„Es braucht die Grünen, um die Gerechtigkeitsfragen der Gegenwart zu beantworten“
Spitzen gegen den Koalitionspartner: In einem Interview wirft Ricarda Lang der SPD eine eingestaubte Sozialpolitik vor. Deutschland müsse gerechter werden, sagt die Grünen-Chefin – und fordert unter anderem „eine Mietpreisbremse, die wirklich Zähne hat“.
Ricarda Lang kritisiert Bauministerin Klara Geywitz dpa/Frank Molter
Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang hat in einem Interview die Sozialpolitik der SPD kritisiert. Der Anstoß, in die Politik zu gehen und etwas verändern zu wollen, sei ihr gekommen, als sie mit 18 Jahren erlebte, wie ihre alleinerziehende Mutter ihre Arbeit im Frauenhaus verlor, weil dieses geschlossen wurde, erzählte Lang im „Spiegel“. Auf die Frage, warum sie dann zu den Grünen und nicht zur SPD ging, sagte sie, die Antworten der anderen Parteien hätten nicht gepasst. „Soziale Fragen heute sind nicht dieselben wie die der Achtzigerjahre. Sie brauchen neue Antworten“, so Lang.
Die SPD habe viele Erfolge in diesem Bereich erkämpft. Aber das Thema sei zu wichtig, als dass man sich „auf historischen Erfolgen ausruhen“ dürfe. „Damals ging es viel um Industriearbeiter, die jetzt tarifgebundene Jobs haben. Heute gibt es auch in der Industrie ganz neue Herausforderungen. Und es braucht Konzepte für die Dienstleistungsgesellschaft und für die Arbeit vor allem von Frauen, die keinen Vollzeitjob haben.“ Da gebe es noch viel zu tun. „Es braucht die Grünen, um die Gerechtigkeitsfragen der Gegenwart zu beantworten.“
Insgesamt müsse Deutschland gerechter werden, so Lang. „Nur noch etwa die Hälfte der Beschäftigten hat einen Tarifvertrag, der Anteil ist in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen. Und dass sich Menschen die Miete nicht mehr leisten können, das gilt sogar schon für Städte wie Schwäbisch Gmünd, wo ich meinen Wahlkreis habe. Früher betraf das vielleicht München und Hamburg.“ Auf die Frage, wie das sein könne, wenn die Grünen doch in der Regierung säßen, sagte Lang, man habe „einiges auf den Weg gebracht“. Sie nannte unter anderem die Erhöhung des Mindestlohns und die Energiepreispauschale.
Lang forderte, dass auch Beamte und Politiker einen Beitrag zur Sicherung der Rente leisten sollten. „Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir die Renten langfristig finanzieren. Ein Punkt wäre schon mal, dass Politikerinnen und Beamte in das gesetzliche Rentensystem einzahlen würden“, sagte die Grünen-Politikerin.
Gleichzeitig beklagte sie den Verlust erfahrener Arbeitnehmer durch die Rente: „Wir verlieren heute bei Renteneintritt viele Arbeitnehmer mit guter Expertise, die teilweise ja auch noch Lust haben, weiterzuarbeiten.“ Es brauche daher „Anreize für die, die noch wollen, über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten“.
Lang fordert Mietpreisbremse, die „wirklich Zähne hat“
Die Grünen-Chefin kritisierte darüber hinaus die Mietpreisentwicklung in Deutschland und forderte weitreichende Senkungen. „Die Mieten müssen runter“, sagte sie, „es braucht eine Mietpreisbremse, die wirklich Zähne hat“. Die Mietpreisbremse enthalte derzeit „zu viele Ausnahmen, weswegen vielerorts das Angebot an möblierten und zeitlich befristet vermieteten Wohnungen steigt, die nicht darunter fallen“. Das bezeichnete die Politikerin als „absurd“.
Lang zeigte sich zudem enttäuscht von Bauministerin Klara Geywitz (SPD). „Es reicht nicht, mit bezahlbaren Mieten bloß Wahlkampf zu machen. Man muss sie auch liefern“, so Lang. An die Bauministerin habe sie die „klare Erwartung, dass das Thema höher priorisiert wird“.