Ein «Freispruch» für Patrick Fischer – sein WM-Aufgebot ist richtig
Hat bei der Kader-Nomination einen guten Job gemacht: Nati-Trainer Patrick Fischer.
Bei Patrick Fischers WM-Aufgebot gibt es einige Überraschungen. Aber sollten die Schweizer erneut im Viertelfinal scheitern, dann wird der Grund dafür nicht die Zusammenstellung des Teams sein.
Viel zu diskutieren gibt die Frage: Warum muss Dominik Egli zu Hause bleiben? Die Antwort ist einfach: Natürlich wäre er ein kreativer Verteidiger, der den Stürmern auch auf WM-Niveau Assists machen könnte. Aber mit Andrea Glauser, Romain Loeffel oder Dean Kukan stehen bereits drei Verteidiger aus der heimischen Liga im Team, die für diese Rolle geeignet sind. Doch das entscheidende Argument gegen Dominik Egli ist ein ganz anderes: Er ist nicht fit und muss eine Fussverletzung auskurieren. Es gibt ein ehernes Gesetz: Niemals einen Spieler für eine WM aufbieten, der nicht hundertprozentig fit ist. Die Belastung ist zu gross. Selbst eine vermeintlich leichte Blessur kann sich im Laufe eines Turniers fatal auswirken. Die Nichtberücksichtigung für die WM kann Dominik Egli verkraften: Den Vertrag in der höchsten schwedischen Liga hat er ja bereits im Sack.
Der künftige Schweden-Söldner Dominik Egli ist nicht an der WM dabei.
Die Frage ist auch: warum Berns Thierry Bader und nicht Servettes Tanner Richard? Auch die ist einfach zu beantworten: Thierry Bader ist pflegeleichter und schickt sich klaglos in jede Rolle: Powerplay, Boxplay, Flügel, Center und notfalls auch als überzähliger Stürmer auf der Tribüne. Tanner Richard ist ein eigenwilliger Leitwolf, der nicht einfach jede Rolle übernimmt wie Thierry Bader, der in Bern gelernt hat, sich in einer Hierarchie hinten anzustellen.
Warum den Halbfinalverlierer Reto Berra und nicht den Playoff- und Finalhelden Connor Hughes? Weil nationale Meisterschaft inkl. Playoffs und ein WM-Turnier zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Vor einem Jahr ist Patrick Fischer in die «Meisterfalle» getappt: Er hat im Viertelfinal Servettes Meistergoalie Robert Mayer ins Tor gestellt. Den Fehler macht er nicht mehr: WM-Erfahrung und WM-Bewährung zählen mehr als Ruhm in der Meisterschaft. Deshalb Reto Berra (Halbfinalheld von 2013) und Leonardo Genoni (Viertelfinal-, Halbfinal- und Finalheld von 2018). Akira Schmid hat mit NHL-Meriten von allen jungen Goalies am meisten Zukunftspotenzial. Für ihn ist eine erste WM-Erfahrung wichtig.
Ein bewährtes Goalie-Duo: Leonardo Genoni und Reto Berra bei der WM 2018.
Wie kommt Ken Jäger zu seinem ersten WM-Aufgebot? Auch dieser Entscheid ist richtig. Der HCD-Junior mit zwei Lehrjahren in Schweden ist der vielleicht meistunterschätzte Rollenspieler der Liga: Smart, bissig, hartnäckig ist er dazu in der Lage, jeden taktischen Spezialauftrag zu übernehmen und darüber hinaus regelmässig zu punkten. Er ist dazu in der Lage, einem Gegenspieler «unter die Haut» zu gehen, ohne gleich Strafen zu provozieren – Spieler, die diese Rolle übernehmen können, sind von zentraler Bedeutung bei einer WM.
Sven Jung erstmals an die WM? Auch das macht Sinn. Der robuste Emmentaler (187 cm / 86 kg) mit vier Junioren-Lehrjahren in Nordamerika ist einer der wenigen Schweizer Verteidiger in der National League, die das Spiel «anhalten» können. HCD-Geschäftsführer Marc Gianola – der einstige Kult-Verteidiger und Captain kennt das «Business» in der eigenen Zone – bezeichnet Sven Jung sogar als besten Schweizer HCD-Verteidiger in dieser Saison.
Andres Ambühl wird im September 41. Macht es Sinn, diesen Veteranen noch einmal aufzubieten? Oder ist es die Magie der Nostalgie, eine einmalige internationale Karriere, die mit der WM 2004 in Prag begonnen hat, womöglich 2024 in Prag ausklingen zu lassen? Ja, das macht Sinn. Ein Spieler mit seiner Erfahrung, seinem Charisma und seiner Professionalität tut der Chemie jeder Mannschaft gut. Dazu kommt eine spielerische Klasse, die nach wie vor internationales Format hat: Der HCD-Stürmer hat inzwischen 16-mal hintereinander in der höchsten Liga mehr als 20 Punkte beigesteuert. Spielintelligenz rostet nie und mit seiner läuferischen Leichtigkeit ist er immer noch beweglicher und anpassungsfähiger auf Spielsituationen als mancher 15 Jahre jüngere Spieler.
«Büehli» verfügt auch mit 40 Jahren über spielerische Klasse von internationalem Format.
Auf die Frage, ob er seine WM-Nomination seinem Namen verdanke bzw. einer auch nach Prag reisen könnte, wenn er Meier oder Müller heissen würde, ist leicht zu beantworten: Ja, es hätte einer mit dem Leistungsausweis von Andres Ambühl auch dann seinen Platz im WM-Team, wenn er Meier oder Müller hiesse. Aber es gibt keinen Meier oder Müller, der so gut wie Ambühl ist.
Ist Tristan Scherwey tatsächlich noch WM-tauglich? Ja, das ist er. Er muss nicht die Rolle eines spielerischen Leitwolfes übernehmen. Dazu ist er zu wenig gut. Aber er ist robust und läuferisch so flink, dass er auch auf WM-Niveau ein Energiestürmer sein kann. Diese Rolle ist eben auch zu besetzen und für diese Rolle ist der SCB-Kultstürmer bestens geeignet.
Wie kommt es, dass mit Zugs Sven Senteler ein Stürmer schon zum dritten Mal hintereinander zu einem WM-Aufgebot kommt, der in der Liga-Skorerliste gerade mal die Nummer 30 der Schweizer Stürmer ist? Weil der ehemalige ZSC-Junior robust (185 cm / 90 kg), smart und pflegeleicht ist. Neben Ken Jäger und Thierry Bader einer der Spieler, der verlässlich jeden taktischen Auftrag übernehmen kann.
Ein WM-Team besteht nicht einfach aus den statistisch (Tore/Assists) besten Spielern. Es gibt verschiedene Rollen richtig zu besetzen und Patrick Fischer hatte schon in der Vergangenheit in der Regel ein gutes Gespür, welche Spieler für welche Rollen geeignet sind. Scheitern die Schweizer erneut im Viertelfinal, dann wird der Grund dafür nicht das WM-Aufgebot sein. In diesem Zusammenhang also «Freispruch» für Patrick Fischer.
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