Mike Johnson musste für die amerikanische Ukraine-Hilfe gewieft taktieren. Das könnte den Speaker sein Amt im Repräsentantenhaus kosten

mike johnson musste für die amerikanische ukraine-hilfe gewieft taktieren. das könnte den speaker sein amt im repräsentantenhaus kosten

Mike Johnson ;tätschelt den Arm des demokratischen Abgeordneten Adam Schiff – er braucht am Samstag die Stimmen der Demokraten. Bonnie Cash / Imago

Als Mike Johnson im vergangenen Oktober zum republikanischen Speaker gewählt wurde, galten seine Tage bereits als gezählt. Die Hardliner in seiner eigenen Partei hatten zuvor seinen Vorgänger, den kalifornischen Republikaner Kevin McCarthy, abgesägt, weil er ihnen zu gemässigt war. Das Amt ist ein Schleudersitz: Ein einziger düpierter Abgeordneter genügt, um ein Misstrauensvotum zu erheben. Und eine Handvoll Rebellen reicht, um in einer Abstimmung den Speaker zu Fall zu bringen, dermassen knapp ist die Mehrheit der Republikaner im Kongress. Es sei ein unmöglicher Job, sagte jüngst Newt Gingrich, der die Republikaner in den neunziger Jahren angeführt hatte. Er weiss Rat für Johnson: «Mutige Männer sterben einmal, ein Feigling stirbt hundert Tode.»

Noch ist Johnson quicklebendig. Wie ein Rodeoreiter hält er sich am Sattel fest und reitet den Bullen in die Arena. Bevor er den Mut fasste, die Hilfsgelder an Israel, Taiwan und die Ukraine endlich zur Abstimmung zu bringen, hatte er allerdings lange gezögert. Seit zwei Monaten sitzt das Repräsentantenhaus ein 95 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket aus, das in Kiew und Jerusalem sehnlichst erwartet wird. Das Gesetz wurde im Senat überparteilich verabschiedet, mit 22 republikanischen Stimmen, also fast der Hälfte der Republikaner im Senat. Doch Mike Johnson weigerte sich, die Vorlage im Repräsentantenhaus zur Abstimmung zu bringen.

Die Macht der Hardliner

Er wusste, seine Hardliner würden meutern, denn ihnen ist die Ukraine-Hilfe ein Dorn im Auge. Statt Gelder für ferne Kriege zu bezahlen, wollen sie die Migration an der eigenen Südgrenze bekämpfen. Angefeuert wurden sie von Donald Trump, der den Kompromiss im Senat aus wahlkämpferischem Kalkül zu verhindern suchte. «America first» zieht bei der Basis. Und Mike Johnson selber hatte gegen neue Hilfsgelder für die Ukraine gestimmt, als Präsident Biden sie letzten Sommer schon beantragte.

Nun tönt Mike Johnson anders. «Wir werden das Richtige tun», versprach er diese Woche in einem ausführlichen Interview mit dem linksliberalen Sender CNN, nicht gerade dem natürlichen Habitat für republikanische Spitzenpolitiker. Die USA würden fest an der Seite Israels stehen. Und: «Wir werden es nicht zulassen, dass Putin durch Europa marschiert.» Auf die Frage, weshalb er so lange gebraucht habe, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, meint Johnson, er führe eine historisch knappe Mehrheit an und es habe Zeit gebraucht für interne Überzeugungsarbeit.

Trumps schützende Hand

Damit meint er wohl weniger die Hardliner im Kongress als Donald Trump. Am vergangenen Wochenende flog Mike Johnson mit Ehefrau zum Abendessen mit Trump in dessen Anwesen Mar-a-Lago in Florida. An einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte Trump, Johnson sei ein guter Speaker, besser könne man es nicht machen. Dann lancierte der Ex-Präsident die Idee, die Ukraine-Hilfe in einen Kredit umzuwandeln. Einen Grund für Trumps Kooperation tönte Johnson an: Wenn Trump seine zweite Amtszeit antrete, werde er in der Lage sein, einen Frieden zu verhandeln. Man mag ergänzen: Das lässt sich einfacher aus einer Position der Stärke tun.

