Investitionen in Start-ups: Die Verantwortung der Old Economy

Der Abfluss deutscher Innovationskraft macht nicht immer große Schlagzeilen. Im vergangenen Sommer beispielsweise kaufte der vom einstigen SAP-Chef Bill McDermott geführte US-Technologiekonzern ServiceNow weitgehend unter dem Radar das vielversprechende Berliner KI-Start-up G2K. Kolportierter Kaufpreis: ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag. Dem Vernehmen nach soll auch SAP interessiert gewesen sein, habe den Preis aber bei Weitem nicht mitgehen wollen.

G2K ist kein Einzelfall – und ein Sinnbild für ein riesiges Problem der deutschen Wirtschaft. Deutschland verfügt über eine exzellente Forschung. Zwar hapert es immer noch teils an der Kommerzialisierung deutscher Erfindungen, aber auch da gibt es langsame Fortschritte. Genug Wagniskapital ist inzwischen jedenfalls für die ersten Finanzierungsrunden junger Technologieunternehmen da.

Das ändert sich ausgerechnet für diejenigen Start-ups, die Erfolg haben – und deshalb auf der Suche nach größeren Summen für die Expansion sind. Große Finanzierungsrunden jenseits der 100 Millionen Euro sind ohne die Beteiligung amerikanischer Investoren kaum möglich. Und wenn diese sich – wie aktuell – stark zurückhalten, bleiben große Finanzierungsrunden deutscher Start-ups eben fast ganz aus. Insbesondere forschungsintensive Start-ups brauchen typischerweise eine Dekade, bis sie möglicherweise Gewinne erzielen – nichts für klassische Bankkredite. Und dafür, dass der Staat nicht der beste Investor ist, gibt es ausreichend Belege – von der aktuellen Haushaltslage mal ganz absehen.

Das große Exit-Problem

Dass amerikanische Geldgeber in deutsche Start-ups investieren, ist erst mal nicht weiter schlimm, im Gegenteil. Gründer können von deren Expertise enorm profitieren, gerade wenn es um die Internationalisierung geht. Problematisch wird es, wenn es an den sogenannten „Exit“ geht. Die Investoren, die Start-ups früh Geld zum Aufbau ihres Geschäfts geben, wollen ihre Anteile schließlich irgendwann versilbern – darauf basiert ihr Geschäftsmodell. Doch in Deutschland erweist sich das als äußerst schwierig. Mehr als 75 Prozent aller Exits über 25 Millionen Euro des High-Tech Gründerfonds gehen etwa ins außereuropäische Ausland – und damit ihre Wertschöpfung.

Eine Option des Exits sind Börsengänge. Doch für viele junge Tech-Unternehmen ist die deutsche Börse nicht attraktiv. US-Anleger sind der Branche gegenüber einfach aufgeschlossener – und weniger skeptisch, wenn mögliche Gewinne noch weit in der Zukunft liegen. Die allgemeine deutsche Aktienskepsis kommt noch obendrauf. Da ist der amerikanische Technologieindex Nasdaq beispielsweise reizvoller. Der zerstückelte europäische Kapitalmarkt tut sein Übriges. Und die Kapitalmarktunion ist immer noch in weiter Ferne.

Gewinne fließen zu wenig in die Zukunft

Die zweite Option des Exits wirkt auf den ersten Blick vielversprechender: der Verkauf eines Start-ups. Deutschland verfügt durch sein industrielles Rückgrat über zahllose Unternehmen, die in einem riesigen Umfang Wert schöpfen. Doch diese Werte fließen schlicht in zu geringen Anteilen in die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft – und damit in Start-ups. Selbstverständlich bringen auch Konzerne Innovationen hervor. Aber sie können nicht so schnell und flexibel handeln wie Start-ups. Die Google-Muttergesellschaft Alphabet weiß das und kaufte allein im Jahr 2022 elf Unternehmen für mehrere Milliarden Dollar. Damit pumpte Alphabet auch wieder Geld in den Wagniskapitalmarkt – und erhöht die Anreize, in Start-ups zu investieren.

Doch hierzulande funktioniert dieser Kreislauf nicht, weil Konzerne und Mittelständler viel zu zurückhaltend sind. Dabei könnten Start-ups helfen, Innovationen voranzutreiben und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Stattdessen profitieren amerikanische Anleger von Wertzuwächsen an der Börse, profitieren amerikanische Konzerne vom zugekauften Wissen. Deutsche Konzerne haben stattdessen eigene „Start-up-Inkubatoren“ aufgebaut. Das liest sich nett in Pressemitteilungen, interessiert danach aber niemanden mehr und hat bisher kaum Innovationen produziert.

Jahrelang haben sich Gründer und Patriarchen beziehungsweise Konzernvorstände kritisch beäugt. Das ändert sich gerade, angetrieben von einem Generationenwechsel im Mittelstand. Freilich sind die kulturellen Unterschiede groß, die Integration ist kompliziert, und die Kaufpreise sind im Verhältnis deutlich höher, als Unternehmen das sonst aus ihren Branchen gewohnt sind. Aber das Risiko wird sich oft auszahlen für die Unternehmen, die den Einstieg wagen – und für die deutsche Wirtschaft mittelfristig sowieso.

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