Nach Serie tödlicher Unfälle: Zürcher Trams sollen sicherer werden – auch ein Airbag wird geprüft

nach serie tödlicher unfälle: zürcher trams sollen sicherer werden – auch ein airbag wird geprüft

Die Niederflur-Trammodelle der VBZ, wie die Flexity-Trams (links) und das Cobra-Tram (rechts), haben aufgrund ihrer Form keine Fallgatter. ; Gaëtan Bally / Keystone

Im März wurden in der Stadt Zürich innerhalb von nur einer Woche drei Personen bei Tramunfällen tödlich verletzt. Das hat eine Debatte über die Sicherheit von Trams entfacht. Dazu haben die drei SVP-Stadtparlamentarier Michele Romagnolo, Samuel Balsiger und Yves Peier nun ein Postulat eingereicht, das den Stadtrat auffordert, zu prüfen, ob alte Trams sicherer gemacht werden können.

Romagnolo sagt dazu: «In den letzten Jahren haben Unfälle mit Personenschäden stetig zugenommen. Personen werden von Trams zerdrückt und kommen ums Leben. Wir können nicht tatenlos zuschauen.»

Tatsächlich kam es im Zürcher Stadtverkehr in diesem Jahr bereits zu mehr Todesfällen durch Schienenfahrzeuge als durchschnittlich innerhalb eines Jahres. Die Zahl der Unfälle mit Körperverletzung nahm laut Statistiken der VBZ ebenfalls zu, von 428 im Jahr 2020 auf 675 im Jahr 2023. Die meisten Verletzungen sind auf Stopp-, Ein- und Ausstiegsunfälle zurückzuführen.

Wirkung von Fallgattern nur bis acht Kilometer pro Stunde

Geht es nach den SVP-Gemeinderäten, sollen sogenannte Fallgatter die Anzahl Unfälle verringern. Ein Fallgatter ist eine Schutzvorrichtung, die heute vorwiegend bei den älteren Hochflurtrams wie dem Modell Tram 2000 eingesetzt wird. Es ist vorne an der Unterseite des Führerstands angebracht und wird automatisch durch eine Auslösestange aktiviert, sobald sich eine Person oder ein Gegenstand vor dem Tram befindet.

Wenn das Fallgatter ausgelöst wird, klappt es nach unten, so dass die Person oder der Gegenstand schneepflugartig vor dem Tram hergeschoben wird, bis das Fahrzeug zum Stillstand kommt. Dadurch soll verhindert werden, dass die Person oder der Gegenstand vom Tram überrollt wird.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Tramfahrerinnen und Tramfahrer das Fallgatter per Knopfdruck im Führerstand aktivieren, wie dies im Postulat gefordert wird. Heinz Schulthess, Trampilot und Präsident des Personalverbands «Transfair – VBZ-Züri-Linie», sagt auf Anfrage der NZZ, dass dies aber zu lange dauern würde. «Als Tramfahrer hat man keine Chance, zusätzlich zur Notbremsung auch noch das Fallgatter auszulösen.»

Das betonte schon 2010 die VBZ-Sprecherin Daniela Tobler in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen. Ein Fallgatter zeige aufgrund seiner Trägheit nur bis zu einer Geschwindigkeit von acht Kilometern pro Stunde die volle Wirkung. Die Unfallfolgen würden zudem lediglich abgeschwächt, und es sei keineswegs so, dass es Verletzungen vollständig verhindere.

Michele Romagnolo überzeugt dieses Argument kaum. Er ist sich sicher, dass die Schutzvorrichtung, deren schaufelartige Form bis zum Boden reicht, auch bei höheren Geschwindigkeiten Menschen und Gegenstände einfangen und wegstossen würde.

Niederflurtrams haben kein Fallgatter

Im Gegensatz zu den alten VBZ-Hochflurtrams haben die Niederflurtrammodelle wie Cobra und das neue Flexity-Tram kein Fallgatter. Die Front des Cobra-Trams liege tiefer, sei abgerundet und weise keine hervorstehenden, scharfkantigen Teile auf, sagte Tobler damals.

In einer Prototypenphase wurden Fallgatter bei den Cobra-Trams getestet, dann aber verworfen. Das Bundesamt für Verkehr begründete dies seinerzeit damit, dass der gesetzlich vorgeschriebene Überfahrschutz durch die Gestaltung der Fahrzeugfront bereits vorhanden sei.

