„Es muss gegen Gewalttäter knallhart durchgegriffen werden“

Berlin . Der SPD-Chef spricht über Angriffe auf Politiker, den Haushaltsstreit in der Koalition und seine Vorschläge, den Wehrdienst neu zu organisieren.

„es muss gegen gewalttäter knallhart durchgegriffen werden“

Lars Klingbeil ist ein deutscher Politiker der SPD. Seit 2017 ist er Generalsekretär der Partei, seit 2021 sogar im Vorsitz der SPD. Wir stellen ihn in Bildern vor.

Herr Klingbeil, in Dresden ist der SPD-Kandidat für die Europawahl, Matthias Ecke, massiv angegriffen worden. Zuletzt wurde Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey Opfer eines Angriffs. Jetzt werden die Konsequenzen diskutiert. Kann es überhaupt einen umfassenden Schutz für Politiker geben im Wahlkampf?

Klingbeil Es geht nicht darum, Politiker vor den Bürgerinnen und Bürgern zu schützen. Aber es geht darum, den Schutz vor einem gewaltbereiten Mob zu erhöhen. Matthias Ecke ist derjenige, der am heftigsten attackiert wurde, und ich rechne ihm hoch an, dass er sich nicht einschüchtern lässt und weitermacht. Aber leider gibt es eine Häufung von Angriffen auf Ehrenamtliche und Berufspolitiker, wie zuletzt den Vorfall mit Franziska Giffey. Es muss gegen Gewalttäter knallhart durchgegriffen werden. Es geht auch darum potenziellen Nachahmern klar zu machen, dass so etwas nicht geduldet wird.

Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?

Klingbeil Ich erwarte von den Innenministern von Bund und Ländern, dass der Wahlkampf ausreichend abgesichert ist. Es braucht mehr Polizeischutz für Veranstaltungen und konsequentes Vorgehen der Staatsanwaltschaften und Richter gegen die Täter. Und es braucht die Möglichkeit für Kommunalpolitiker, Vorfälle zu melden, sodass die auch wirklich ernst genommen werden. Zu oft werden Anfeindungen oder Bedrohungen nicht sorgfältig genug verfolgt. Aber es geht nicht nur um mehr Polizei oder schärfere Strafen, wir brauchen auch als Gesellschaft eine Klarheit, dass wir so etwas nicht akzeptieren. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen, die sich für unser Land engagieren, das aus Angst nicht mehr tun.

Welche Ursachen sehen Sie für die Verrohung?

Klingbeil Die AfD hat früh den Samen des Hasses gesät, indem beispielsweise Alexander Gauland 2017 ankündigte, man werde Kanzlerin Angela Merkel jagen. Jetzt geht dieser Samen auf. Eine solche Sprache führt zu einem gesellschaftlichen Klima, in dem Attacken, Morddrohungen und Einschüchterungen stattfinden. Und das ist ein gesamtdeutsches Problem, nicht nur eines im Wahlkampf für die Landtagswahlen in Ostdeutschland.

Hat es auch etwas mit dem Dauerstreit in der Ampel oder teils scharfer Kritik der Opposition zu tun?

Klingbeil Da gibt es einen erheblichen Unterschied. Ja, der Streit in der Ampel war zu viel und hat auch mich genervt. Aber die Demokratie lebt von Debatten. Dieses Ringen ist erlaubt und macht das Wesen von politischer Vielfalt aus. Alle Demokraten müssen zusammenstehen gegen Angriffe auf Politiker. Dazu gehören Linke genauso wie Konservative. Die Angreifer wollen die Demokratie abschaffen.

Wie bewerten Sie es vor dem Hintergrund, dass die EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen möglicherweise mit den Stimmen von Europas Rechten erneut zur Kommissionspräsidentin gewählt werden soll?

Klingbeil Ich erwarte von der Union, dass sie eine rote Linie bei Kooperationen mit Rechtspopulisten und Rechtsextremen zieht. Wenn Frau von der Leyen bereit ist, für den eigenen Machterhalt die Tür für die Rechtsextremen auch nur einen Spalt aufzumachen, dann verlieren am Ende alle Demokraten.

Der Kanzler ist auf den SPD-Wahlplakaten mit dem Slogan „Frieden“ zu sehen. Wie passt das zusammen mit seinem Werben für immer neue Waffenlieferungen an die Ukraine?

Klingbeil Da gibt es keinen Widerspruch. Frieden kann es in der Ukraine nur geben, wenn Putin mit seinem Vernichtungskrieg nicht vorankommt und die Souveränität der Ukraine gewährleistet bleibt. Das erreicht man durch weitere Waffenlieferungen an die Ukraine und begleitende diplomatische Bemühungen. Frieden bleibt das Ziel. Aber kein Frieden nach Putins Geschmack, sondern nach den Bedingungen der Ukraine. Wir lassen uns als SPD den Friedensbegriff nicht von den Populisten von BSW und AfD wegnehmen. Die meinen mit Frieden eine Unterwerfung vor Putin. Unser Friedensbegriff steht für Freiheit statt Unterdrückung.

Zugleich hat Olaf Scholz den Begriff „Friedenskanzler“ für sich nicht annehmen wollen. Warum nicht?

