Habeck, Baerbock und der Kampf um Europa

Auch ohne Opa geht es nach Europa. Die Grünen präsentieren ihre Kampagne für den Europawahlkampf. Vor vier Jahren entschieden sich die Grünen nach der Europawahl für die erste Kanzlerkandidatur ihrer Parteigeschichte. Die Debatte, wer es dieses Mal machen soll, steht ihnen noch bevor.

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Die Europa-Spitzenkandidatin der Grünen, Terry Reintke (links), stellte mit den Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang sowie Bundesgeschäftsführerin Emily Büning die Wahlkampagne vor

Auf nach Europa also. Da fahren die Grünen schon immer gerne hin. Es dürfte in den vergangenen Jahren kaum einen Bundesparteitag gegeben haben, bei dem die Grünen nicht laut ausgerufen hätten, dass sie doch die einzig wahre Europapartei im Deutschen Bundestag seien. Vor fünf Jahren stilisierte die Partei ihr Wahlergebnis zur „Klimaschutz-Wahl“ hoch. 20,5 Prozent Zustimmung bei der Europa-Wahl 2019 bedeuteten für die Grünen Platz zwei in Deutschland hinter CDU/CSU (28,9 Prozent), aber deutlich vor der SPD mit 15,8 Prozent. Und: Das Hoch über Europa war für die Grünen der Auslöser, ernsthaft über die erste Kanzlerkandidatur ihrer Parteigeschichte bei einer Bundestagswahl nachzudenken.

Nun wollen die Grünen wieder einen deutlichen Fußabdruck bei der Europa-Wahl hinterlassen. Noch 54 Tage, dann wählen die Menschen in Europa vom 6. bis 9. Juni ein neues Parlament. „Machen, was zählt“, steht auf der digitalen Großleinwand, als Spitzenkandidatin Terry Reintke am Montag in der Alten Münze in Berlin mit den Parteichefs Ricarda Land und Omid Nouripour sowie der Politischen Bundesgeschäftsführerin Emily Büning die Kampagne für die Europa-Wahl vorstellt. Ob es wieder ein grünes Europa-Hoch geben wird? Ungewiss. Die Partei stagniert aktuell bei 14 bis 15 Prozent. Bei den Landtagswahlen im September in Sachsen, Thüringen und Brandenburg dürfte es für die Grünen vor allem darum gehen, den Einzug in die Landtage überhaupt wieder zu schaffen. Die Ampel-Zeiten sind auch für die grüne Partei alles andere als ein politisches Konjunkturprogramm. Die Zeichen stehen auf Gegenwind.

Ganz anders noch 2021, als die Grünen für kurze Zeit mit 28 Prozent Zustimmung gemessen wurden. Ein Wert für eine Volkspartei. Mit dem Slogan „Deutschland. Alles ist drin.“ waren sie seinerzeit in den Wahlkampf um die Macht im Bund gezogen. Robert Habeck, damals Co-Parteichef neben Annalena Baerbock, sagte im April 2021 in einem Interview mit der Zeit: „Ich bin nicht in der Position, auf die ich hingearbeitet habe.“ Die Position wäre gewesen: Kanzlerkandidat der Grünen. Habeck musste damals – unter Schmerzen – Baerbock den Vortritt lassen, die diese erste Kanzlerkandidatur der Grünen-Parteigeschichte anführte. Dass Baerbock dabei kühl die „Frauenkarte“ gezogen habe, gemäß der parteiinternen Regelung (Frauenstatut), wonach der erste Listenplatz bei den Grünen stets einer Frau zusteht, ließ Habeck immer wieder durchblicken, ohne es explizit anzusprechen. Habeck schweigt zur Kandidatur und warnt seine Partei vor einer verfrühten Debatte über eine Kanzlerkandidatur. Alles zu seiner Zeit. Aber: Er ist Vize-Kanzler – und hat damit qua (inoffizieller) Funktion womöglich einen Vorteil. Die Grünen-Parteichefs Lang und Nouripour haben auf Nachfragen öffentlich mehrmals den beabsichtigten Fahrplan klar gemacht. Gibt es mehr als einen oder eine Bewerber(in), dann entscheiden die knapp 130.000 Mitglieder der Grünen in einer Urwahl. Die Partei will ganz offenkundig keine Hinterzimmer-Absprache mehr, wie das Rennen 2021 zwischen Baerbock und Habeck empfunden worden war.

Für Habeck brach damals eine mittlere politische Welt zusammen. „Nichts wollte ich mehr, als diesem Land als Bundeskanzler zu dienen“, sagte er in dem „Zeit“-Interview. Aus den Worten sprach der Schmerz über den Verzicht. Aber nun könnte er bessere Karten haben, zumal Außenministerin Baerbock an der Parteibasis an Kredit verloren hat. Unter anderem nehmen ihr Teile der Grünen ihre Zustimmung zur EU-Asylreform übel – oder auch ihre Bereitschaft, Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien möglich zu machen.

Habeck oder Baerbock? Führende Grüne gehen davon aus, dass es zu keiner Kampfkandidatur kommen werde, angeblich auch deshalb, weil dies die Partei spalten könnte. Denn nichts fürchten die Ampel-gebeutelten Grünen mehr als eine öffentliche Machtprobe um eine interne Kandidatur. Doch erst einmal wollen die Ökopaxe ein Ergebnis einfahren, mit dem sie in Europa wuchern können, schließlich soll der alte Kontinent – siehe Green Deal 2050 – grüner werden. Die Grünen wollten Teil einer „proeuropäischen Mehrheit“ sein, betont Reintke. Erst danach wollen sie später im Jahr entscheiden, wer an der Spitze sie in die Wahlauseinandersetzung im Bund führt – Habeck, Baerbock oder gar ein Team?

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