorragenden Ergebnissen geführt haben.“
Erfahren Sie mehr: