Demos gegen rechts: Was erhoffen sich die Teilnehmer von dem Protest?

demos gegen rechts: was erhoffen sich die teilnehmer von dem protest?

Demonstration „Demokratie verteidigen – Frankfurt gegen AfD und Rechtsruck“ am Samstag vor dem Frankfurter Rathaus

Sie wollen laut sein gegen Rechtsextremismus. Dafür sind die Menschen am Samstag in die Innenstadt von Frankfurt am Main gekommen. Schon lange vor Veranstaltungsbeginn stehen die ersten geduldig um die Gerechtigkeitsstatue auf dem Römerberg herum, blicken auf die Bühne vorm Rathaus. Manche von ihnen halten selbst gebastelte bunte Schilder in der Hand, andere eine große Fahne. „Alternative für Dumme“ steht darauf und „Demokraten auf die Straßen“.

Als einige Stunden später eine Sprecherin von einem der 60 Veranstalter ins Mikrofon ruft, es seien 40.000 Personen gekommen, um „die Demokratie gegen rechts zu verteidigen“, hallen Jubelschreie und tosender Beifall aus den überfüllten Seitenstraßen in den Platz hinein. Einen so großen Anlauf hatte niemand erwartet, weder die Veranstalter noch die Demonstranten und auch nicht die Polizei Frankfurt, die schon kurz vor dem Beginn der Kundgebung den Platz absperren musste, weil er schon voll war, und die nach der Demo von 35.000 Teilnehmern sprach.

Zum ersten Mal im Leben auf einer Demonstration

Christian Rosenberger ist heute zum ersten Mal in seinem Leben auf einer Demonstration. Er ist 43 Jahre alt, gebürtiger Frankfurter und mit seinen beiden Söhnen gekommen, die fünf und zehn Jahre alt sind. Sein älterer Sohn hält mit einem Arm ein Pappschild hoch, auf dem „Frankfurt ist bunt“ geschrieben steht. „Ich bin Teil einer Generation, die sich nicht so viel um Sachen kümmert und ohne Probleme aufgewachsen ist“, sagt Rosenberger.

Doch nachdem Correctiv-Recherchen gezeigt hätten, dass sich AfD-Politiker mit Rechtsextremen getroffen haben, um konkrete Pläne für eine Deportation von Ausländern und „nicht assimilierten Deutschen“ zu schmieden, habe er keine andere Wahl mehr gehabt, so Rosenberger. Er musste etwas tun. Also habe er sich in der vergangenen Woche mit seinen beiden Söhnen hingesetzt und ihnen vom Nationalsozialismus erzählt. Sie sollten verstehen, dass die Situation aktuell wieder ähnlich gefährlich sei wie vor Hitlers Machtübernahme.

„Das, was ich unterbewusst gefürchtet habe, wurde mit den Recherchen klar“, sagt Rosenberger über den Correctiv-Bericht. Bis dahin habe er die AfD nicht allzu ernst genommen. Jetzt ist er sicher: „Das war ein Fehler.“ Durch die Teilnahme an der Demo will er zeigen, dass ihm das jetzt bewusst sei, dass die Mehrheit der deutschen Bürger nun wachgerüttelt sei.

Von „Aufwachen“ spricht auch Christian von Staudt. Die Menschen müssten sehen, dass die AfD keine Lösungen für die aktuellen Probleme habe. Rechts zu wählen sei definitiv „die falsche Richtung“. Von Staudt ist mit seiner Frau Sandra zur Demonstration gekommen, sie ist Kolumbianerin. Von den besprochenen Plänen der „Remigration“ fühlt sie sich direkt betroffen. „Das ist eine existenzielle Frage für mich.“ Auf der Demo haben die beiden eine gemeinsame Freundin getroffen, Karin Ebhardt. Sie kommt aus den USA und sagt, dass sie über ihre Landsleute enttäuscht sei, weil die nicht auf die Straße gingen, um eine zweite Amtszeit Donald Trumps als Präsident zu verhindern. Zumindest würde der Protest hier zeigen, wo die schweigende Mehrheit stehe. Denn rechte Politiker seien immer laut. „Das müssen wir jetzt drehen“, sagt Eberhardt: „Wir können auch laut sein.“

