„Etwas leicht Würdeloses“ – Mathias Döpfner kritisiert China-Politik der Ampel

In Berlin diskutiert Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner über sein Buch „Der Freiheitshandel“. Politiker und Ökonomen loben den Vorschlag, einen wertebasierten Freihandelsclub zu gründen. Die Kosten für die Wirtschaft wären gewaltig – für Döpfner sind sie dennoch alternativlos.

„etwas leicht würdeloses“ – mathias döpfner kritisiert china-politik der ampel

Mathias Döpfner, Vorstandschef des Axel-Springer-Konzerns dpa

Dass sich in der wirtschaftspolitischen Diskussion in den vergangenen Monaten einiges verändert hat, merkt man am Montagabend nicht nur auf dem Podium der Veranstaltung des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), sondern vor allem im Publikum. „Kein Handel mehr mit Diktaturen – teure Moral oder kluge Strategie?“, fragt das Wirtschaftsforschungsinstitut an diesem Abend.

Als Zuhörer sind nicht nur Ökonomen und Studenten gekommen, sondern auch hochrangige Mitarbeiter von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Die Chefökonomin des Wirtschaftsministeriums, Elga Bartsch, könne „dann gleich alles, was wir hier besprechen, morgen früh in die Praxis umsetzen“, scherzte IfW-Präsident Moritz Schularick.

Dass es so schnell natürlich nicht geht, ist auch Schularick klar. Schließlich unterscheidet sich die Position seines Gastes klar von der des Bundeskanzlers. Mathias Döpfner, Vorstandschef des Axel-Springer-Konzerns, zu dem auch WELT gehört, diskutiert an diesem Abend über sein gerade erschienenes Buch „Der Freiheitshandel“ (Plassen-Verlag).

Darin entwirft Döpfner eine Strategie für den globalen Handel der Zukunft: Die Idee von Wandel durch Handel hält er für gescheitert, stattdessen müsse der Westen seine eigene Strategie dringend ändern, um der Bedrohung der Demokratie durch autoritäre Systeme wie China zu begegnen.

An die Stelle der Welthandelsorganisation (WTO) solle eine Art Freiheits-Handelsclub treten, dessen Mitglieder mindestens folgende Werte teilen: Freiheit und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Klimaschutz. Mit autoritären Diktaturen wie China soll der Handel durch hohe Zölle stark eingeschränkt werden.

„Gretchenfrage der internationalen Wirtschaftsbeziehungen“

Noch kurz vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine sei das als eine naive Idee, bestenfalls als utopische Vorstellung abgetan worden, schreibt Döpfner selbst zu Beginn seines Buches.

Doch an diesem Abend in Berlin zeigt sich, dass inzwischen auch profilierte Außenpolitiker und Ökonomen diesem Vorschlag einiges abgewinnen können. Es gehe um „die Gretchenfrage der internationalen Wirtschaftsbeziehungen“, sagt Schularick.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen lobt Döpfners Buch als „wichtigen Beitrag zu einer überfälligen Diskussion in Deutschland“. Handelspolitik werde hierzulande immer noch traditionell verstanden, es gehe fast ausschließlich um ökonomische Interessen.

Döpfner hingegen verstehe Handelspolitik als „normativ begründete Geopolitik“, sagt Röttgen. „Das ist geradezu eine Provokation.“ Der chinesische Staatschef Xi Jinping verstehe hingegen gar nicht, warum man überhaupt die Frage stellt, ob Handelspolitik auch Geopolitik sein soll.

Röttgen spricht von einem „Zeitalter der geopolitischen Systemrivalität“, die Nachkriegsordnung sei zu Ende gegangen. „Wir sind in einer Zwischenphase, in der die neue internationale Machtarchitektur sich entwickelt und ausgekämpft wird“, sagt er.

Döpfners Buch nehme diese neue geopolitische Realität im Gegenzug zur Kenntnis. Es sei auch ein Plädoyer, „dass wir in Deutschland uns nicht mehr leisten können, diese geopolitische Veränderung handelspolitisch zu ignorieren“.

Röttgen stellt auch Fragen zu Döpfners Thesen: „Ist das jetzt Moralisierung von Handel, die zu keinem guten Ergebnis kommen kann?“, will er mit Blick auf den vorgeschlagenen Freihandelsclub mit ähnlichen Werten wissen. Doch die drei vorgeschlagenen Werte – Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Klimaschutz – seien eben „nicht irgendeine westliche Moral“. Vielmehr komme es in diesen Punkten zu einer Übereinstimmung von moralischem Anspruch und dem kollektiven Interesse der Deutschen.

Die Einzelinteressen der Unternehmen mit starkem China-Geschäft hätten hingegen langfristige Nachteile nicht nur für diese Firmen. „Wenn ihre Hochrisikostrategie, sich in eine Abhängigkeit von einem Markt – dem chinesischen – zu bringen, schiefgeht, dann werden es nicht nur die privaten Unternehmen, die das Risiko eingegangen sind, bezahlen müssen, sondern weil das strategische Sektoren, strategische Unternehmen sind, entsteht ein volkswirtschaftlicher Ansteckungseffekt“, warnt Röttgen. „Dann waren die Profite privat, und die Kosten und Konsequenzen werden sozialisiert.“

„Ist es richtig, sich als Minderheit abzugrenzen und alle anderen auszugrenzen?“

Dennoch sehe er die von Döpfner entworfene Strategie auch kritisch: „Ich bin mir nicht sicher, ob das von Ihnen vertretene Konzept eine bipolare Welt schaffen wird, die nicht unser Interesse ist“, sagt Röttgen. „Wir gegen die anderen, wir, die Freiheitsstaaten.“

Der Großteil der Weltbevölkerung befinde sich in Ländern, die den Aufnahmekriterien in den Handelsclub nicht genügen würden. „Ist es richtig, sich als Minderheit abzugrenzen und alle anderen auszugrenzen?“, fragt der CDU-Politiker. Ob das nicht geradezu die Einladung an China wäre, ganze Regionen und Erdteile zu übernehmen, weil sie von Europa und den USA ausgegrenzt werden?