Die Idee Trumps findet sich im Gesetzesentwurf wieder, den Johnson eine knappe Woche später präsentiert hat und der nun zur Abstimmung im Repräsentantenhaus kommen soll. Johnson macht einen Kunstgriff: Er schneidet den Globalvorschlag aus dem Senat in drei Tranchen. Der Grund ist arithmetisch: Eine Allianz von rechten und linken Nein-Stimmen wird damit verhindert. Die Abgeordneten sollen separat über die Hilfsgelder für Israel, die Ukraine und Taiwan abstimmen können. Hinzu kommt eine vierte Tranche mit Themen, die Konservativen am Herzen liegen: die Beschlagnahmung russischer Vermögen und ein weiteres drakonisches Tiktok-Gesetz.

Interessant ist, dass Johnson den Umfang der Hilfsgelder nicht gestrichen hat, er entspricht mehr oder weniger der Vorlage des Senats: rund 60 Milliarden Dollar für die Ukraine, über 14 Milliarden Militärhilfe für Israel und 8 Milliarden für den Indopazifik. 10 Milliarden Wirtschaftshilfe für die Ukraine soll in eine Kreditlinie umgewandelt werden. Zudem sind 9 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfe unter anderem im Gazastreifen vorgesehen.

Koalition der Erwachsenen

Schub hat Johnsons Initiative höchstwahrscheinlich durch den Angriff Irans auf Israel erhalten. Zudem ertönten die Hilferufe aus der Ukraine immer dringlicher. Innenpolitisch ist der Druck aus dem Pentagon und von den Republikanern im Senat nochmals gestiegen. Mike Johnsons Vorlage wird von allen republikanischen Vorsitzenden der parlamentarischen Kommissionen unterstützt, die mit Sicherheit und Verteidigung zu tun haben. Unter dem Eindruck der steigenden Gefahr einer Niederlage der Ukraine scheint sich unter den Republikanern eine Koalition der Erwachsenen zu formieren.

Die Reaktion der Hardliner im Repräsentantenhaus ist wie erwartet. Abgeordnete wie Matt Gaetz, Thomas Massie, Chip Roy und Marjorie Taylor Greene sehen in Johnsons Vorstoss nichts anderes als Verrat. Taylor Greene hat bereits angekündigt, ein Misstrauensvotum gegen Johnson zu erheben. Der Backlash folgte umgehend. Eine Kommentatorin des konservativen Senders Fox News nannte Greene eine «Idiotin», die die Republikanische Partei zerstören wolle. Trump sagte an der Pressekonferenz mit Johnson, Greene verstehe sicher, worum es gehe. Ein klarer trumpscher Drohfinger.

Vom Hinterbänkler ins Rampenlicht

Solange Johnson die schützende Hand von Donald Trump über sich weiss, darf er sich einigermassen sicher wähnen. Doch das kann sich schnell wieder ändern. Denn Johnson macht sich nach dem Bruch mit den republikanischen Hardlinern abhängig von den Demokraten im Abgeordnetenhaus. Ohne sie lässt sich insbesondere die Ukraine-Hilfe nicht durchbringen. Am Freitag stimmten 165 Demokraten und 151 Republikaner für ein Eintreten. Es war ein seltener Augenblick der überparteilichen Minne im polarisierten Kongress. Auch im Fall eines Misstrauensvotums wäre Johnson auf die Hilfe des politischen Gegners angewiesen, und das mitten im Wahlkampfjahr.

Der ehemalige christlich-fundamentalistische Hinterbänkler mit den sanften Manieren bringt Bewegung in den Kongress. Das hätten wenige vom ultra-konservativen Südstaatler aus Louisiana erwartet, vor allem nicht die Demokraten. Sie halten Johnson für eine Persona non grata, seit er versucht hat, Joe Bidens Wahl als nicht verfassungsmässig darzustellen. Nun arbeiten sie mit Johnson zusammen, während die republikanischen Hardliner das Nachsehen haben. Wie lange wird sein Rodeoritt dauern? Bis die Sonne untergeht.

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