Fernsehclub zur Sondersendung am 1. Mai - In der ARD teilt Chef-Gewerkschafterin plötzlich gegen ihre eigene Partei aus

Fahimi kritisierte, dass der Bund als eine Reaktion auf das Haushaltsurteil aus Karlsruhe die staatliche Gas- und Strompreisbremse bereits Ende des Jahres auslaufen lässt und nicht wie eigentlich geplant erst Ende März. Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Das Erste bringt zum Tag der Arbeit eine Sondersendung. Es geht um „Die neue Macht der Gewerkschaften“. Zwar hat Lokführer-Weselsky gut verhandelt, aber wo ist da sonst noch Luft nach oben? Es gibt immer mehr Streiks, die Deutschland nicht guttun. Aber Ideologie geht offenbar über Verstand.

Was hat uns Claus Weselsky genervt! Die Streiks der Lokführer haben viele Deutsche an den Rand der Verzweiflung gebracht – oder sogar darüber hinaus. Monatelang haben die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) und die Deutsche Bahn gestritten.

Sechsmal wurde innerhalb von fünf Monaten gestreikt. Es ging um die Absenkung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden. Um mehr Geld, klar. Und eine Inflationsausgleichsprämie. Am Ende hat die GDL viel herausgeholt. Es hat sich also gelohnt für jene, die dem umstrittenen Weselsky die Treue gehalten haben.

DGB-Chefin Fahimi befindet: „Es ist ein gutes Zeichen, wenn mehr gestreikt wird!“

Mehr Treue will auch DGB-Chefin Yasmin Fahimi. Lange hat man sie nicht mehr öffentlich gesehen, aber der 1. Mai ist naturgemäß ihr großer Auftritt. Bei der Sondersendung „Die neue Macht der Gewerkschaften“ in der ARD darf sie loswerden, was ihre Gewerkschaft künftig haben möchte.

Es gebe hohe Tarifabschlüsse, weniger Arbeitszeit, so der Moderator. Und: „Muss man da noch kämpfen?“ Eine rhetorische Frage, so scheint es. Und Yasmin Fahimi schaut auch gleich recht kampflustig. „Wir müssen manches verteidigen“, meint die DGB-Chefin. Die Phase nach Corona sei noch nicht bewältigt, ebenso wenig der Inflationsschock. Ihr Fazit: „Es ist ein gutes Zeichen, wenn mehr gestreikt wird!“

Weniger Mitglieder: „Haltet durch!“

Wir lernen Sina Rothe von ver.di kennen. Sie macht sich stark für Busfahrer und Busfahrerinnen im Erzgebirge. Dort meint man: „Die Bezahlung ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht, sondern eine Geringschätzung.“ Blöd nur, dass sich seit der Wiedervereinigung die Mitgliedszahlen bei den Gewerkschaften halbiert haben – von knapp zwölf Millionen auf unter sechs Millionen.

Doch jetzt steigen die Zahlen wieder, vor allem im Osten. Man glaubt: „Gewerkschaften sind der einzige Weg, etwas zu bewirken.“ Sina Rothe gibt vor: „Jetzt ist Schluss!“ und „Haltet durch!“

Mehr Lohn, mehr Freizeit? Am besten doch beides

Yasmin Fahimi erläutert im ARD-Interview ihre Flexibilität. „Wir beziehen Beschäftigte mehr ein: Wollen sie mehr Lohn oder mehr Freizeit?“ Im Subtext klingt das so: Am besten doch beides. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger befindet zwar: „Die Tarifbindung hat sich sehr bewährt.“ Er sagt aber auch: „Die Arbeitszeit in Deutschland ist zu niedrig. Das ist ein Problem für den Standort Deutschland.“

Das sieht Frau Fahimi naturgemäß anders. Es stört sie, dass in Deutschland jährlich zwischen 1,3 und 2 Milliarden Überstunden geleistet würden, weit mehr als die Hälfte davon unbezahlt. Da sei es „respektlos“, wenn manche sagten, man müsse den Menschen „Lust auf Arbeit“ machen. Es würde so getan, „als wären die Beschäftigten in Deutschland faul und wenig leistungsbereit“.

Mit Tarif? „Würden wir keine IT-ler finden“, erklärt der Firmenchef

Faul wirken die Mitarbeitenden einer Firma nicht, die Imagefilme produziert. Es wird dort über Tarif bezahlt. Und – Achtung! – wer mehr Leistung bringt, bekommt auch mehr Gehalt. Es erklärt der Chef auch: „Wenn wir Tariflöhne einsetzen würden, würden wir keine IT-ler finden.“ Deswegen zahlt er mehr.

Das ist ein Gesetz der Marktwirtschaft, also nix Neues. Frau Fahimi erklärt nach dem Einspieler, dass dieses Modell nicht bindend sei. Und da kommt dann der große Irrtum. Wenn ein Unternehmer mit einem Arbeitnehmer ein Gehalt verhandelt, ist das selbstverständlich bindend.

Es gibt ja auch einen Arbeitsvertrag dazu. DGB-Vorsitzende Fahimi tut so, als wäre das dummes Zeug: „Ich kann nur allen Beschäftigten raten: Wer dauerhaft eine rechtsverbindliche Absicherung haben will, der sollte mit uns gemeinsam dafür sorgen, dass es einen Tarifvertrag gibt.“ Also ist es besser, Tariflohn zu beziehen als eine höhere Summe, die frei verhandelt wurde? Ideologie ist eben doch stärker als Verstand.

Die FDP? „Weltfremd“, meint die DGB-Chefin

Bei ihrer Rede zum 1. Mai in Hannover hat Yasmin Fahimi die FDP beschimpft. Ihr gefordertes Ende der Rente mit 63? Wer sich so etwas ausdenke, habe keine Ahnung vom Arbeitsalltag der Beschäftigten. „Weltfremd“, so ihr Vorwurf.

Ebenso bezifferte Fahimi den volkswirtschaftlichen Schaden durch fehlende Lohnabkommen auf rund 130 Milliarden Euro jährlich. Und sie geht auch mit ihrer Partei, der SPD, hart ins Gericht: „Von der SPD erwarte ich, dass sie ihre Angebote für Wirtschafts- und Arbeitspolitik stärker herausarbeitet und nicht nur Abwehrkämpfe führt.“

Einkommensmillionäre leben in Saus und Braus? Immerhin zahlen sie viel Steuern

Am Ende kommt der Klassiker, natürlich: „Was tragen Einkommensmillionäre eigentlich zum Gemeinwohl bei?“ Frau Fahimi, ich kann Ihnen die Antwort geben! Einkommensmillionäre zahlen extrem viel Steuern, übrigens zum Spitzensteuer-Tarif. Ist ganz einfach.

Für Frau Fahimi augenscheinlich nicht: „Statt Bürgergeld- und Mindestlohnempfänger gegeneinander auszuspielen, sollten wir darauf schauen, mit welch absurd hohen Vermögen einige in Saus und Braus leben.“ Es wird künftig mehr Streiks geben, davon ist auszugehen. Das Kampflied von 1863 scheint eine Renaissance zu erleben: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!“