Klingbeil Die SPD ist eine Partei, die sich seit ihrer Gründung für Frieden und Völkerverständigung einsetzt. In dieser Tradition handelt jeder sozialdemokratische Bundeskanzler. Das wissen die Menschen zu schätzen, davon bin ich überzeugt. Die Bundesregierung unter Führung von Olaf Scholz übernimmt Verantwortung, dass Deutschland und Europa sich verteidigen können, damit kein Kind, was heute in der EU geboren wird, jemals Krieg erleben muss.

Die SPD-Umfragewerte für die Europawahl sind bislang nicht gut, sondern nah an dem desaströsen Ergebnis von 2019. Kann ein schlechtes Ergebnis bei der Wahl zu einem Wechsel im Kanzleramt hin zu Boris Pistorius führen?

Klingbeil Nein. Olaf Scholz ist der Kanzler und er bleibt es. Und er wird auch wieder unser Kandidat.

Und warum wollen Sie ihn dann erst 2025 zum Kandidaten küren?

Klingbeil Weil Olaf Scholz gerade dieses Land durch sehr herausfordernde Zeiten führt. Da ist keine Zeit für Wahlkampf.

Wird die Ampel-Regierung es schaffen, die erheblichen Differenzen zu überwinden und einen Bundeshaushalt 2025 aufzustellen?

Klingbeil Das ist meine klare Erwartung an die Koalition. Der Haushalt muss bis zum Sommer stehen. Die Abgeordneten brauchen bis Anfang Juli das fertige Konzept der Bundesregierung, um es in der Sommerpause in Ruhe prüfen zu können.

Wie groß ist die Finanzlücke, die es zu stopfen gilt?

Klingbeil Sie ist sehr groß. Deswegen wird der Haushalt eine enorme Kraftanstrengung. Nur mit Einsparungen wird es nicht funktionieren.

Die Schuldenbremse muss also ausgesetzt werden?

Klingbeil Ich stelle nüchtern fest, dass die Finanzlücke so groß ist, dass sie mit Einsparungen nicht auszugleichen ist. Also braucht es kreative Ansätze, für die wir erstmal offen sind. Unsere Haltung zur Schuldenbremse ist bekannt oder auch zu einem Fonds, der privates Geld für Investitionen in die Modernisierung unseres Landes mobilisiert, zum Beispiel für klimafreundliche und digitale Industrieanlagen oder neue, zukunftsträchtige Geschäftsmodelle. Klar ist, wir brauchen Investitionen.

Wünschen Sie sich bei der schwierigen Haushaltsaufstellung ein Machtwort von Olaf Scholz statt einer Moderatorenrolle?

Klingbeil Die Haushaltsberatungen sind schwer und kompliziert in diesem Jahr. Der Kanzler hat klargemacht, dass es mit ihm kein Rütteln an der abschlagsfreien Rente nach 45 Beitragsjahren oder dem Rentenniveau bei 48 Prozent gibt. Er ist da sehr deutlich.

Zuletzt hat Christian Lindner das Rentenpaket II intern aufgehalten, sodass es nicht am Mittwoch im Kabinett sein konnte wie geplant. Halten Sie dieses Vorgehen für gut?

Klingbeil Das Rentenpaket kommt im Mai ins Kabinett. Das gilt.

Die Union hat sich gerade für die Rückkehr zur Wehrpflicht ausgesprochen. Was will die SPD?

Klingbeil Ich hielte eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht für falsch. Ich bin mit Verteidigungsminister Boris Pistorius in einem engen Austausch darüber. Es ist richtig, dass er sich Gedanken macht, wie er die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver machen kann.

Sie sind Sohn eines Berufssoldaten. Was sollte aus Ihrer Sicht ein Bestandteil künftiger Regelungen sein?

Klingbeil Jede junge Staatsbürgerin und jeder junge Staatsbürger sollte sich einmal mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob sie sich einen Dienst für das Land vorstellen können. Das kann bei der Bundeswehr sein oder eben im sozialen oder kulturellen Bereich. Dahin sollten wir zurückkommen.

Was ist Ihnen noch wichtig?

Klingbeil Ich bin in unmittelbarer Nähe des Heeresstandorts Munster aufgewachsen. Jeden Tag sind mir Uniformierte begegnet, ob im Supermarkt oder in der Eisdiele. Viele Menschen in Deutschland haben aber keinerlei Berührungspunkte mit der Bundeswehr. Ich bin dafür, dass die Schulen Soldaten aktiv einladen, um über die Möglichkeiten in der Bundeswehr zu sprechen. Das hat ja nichts mit Kriegsverherrlichung zu tun, sondern mit einer Entscheidungsoption für die persönliche Zukunft und Informationen über die Sicherheitslage.

Haben Sie es angesichts der vielen Krisen zuletzt mal bereut, Berufspolitiker geworden zu sein?

Klingbeil Nein, im Gegenteil. Mein politisches Engagement begann damals mit dem Verhindern eines Nazi-Treffs in meiner Heimatregion. Ich war stolz, dass es uns gelang, die Rechtsradikalen fern zu halten. Jetzt haben sie vielerorts wieder Zulauf, fühlen sich stark. Für mich gilt daher, dass ich es jetzt erst recht wichtig finde, für die Demokratie zu kämpfen.

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