Vor mehr als einem Jahr erklärte Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) die Corona-Pandemie in Deutschland für offiziell beendet. Doch die Soldaten der Bundeswehr müssen sich als einzige Berufsgruppe weiter gegen das Virus impfen lassen.
Die Corona-Impfung für Soldaten soll verbindlich bleiben Marijan Murat/dpa
Die Bundesregierung hält auch ein Jahr nach dem offiziellen Ende der Corona-Pandemie an der vorgeschriebenen Corona-Impfung für Soldaten fest. Dies ergab eine Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine schriftliche Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm, die WELT exklusiv vorliegt. Holm wollte wissen, ob die Regierung die Duldungspflicht für Soldaten der Bundeswehr, wonach diese sich gegen das Coronavirus impfen lassen müssen, im laufenden Jahr aufheben werde.
Das Bundesverteidigungsministerium teilte in seiner Antwort mit, eine Aussage zur Aufhebung sei nicht möglich, da „die zukünftige epidemiologische Entwicklung im Hinblick auf das Infektionsgeschehen nicht vorhergesagt“ werden könne. Ergo gilt die Duldungspflicht der Corona-Impfung für Bundeswehrsoldaten weiter. Wörtlich heißt es in der Antwort der parlamentarischen Staatssekretärin Siemtje Möller: „Die aktuelle Bewertung vor allem unter Berücksichtigung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und des gruppenbezogenen Gesundheitsschutzes führt gegenwärtig zu dem Ergebnis, dass (…) die Aufrechterhaltung der Duldungspflicht auch weiterhin angezeigt ist.“
Damit bleiben die Soldaten der Bundeswehr die einzige Berufsgruppe, für die eine faktische Corona-Impfpflicht gilt. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte lief bereits Ende 2022 aus, die meisten Maßnahmen im April 2023. Damals erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Corona-Pandemie in Deutschland offiziell für beendet.
Kritik an „Ungleichbehandlung“
Holm spricht gegenüber WELT von einer „Ungleichbehandlung“. Die Beibehaltung der Corona-Impfpflicht sei „falsch und durch nichts gerechtfertigt“, sie sorge für „berechtigten Unmut in der Truppe“. Holm spricht von einem „Skandal“, der mit dem Prinzip des „Staatsbürgers in Uniform“ nicht vereinbar sei. Er forderte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) als obersten Dienstherrn der Soldaten zum Handeln auf: „Pistorius sollte die Corona-Impfpflicht schleunigst aufheben. Das ist mehr als überfällig.“
Für die Soldaten bedeutet ein Fortbestehen der Duldungspflicht, dass sie weiterhin mit drastischen Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie eine Impfung gegen das Virus verweigern. Die Bundeswehr hatte diese bereits im November 2021 in die Liste der duldungspflichtigen Impfungen aufgenommen. Seither gilt faktisch eine Impfpflicht, die sich aus dem Soldatengesetz ableiten lässt.
Dort heißt es, der Soldat müsse ärztliche Maßnahmen gegen seinen Willen dulden, wenn sie „der Verhütung übertragbarer Krankheiten dienen“. Weiter besagt das Soldatengesetz: „Der Soldat muss seinen Vorgesetzten gehorchen. Er hat ihre Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen.“ Wer sich „mit Wort und Tat“ gegen einen Befehl auflehnt, kann nach dem Wehrstrafgesetz für das Delikt Gehorsamsverweigerung bestraft werden. Wer die Impfung verweigert, muss mit Disziplinarmaßnahmen rechnen, wehrgerichtliche Verfahren können sogar mit einem Ausschluss vom Dienst enden. Die Pflicht orientiert sich an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko). Danach müssen sich Bundeswehrsoldaten dreimal gegen das Coronavirus impfen lassen. Darüber hinaus sind Immunisierungen gegen Tetanus, Diphtherie, Masern, Mumps, Röteln, Influenza und weitere Infektionskrankheiten verpflichtend.
Doch gegen die Corona-Impfung hatten sich eine Reihe von Soldaten gewehrt. Mit Folgen. Die letzten Zahlen dazu wurden im Mai 2023 bekannt gegeben. Nach einer WELT-Recherche zeigten diese, dass 70 Soldaten aus diesem Grund aus der Bundeswehr entlassen worden waren, nachdem sie wegen Befehlsverweigerungen verurteilt worden waren. Einige Soldaten bekamen Geldstrafen, andere Freiheitsstrafen auf Bewährung.
Allerdings änderte sich die Rechtsprechung im vergangenen Jahr. Einige Gerichte sprachen Soldaten frei, welche eine Corona-Impfung verweigert hatten, zuletzt das Amtsgericht Bad Kissingen im Fall eines damals 33 Jahre alten Zeitsoldaten. Die Richterin begründete ihr Urteil mit der Verhältnismäßigkeit der Anordnung zur Impfung angesichts sinkender Infektionsraten und bekannt gewordener Nebenwirkungen.
Bereits im April 2023 hatten die Oppositionsparteien AfD und Linke im Bundestag gefordert, die Impfpflicht für Soldaten auszusetzen – ohne Erfolg. Damals hatte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums diese mit dem „Schutz des Individuums und der militärischen Gemeinschaft vor der Ausbreitung von Infektionskrankheiten“ begründet. Im Mai 2023 sagte Verteidigungsminister Pistorius im Bundestag, er wolle an der Corona-Impfpflicht für Soldaten vorerst festhalten, ergänzte aber: „Ich schließe nicht aus, dass wir über kurz oder lang die Duldungspflicht aufheben, aber der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen.“
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