Das führte zu Kritik, da sich der Luftraum unter der Cobra-Front keilförmig nach hinten verengt und daher eine gefährliche Einklemmwirkung haben könnte.

Diesen Luftraum brauche es aber, sagt der Trampilot Heinz Schulthess. «Je nach Steigung ist eine gewisse Bodenfreiheit erforderlich, sonst schleift die Schutzeinrichtung am Boden.» Im Winter würde starker Schneefall zu Schneemahden führen, die den Bügel und damit das Fallgatter auslösen könnten. Werde es ausgelöst, müsse es dann von Hand gereinigt und wieder zusammengeklappt werden. Das könne zu Verspätungen führen.

Neben zwei neuen Flexity-Trams war an den tödlichen Unfällen im März auch ein altes Hochflurtram involviert. In diesem Fall hätten zusätzliche Fallgatter an den hinteren Waggons möglicherweise Schlimmeres verhindern können, sagt Schulthess. Damals sprang ein Mann über die Kupplung und wurde mitgeschleift.

Dennoch: Die hinteren Tramwagen der älteren Modelle mit zusätzlichen Sicherheitsvorrichtungen auszustatten, ergebe wenig Sinn, da diese in den nächsten zehn Jahren ohnehin schrittweise ausgemustert würden, sagt Schulthess.

Auch jenseits der Kantonsgrenzen wird über das Thema debattiert. In Bern ist die Situation ähnlich wie in Zürich. Laut Rolf Meyer, Mediensprecher von Bernmobil, haben die neueren Niederflurmodelle Combino XL Be 6/8 und Tramlink ebenfalls kein Fallgatter. Ihre Frontschürze sei so niedrig, dass ein Überrollen von Personen unwahrscheinlich sei, so Meyer. Ausserdem habe es in den letzten zwanzig Jahren keinen Vorfall gegeben, bei dem ein Fallgatter einen Menschen vor schweren Verletzungen oder dem Tod bewahrt habe, schreibt Meyer.

Anders sieht es in Basel aus. Laut Matthias Steiger, Mediensprecher der Basler Verkehrsbetriebe, sind alle drei Tramtypen mit einem Bahnräumer ausgestattet. Dieser werde bei den älteren Cornichon-Trams durch einen Bügel ausgelöst. Bei den neueren Niederflurmodellen Combino und Flexity ist der Bahnräumer fest installiert und liegt laut Steiger nur wenige Zentimeter über dem Boden.

VBZ testet Tram-Air

In Zürich soll neben den abgerundeten Frontkabinen eine weitere Massnahme dafür sorgen, dass die Zahl der Unfälle auf ein Minimum reduziert wird. In einem Pilotprojekt testet die VBZ zusammen mit dem Zug- und Tramhersteller Alstom Airbags für Trams.

Diese werden durch einen Sensor an der Vorderseite der Fahrerkabine ausgelöst und sollen den Aufprall und die Folgen einer Kollision zwischen den Flexity-Trams und Fussgängern oder Radfahrern mindern.

«In frontalen Tramunfällen schlagen die Leute zuerst den Kopf an die Scheibe und fallen danach zu Boden», erklärt Schulthess. «Ein Airbag drückt eine Person weg und verhindert grösstenteils den Aufschlag.» Das minimiere das Risiko eines tödlichen Unfalls.

Laut dem VBZ-Mediensprecher Leo Herrmann hat das Projekt im Dezember 2021 begonnen und wird voraussichtlich im Sommer 2024 abgeschlossen sein. Wie es danach weitergehe, hänge von den Ergebnissen ab.

Eine andere Möglichkeit, die Sicherheit im Schienenverkehr zu erhöhen, wäre laut Schulthess, in rote LED-Lichter am Boden zu investieren. Diese würden Menschen warnen, die die Tramgleise überquerten, während sie auf ihr Smartphone starrten. Denn das Hauptproblem bei Unfällen seien Passanten, die unachtsam über die Strasse gingen.

Nähere Informationen gibt die VBZ zurzeit nicht preis. Auf Anfrage der NZZ heisst es, man könne sich aufgrund des hängigen Postulats im Gemeinderat nicht weiter zum Thema äussern.

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