Döpfner räumt ein, dass sein Konzept „im Moment durchaus noch den Charakter einer Utopie hat“. Es gehe ihm darum, einen Anstoß zum Umdenken zu geben. „Denn das Modell, das wir seit ein paar Jahrzehnten umsetzen, das hat nun nachgewiesenermaßen nicht dazu geführt, dass die Demokratie, die offene Gesellschaft gestärkt ist, sondern, wenn wir so weitermachen, dass sie ernsthaft gefährdet ist“, so Döpfner.

Es gehe um mehr als eine Machtfrage, nämlich um die Frage, wie wir leben wollen. „Da müssen wir nicht einfach weiter die naive Hoffnung hochhalten, dass Wandel durch Handel dazu führt, dass in autokratischen Ländern das Leben freier und offener wird – das Gegenteil ist erwiesen“, sagt er. „Ich konnte nicht mehr zugucken, wie es läuft.“

Die Diskussion über die kurzfristigen Kosten seiner Vision halte er für irreführend. Es sei wie bei einer guten Steuerreform: Da heiße es am Anfang auch immer, dass das alles nicht refinanzierbar sei, dann stelle man aber fest, dass „es überschießende positive Effekte“ gebe. Man müsse die Kosten einer Umsetzung seiner Strategie mit denen anderer Szenarien vergleichen.

Allein der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe für Deutschland Kosten im dreistelligen Milliardenbereich verursacht. „Das hat doch deutlich gezeigt, dass es auch nicht realistisch ist, zu sagen: Wir machen einfach weiter so, dann bleibt es so schön günstig“, sagt Döpfner. „Nein, wir werden einen Preis zu zahlen haben.“

Der würde wohl hoch ausfallen. „Dann wird die Welt durch den Plan von Herrn Döpfner so ungefähr fünf bis sechs Prozent ärmer“, sagt Ökonom Schularick. „Das ist eine Riesenzahl, wenn man das auf die gesamte Weltwirtschaft hochrechnet, sind das viele Billionen Dollar und Euro.“

Döpfner glaubt jedoch nicht, dass Europa eine Wahl hat, sich für oder gegen die Kosten zu entscheiden. „Die Frage ist nicht, ob und wann wir uns in welcher Konstellation von China emanzipieren, de-risken oder abkoppeln, sondern die entscheidende Frage ist: Wann tut China das?“, warnt er.

Die deutsche Autoindustrie sei längst abhängig von China

Man müsse sich auf den Moment vorbereiten, in dem China Europa nicht mehr brauche. Die deutsche Autoindustrie sei längst abhängig von China. „Alle denken immer, deshalb dürfen wir nicht aufhören, deshalb müssen wir nett sein, deshalb müssen wir hinfahren mit einer großen Delegation“, so Döpfner.

Zu Zeiten des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) sei man in China noch stolz gewesen, wenn ein deutscher Regierungschef zu Besuch gekommen sei, heute sei die Bedeutung einer solchen Reise von Kanzler Olaf Scholz (SPD) völlig anders. „Deswegen bekommt so eine Reise etwas leicht Würdeloses, etwas fast Flehendes“, so Döpfner.

Röttgen kritisierte, dass schon die Zusammenstellung der Wirtschaftsdelegation, die den Kanzler begleitete, ein falsches Signal aussende, weil „ausschließlich die dabei sind, die schon abhängig sind“, so der CDU-Politiker.

In Europa gebe es bei der Distanzierung zu China noch „zu viel Halbherzigkeit“, viele hätten noch die Hoffnung, es könnte einen „dritten Weg“ geben, auf dem man sich nicht für die USA oder China entscheiden muss, sagt Döpfner. „Den sehe ich nicht.“ Auch er wolle keine bipolare Welt, aber es reiche nicht, die eigene Abhängigkeit durch das sogenannte De-Risking zu reduzieren, man brauche eine starke transatlantische Allianz als Basis, von der aus dann alle anderen Länder und Weltregionen eingeladen seien, sich anzuschließen. „Ich will keine Abgrenzung, ich will keine Ausgrenzung, ich will Anreize, jeder kann mitmachen“, sagt Döpfner.

Derzeit übten Deutschland und Europa aber keine große Anziehungskraft aus. Die Chinesen und viele andere autoritäre Regime seien erfolgreich, weil sie ihre Ziele smart und mit „unglaublicher Disziplin und unglaublichem Fleiß ihrer Völker“ verfolgten, „während bei uns schon eine Mischung aus Selbstzufriedenheit und Führungsschwäche entstanden ist“, so Döpfner.

„Wenn es bei uns von Innovationsmangel bis Überregulierung, von der Idee, dass man Krisen durch weniger Arbeit meistern kann, worüber sie sich in Asien wirklich schlapp lachen, dass wir so etwas ernsthaft diskutieren, wenn wir versuchen, mit solchen Methoden voranzukommen und sich dann noch politische Eliten in einer solchen Weise polarisieren und entzweien, dass gemeinsame Interessen überhaupt nicht mehr vertreten werden können, dann brauchen wir uns auch nicht zu wundern, wenn sich die Machtgefüge noch weiter verschieben.“

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