Das zeigt sich auch, als Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) am Rednerpult steht und Funktionäre der AfD als „Menschenfeinde“ bezeichnet. Das Publikum auf dem Römerberg sowie in den Straßen und auf den Plätzen daneben antwortet mit „Buh“-Rufen. So wie jedes Mal, wenn von Politikern dieser Partei die Rede ist. Freiheit, Demokratie und Menschenwürde müssten verteidigt werden, ruft Josef: „Wir werden uns wehren.“ Wieder laute Zustimmung und Beifall.

Die Euphorie hat keinen parteipolitischen Ursprung. Die Teilnehmer der Kundgebung sind nicht unbedingt Anhänger des Sozialdemokraten oder seiner Partei. Es wehen zwei Parteifahnen der Linken vor dem Podium, in der Masse vertreten ist aber das breite politische Spektrum: Manch einer sympathisiert mit der Union, ein anderer mit den Grünen, wieder andere stehen der FDP nahe. Und einige fühlen sich von keiner Partei so richtig vertreten. „Alles außer rechts“, stellt eine Gruppe von drei Frauen klar, die spontan zu der Kundgebung gekommen sind, um „auch mal ein Zeichen zu setzen“.

„Ein Zeichen gegen die braune Soße und gegen die von Rechtsextremen gekaperte AfD“, nennt auch ein weiterer Teilnehmer den Grund, warum er auf dem Römerberg steht. So wie andere äußert auch Olaf Weber Verständnis für Unmut in der Bevölkerung. Es gebe reale Probleme, etwa bei der Migrationspolitik. Und er halte nicht viel von einem „Weiter-so“. Die Kundgebung in Frankfurt ist für Weber ein Spagat: Die politischen Meinungen würden hier teilweise stark auseinandergehen. Neben den zwei Linken-Fahnen flattern auch einige Antifa-Flaggen im Wind auf dem Römerberg. Nachdem die Kundgebung dort beendet ist, spalten sich ein paar Hundert Anhänger der Antifa ab und marschieren mit zwei großen Bannern, auf denen „Antifaschistische Aktion“ steht, durch die Innenstadt.

In der Frankfurter Innenstadt treffen auch Generationen aufeinander. Während Katharina Weil, Mitglied der Organisation „Omas gegen Rechts Wiesbaden“, davon spricht, dass sie noch erinnere, was ihre Eltern und Großeltern vom Holocaust erzählt hätten, und die breite Gesellschaft nun die Verantwortung trage, eine Wiederholung zu verhindern, spricht eine Gruppe von jungen Frauen und Männern um die 20 über rechte Beiträge in den sozialen Medien. „Dort wirken sie wie die Mehrheit, weil sie lauter sind“, sagt eine von ihnen. „Aber wir sind mehr.“ Nur durch Protest könne ein Wahlerfolg der AfD in den ostdeutschen Bundesländern im Sommer verhindert werden, sagt eine andere. Denn durch die aktuelle Aufmerksamkeit würden hoffentlich Menschen, die normalerweise nicht wählen, zur Urne gehen. „Nie wieder ist jetzt“, sagt Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, als er später auf der Bühne steht. Demokratisch gewählt heiße nicht, dass die AfD auch eine demokratische Partei sei.

Nachdem der offizielle Teil der Kundgebung vorbei ist, bleiben viele trotz Minusgraden und Schneefall auf dem Platz stehen. Aus Boxen dröhnt Technomusik, viele tanzen. Der DJ ruft ins Mikrofon: „Wir werden jetzt jede Woche laut sein.“ Wie viele andere will auch Christian Rosenberger mit seinen Söhnen wiederkommen.

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