Ex-Bundeswehroffizier aus Thüringen macht AfD-Wählern Angebot – um Björn Höcke aufzuhalten
Vor der Landtagswahl
Ex-Bundeswehroffizier aus Thüringen macht AfD-Wählern Angebot – um Björn Höcke aufzuhalten
Der ehemalige Bundeswehrsoldat Markus Koschlik möchte etwas gegen den Rechtsruck in Thüringen tun. Jetzt setzt er einen Plan gegen Höckes AfD in die Tat um.
Meiningen – Die Rückkehr in die Heimat war ein Schock für Markus Koschlik. Denn etwas, von dem er dachte, dass es längst ausgestorben sei, ist wieder da. In Meiningen in Südthüringen, wo Koschlik aufgewachsen ist, marschieren jetzt jeden Montag Dutzende Menschen mit schwarz-weiß-roten Flaggen, Fackeln und Putin-Standarten durch die Straßen. „Leute habt mehr Mut – gegen Asylantenbrut!“, rufen sie.
AfD-Aufwind und Rechtsruck in Thüringen: „Einiges erinnert mich an die Neonazis der 90er“
„Da werden Parolen skandiert, die an dunklere Zeiten der deutschen Geschichte erinnern“, erzählt Koschlik. Die liegen manchmal gar nicht so weit zurück. „Einiges erinnert mich an die frühen 90er, als Neonazis ähnliche Parolen genutzt haben. Die kommen jetzt halt wieder.“
Markus Koschlik ist Professor für Bauingenieurwesen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mosbach
Koschlik war lange weg. Anfang der 2000er ging er zur Bundeswehr, nahm als Offizier an Einsätzen in Afghanistan teil. Studierte, wurde Professor für Bauingenieurwesen, lebte in München, Stuttgart, Heidelberg. Vor kurzem ist der 41-Jährige mit seiner Familie in die alte Heimat gezogen. „Das war für mich ein Kulturschock“, sagt er.
Landtagswahl in Thüringen: AfD bei knapp 30 Prozent
Im September sind Landtagswahlen in Thüringen. Die AfD, die vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft ist, liegt in Umfragen bei knapp 30 Prozent. Das will Koschlik ändern, er will die Partei kleinbekommen und aktiv Politik machen. Er kandidiert für den Stadtrat – als Parteiloser. Er wolle nicht „irgendwelchen parteipolitischen Dingen“ verpflichtet sein, sondern nur seinem eigenen Gewissen, sagt er. Und er hat noch einen anderen Plan.
Wer in Thüringen unterwegs ist, in die kleinen Städte fährt und mit Menschen dort ins Gespräch kommt, merkt früher oder später: Manche sind voller Wut und voller Verächtlichkeit gegenüber dem Staat. Ein bisschen mag das ein Erbe aus der Corona-Zeit sein. Als es Auflagen gab, die vielen unverständlich waren. Als Verschwörungstheorien aufkamen und die Grenzen zwischen Wissenschaft und Fake News für manche zu verschwimmen schienen. Damals sei ein Riss zu spüren gewesen, der durch die Bevölkerung ging, sagte neulich auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow im Interview mit IPPEN.MEDIA.
Morddrohungen gegen Grünen-Politiker in Thüringen
Ähnlich formuliert das jetzt auch Markus Koschlik. „Damals ist wirklich ein Riesenriss durch die Stadt gegangen, wie in vielen anderen Städten in Thüringen auch.“ Um verhärtete Fronten aufzuweichen, gibt es in Meiningen seit einiger Zeit die „Stadtgespräche“. Für mehr Dialog zwischen Politik und Bevölkerung. Durchschlagenden Erfolg hat das nur bedingt. Einer, der das deutlich spürt, ist zum Beispiel Ulrich Töpfer. Der Grünen-Politiker ist stellvertretender Bürgermeister in Meiningen und wird immer wieder beleidigt und bedroht. „Er ist hier ganz schön übel angegangen worden. Es gab sogar Morddrohungen“, erzählt Markus Koschlik.
Der Ingenieur glaubt an den Wert von Fakten, an die Wissenschaft. „Die Menschen diskutieren oft nicht mehr sachlich“, sagt er. Er glaube: Wenn man mit potenziellen AfD-Wählern direkt ins Gespräch kommen kann und sachliche Lösungsansätze mit ihnen diskutiert, dann kann man vielleicht etwas ändern. Das probiert er nun aus.
Ex-Bundeswehroffizier will mit potenziellen AfD-Wählern ins Gespräch kommen
„Bis auf eine Ausnahme, LinkedIn, meide ich die sozialen Medien. Die Debatten dort unter zumeist anonymen Nutzern eskalieren mir oft zu schnell“, sagt Koschlik. Über LinkedIn hat er jetzt ein Angebot veröffentlicht: Wer will, kann mit ihm ins Gespräch gehen und sachlich über Themen sprechen, bei denen er sich auskennt: Wie entwickeln sich Mietpreise? Wie geht man baulich mit Leerstand in den Städten um? Wann werden endlich mehr Bushaltestellen gebaut? „Damit meine ich vor allem auch Menschen, die vielleicht gerade den demokratischen Parteien gegenüber skeptisch sind und mit der AfD liebäugeln“, sagt Koschlik.
Immerhin: Bei LinkedIn schlägt das ein. Hunderte, Tausende Male werden seine Posts geteilt und gelikt. Noch steht das alles am Anfang. Eine Graswurzelbewegung. „Der Plan ist, auch online regelmäßige Termine zum Beispiel über Teams anzubieten, bei denen Menschen ins Gespräch kommen. Wo man sachlich diskutieren kann. Im Zweifel auch anonym.”
Angst vor Übergriffen durch Rechtsextreme? „Ich war zwölf Jahre Offizier. Ich fühle mich resilient.“
Hat er keine Angst vor Bedrohungen und Übergriffen, wie sie immer mehr Kommunalpolitikerinnen und -politiker erleben? „Ich habe zwei kleine Kinder, da mache ich mir natürlich Gedanken. Aber für mich selbst habe ich weniger Bedenken“, sagt Markus Koschlik. Das könne auch an seinem liegen: „Ich war zwölf Jahre Offizier. Ich war in Afghanistan. Ich fühle mich resilient.“
Und: „Wer kann es sich hier leisten, auch mal öffentlich sein Gesicht zu zeigen? Der Unternehmer, der Aufträge akquirieren muss, will sich vielleicht nicht so öffentlich zeigen. Aber ich bin verbeamtet, ich bin sicher.“ Er habe eine Pflicht, etwas für die Demokratie zu tun. „Die AfD ist total wissenschafts-, wirtschafts-, demokratiefeindlich. Und deswegen ist es für mich ein Ziel, dass so eine Partei möglichst wenig Einfluss hat“, sagt Markus Koschlik.