Ukraine: Wie kann der Krieg enden?

Zwei Jahre ist es her, dass Russland die Ukraine erneut angegriffen hat. Frieden ist nicht in Sicht. »Dein SPIEGEL« hat mit Russland-Expertin Sabine Fischer darüber gesprochen, wie es weitergehen könnte.

ukraine: wie kann der krieg enden?

Ukraine: Wie kann der Krieg enden?

Wie ist die Situation im Kriegsgebiet?

Im ersten Jahr nach Kriegsbeginn konnte die Ukraine viele der von Russland besetzten Gebiete zurückerobern. Doch seit einiger Zeit gibt es eine Frontlinie innerhalb der Ukraine, die sich kaum verändert. Mal gewinnen die Russen ein paar Meter, dann werden sie von den Ukrainern zurückgedrängt. Der langwierige Kampf ist mühsam, kostet viel Geld und Tausende Menschenleben.

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Warum dauert der Krieg so lange?

»Die russische Führung um Wladimir Putin hat unterschätzt, wie groß der Wille und die Kraft der Ukrainer sind, ihr Land zu verteidigen«, erklärt Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. »Die Ukraine ist jedoch nicht stark genug, um die von Russland besetzten Gebiete ganz zu befreien.« Im Moment ist keine Seite in der Lage, den Krieg zu gewinnen, aber keine will aufgeben.

Welche Rolle spielen die westlichen Länder?

Die westlichen Staaten haben der Ukraine sehr geholfen, indem sie Waffen geliefert und die Ukraine politisch und wirtschaftlich unterstützt haben. »Einige Menschen im Westen denken jedoch mittlerweile, dass der Krieg zu lange dauert und dass ein Kompromiss mit Russland gefunden werden sollte. Auch manche Politikerinnen und Politiker denken das«, sagt Sabine Fischer. Zudem sind andere Themen in den Vordergrund gerückt: zum Beispiel der Krieg, den Israel nach einem Angriff der Terrororganisation Hamas in Gaza führt. »Dennoch ist die entschlossene Unterstützung des Westens für die Ukraine unbedingt nötig, damit sie im Krieg eine Chance hat«, sagt Sabine Fischer.

Warum sind die Kriegs­parteien nicht zu einem Kompromiss bereit?

Putin und seine Unterstützer können es sich nicht leisten, den Ukrainekrieg zu verlieren, weil sie sonst vor ihrem eigenen Volk schwach wirken würden und an Macht verlieren könnten. Putin will Russland wieder zu einer starken Weltmacht machen, der die Ukraine einverleibt werden soll. Unter anderem deshalb sieht er keine andere Möglichkeit, als den Krieg weiter­zuführen. Die Ukrainer dagegen wissen, dass sie im Falle eines russischen Sieges ihre Unabhängigkeit verlieren würden. »Sie haben das Recht, sich zu verteidigen, weil sie angegriffen wurden«, betont die Russlandexpertin Sabine Fischer.

Was müsste passieren?

Um den Krieg zu beenden, müssten Russland und die Ukraine einen Vertrag schließen, in dem die Landes­grenzen festgelegt werden und ein Waffenstillstand vereinbart wird. Sabine Fischer nennt drei Möglich­keiten, wie es zu einem solchen Vertrag kommen könnte:

Die Ukraine wird von den westlichen Großmächten gezwungen, in der aktuellen Situation einen Waffenstillstand zu akzeptieren, obwohl noch ein größerer Teil ihres Landes von Russland besetzt ist. Ein solcher Waffenstillstand wäre wahrscheinlich nicht stabil, der Krieg könnte dann leicht wieder ausbrechen.

Russland setzt sich durch und erreicht einen Teil seiner Kriegsziele, nämlich den Sturz der ukrainischen Regierung und die Einsetzung einer russlandfreundlichen Führung in Kiew. Damit hätte Putin die politische Kontrolle über die gesamte Ukraine. Auch dieser Frieden wäre instabil, und viele Menschen würden aus dem Land fliehen.

Die Ukraine setzt sich durch und befreit große Teile ihres besetzten Landes. Anschließend könnte ein Waffenstillstand mit Russland ausgehandelt werden, in dem die Unabhängigkeit der Ukraine festgeschrieben wird. Um diese Unabhängigkeit zu garantieren, bräuchte die Ukraine jedoch den Schutz der westlichen Staaten. Es müsste klar sein, dass die Ukraine Teil der Europäischen Union und des Verteidigungsbündnisses Nato wird.

Wird die Ukraine Mitglied der EU und der Nato?

Seit zehn Jahren arbeitet die Ukraine eng mit der Europäischen Union zusammen. Vier Tage nach Beginn des russischen Überfalls beantragte der ukrainische Präsident Selenskyj offiziell den Beitritt zur EU. Die Länder der EU haben beschlossen, mit der Ukraine über den Beitritt zu verhandeln. Obwohl es noch Jahre dauern wird, bis die Ukraine tatsächlich EU-Mitglied wird, ist das ein deutliches Signal an Russland.

Um EU-Mitglied zu werden, muss die Ukraine zunächst sicherstellen, dass in ihrem Land alle Regeln und Gesetze eingehalten und alle Menschen fair behandelt werden. Außerdem muss sich die Ukraine wirtschaftlich verbessern: Es muss im Land genug Arbeitsplätze für die Einwohner geben, und sie müssen genug Geld verdienen.

Die Ukraine arbeitet auch schon etliche Jahre an einer Aufnahme in das Nato-Bündnis. Die Nato-Länder waren sich lange uneinig, ob es eine gute Idee ist, die Ukraine aufzunehmen, da dies Russland provozieren würde. Im Verlauf des Ukrainekriegs hat Präsident Selenskyj einen Antrag auf beschleunigten Nato-Beitritt gestellt. Doch solange sich ein Land im Krieg befindet, ist die Aufnahme in die Nato so gut wie ausgeschlossen. Dann wären die Nato-Mitglieder nämlich verpflichtet, ihr neues Mitgliedsland Ukraine aktiv zu unterstützen, zum Beispiel indem sie mit eigenen Soldaten und Waffen gegen Russland kämpfen.

Dieser Artikel erschien in »Dein SPIEGEL« 3/2024.

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