Enthüllung nach Abschuss: Ukraine erwischt Putins Bomber wohl mit alter Sowjet-Waffe
Wende im Luftkrieg?
Enthüllung nach Abschuss: Ukraine erwischt Putins Bomber wohl mit alter Sowjet-Waffe
Moskau verlor am Freitag einen Überschallbomber Tu-22M3. Die Ukraine will das Kampfflugzeug abgeschossen haben – mit einer alten sowjetischen Waffe.
Stawropol – Moskau spricht beim Verlust des Überschallbombers Tu-22M3 am Freitag (19. April) von einem Absturz aus technischen Gründen, die Ukraine von einem Abschuss. Das wäre ein Novum im Ukraine-Krieg. Der besondere Erfolg soll mit einem alten System aus der Sowjet-Zeit gelungen sein und stellt einmal mehr den Einfallsreichtum der Ukraine unter Beweis.
Tu-22M3 abgeschossen: Ukrainische Streitkräfte nutzten mutmaßlich sowjetisches Luftabwehr-System
Sein Nato-Codename lautet „Backfire“ (zu Deutsch: Gegenfeuer): Der russische Tupolew Tu-22M3 fliegt schneller als der Schall und kann Marschflugkörper bereits über 300 Kilometer hinter der Front ausklinken. Eine sichere Entfernung – eigentlich. Den ukrainischen Streitkräften soll nun erstmals der Abschuss eines solchen strategischen Bombers mit einer Rakete gelungen sein, wie der Kommandeur der ukrainischen Luftstreitkräfte, Mykola Oleschtschuk, am Freitag bekannt gab.
Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR erklärte, die ukrainischen Streitkräfte hätten den Tu-22M3 in einer Entfernung von 300 Kilometern von der Ukraine mit denselben Mitteln abgeschossen, mit denen unlängst auch zwei russische A-50 Spionageflugzeuge abgeschossen worden waren. Damit bezog sich der Geheimdienst auf das Flugabwehrsystem S-200 aus Sowjet-Zeiten. Entsprechende Informationen erhielt auch die ukrainische Zeitung Kyiv Independent aus Geheimdienstkreisen, wonach ein S-200-System für den mutmaßlichen Abschuss der Tupolew verwendet wurde.
Russland Überschallbomber Typ Tupolew Tu-22M3 stawropol
Wende im Luftkrieg? Tupolew-Abschuss weist auf neue Reichweite hin
Das sowjetische Luft- und Raketenabwehrsystem S-200 wurde laut der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) ursprünglich in den 1960er-Jahren in Dienst gestellt und laut Kyiv Independent in der Ukraine eigentlich 2013 außer Betrieb genommen. „In der Ukraine gibt es vier aktive S-200-Batterien, etwa 24 Trägersysteme, und weitere zwölf inaktive Standorte“, schrieb das CSIS im Jahr 2021. Im vergangenen Jahr hatte das russische Verteidigungsministerium behauptet, umgebaute ukrainische S-200-Raketen über den Oblasten Rostow, Kursk und Kaluga sowie der besetzten Krim abgeschossen zu haben. Eine offizielle Bestätigung der Ukraine gab es dazu nicht. Die offizielle Reichweite des Systems beträgt maximal 300 Kilometer.
Doch aus ukrainischen Regierungskreisen hieß es im August 2023 gegenüber BBC News: „Unter den gegenwärtigen Umständen müssen wir nach einem Ausweg suchen. Wir haben uns diese S-200 ausgedacht, und sie scheinen bisher gut zu funktionieren.“ Wie der Waffenexperte Andrii Kharuk dem Kyiv Independent sagte, sei es zwar nicht möglich, neue S-200-Raketen herzustellen, aber alte zu reparieren, um sie kampfbereit zu machen. „Fühlten sich die Besatzungen russischer strategischer Bomber bisher völlig ungestraft, sehen sie jetzt, dass sie erreichbar sind. Hoffen wir, dass dies der erste Schritt dieser Art ist“, so Kharuk weiter.
Britisches Verteidigungsministerium äußert sich zum Tupolew-Absturz
Nach Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums ging der Absturz der Tupolew sehr wahrscheinlich auf einen Abschuss durch eine ukrainische S-200-Rakete zurück. „Dies ist das erste Mal, dass ein strategischer Bomber von ukrainischen Flugabwehrsystemen abgeschossen wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Russland nun bisher mindestens 100 Kampfflugzeuge verloren hat“, schrieb das britische Verteidigungsministerium am Samstag auf der Plattform X. Auch die unabhängige Datenbank Oryx zählt mithilfe geolokalisierter Aufnahmen 100 zerstörte und neun beschädigte russische Flugzeuge (Stand: 22. April 2024).
Russische Luftangriffe IS-Gebiete syrien attacke tu-22m3 langstreckenbomber überschallflugzeug
Nach Angaben des HUR-Sprechers Andriy Yusow habe man mit dem Abschuss der Tupolew auch eine weitere Tu-22M3 zur Umkehr gezwungen. Es sei „praktisch unmöglich“ für Russland, neue Bomber dieses Typs herzustellen, hieß es in dem Bericht der US-Kriegsexperten des Institute for the Study of War unter Berufung auf die Angaben Yusows. Die Tupolew sei ein „moderner, schwerer Bomber, den die Russen auch nicht in der Überzahl haben“, kommentierte der frühere Nato-General Erhard Bühler den Vorfall im MDR-Podcast „Was tun, Herr General?“. Der Abschuss durch eine S-200 sei aber „noch Mutmaßung und noch kein Fakt“, so der Ex-General am Freitag weiter.
Die Ukraine hat auch andere russische Flugzeuge im Visier. Insbesondere die Modelle Su-24 und Su-35S, mit denen Putins Luftwaffe die gefürchteten Gleitbomben abwirft.